Dr. B.
Dr. B., ein österreichischer Emigrant, befindet sich auf dem Passagierschiff von New York nach Buenos Aires. Nach dem ersten Drittel der Novelle tritt Dr. B. zum ersten Mal in der Handlung auf. Er wird beschrieben als ein 45 jähriger Mann, mit schmalem, scharfem Gesicht und kreidiger Blässe. Der Leser erfährt nicht seinen Namen, jedoch seine Herkunft. Dr. B. gehört einer altösterreichischen hochangesehenen Familie an. Sein Vater ist Mitglied in der klerikalen Partei gewesen und hat Verbindung zum Klerus und zum österreichischen Kaiserhaus gehabt. Dr. B. führt diese Familientradition fort und arbeitet in seiner Rechtsanwaltskanzlei in der Vermögensverwaltung der Klöster und der kaiserlichen Familie. Im Rahmen dieser Tätigkeit gelingt es ihm, den Klöstern und dem Hof beträchtliche Beträge vor der Habgier der Nazionalsozialisten in Sicherheit zu bringen. Der Leser lernt Dr. B. als umsichtigen und überaus vorsichtigen Juristen kennen. Trotz all dieser Vorsicht ist es den Nazis gelungen, einen Spion in seine Kanzlei einzuschleusen, dem Dr. B. seine baldige Verhaftung zu verdanken hat. Im Hotel Metropole wird Dr. B. in raffinierter Isolationshaft gehalten, um Informationen über die verschwundenen Gelder zu erzwingen. Dem \"psychologisch mörderischen System des Hotelzimmers\" kann Dr. B. einige Zeit standhalten, doch bald zermürbt ihn, den hochintelligenten Menschen, die \"völlige Leere\", \"das Nichts\", das ihn umgibt. In dem Hotelzimmer hat er immer auf etwas gewartet: was seine Peiniger mit ihm vorhaben, was er aussagen soll. Sein Geist hat angespannt gearbeitet, es fehlt jedoch die Abwechslung. In dieser Situation gelingt es ihm, ein Buch mit 150 Meisterschachpartien zu stehlen. Das Nachspielen der Schachpartien - natürlich ohne Brett - schult seine Vorstellungskraft und die Technik des Vorausdenkens und Kombinierens, sein Intellekt bekommt dadurch Nahrung. Nach einigen Monaten langweilt ihn das Nachpielen und er sinnt auf Neues. So kommt er auf die Idee, als Spieler Weiß gegen Spieler Schwarz zu spielen. Dies führt zu seinem geistigen Zusammenbruch. Mit der Bewußtseinsspaltung kann sein Geist nicht umgehen. Er bekommt Nervenfieber und wird ins Krankenhaus eingeliefert. Von dort wird er als geheilter Mann entlassen. Der Arzt hat ihn jedoch vor Schachspielen gewarnt, da dies zu einem Rückfall führen kann.
Die Schachpartie, in die Dr. B. als \"rettender Engel\" eingreift, bedeutet für ihn ein Test, ob er vom Wahnsinn, der ihn in der Isolierhaft ergriffen hat, völlig genesen ist. Die erste Schachpartie, in der er gegen den Schachweltmeister gewinnt, zeigt schon Ansätze seines wiederkehrenden Wahnsinns. Wider alle Vernunft stimmt er einer zweiten Partie zu. Er kann jedoch der Hinhaltetaktik des Weltmeisters nicht standhalten. Sein Geist fängt wieder fieberhaft zu arbeiten an. Er ist schon längst in einem anderen Spiel. Bevor sein völliger Zusammenbruch kommt, wird er von einem Mitreisenden, der ein Freund ist, wie aus einer Trance wachgerüttelt. Nach einiger Zeit hat Dr. B. wieder Kontrolle über sich gewonnen. Er ist wieder der kultivierte, höfliche Mann, den der Leser kennengelernt hat. Schach wird er nie wieder spielen.
|