Der Handlungsort im Kriminalroman "Der Verdacht" von Friedrich Dürrenmatt ist in der Schweiz. Die Handlung selber umfasst 6 Tage im Leben des todkranken Kommissar Bärlach, Ende 1948 - Anfang 1949.
Er wurde gerade operiert und befindet sich in einem Spital mit dem "Salem" zum Jahreswechsel hin auf dem Weg zur Besserung.
Bärlachs Arzt, Dr.Hungertobel befindet sich gerade bei ihm und sieht ihn in einigen Heften des "Life"-Magazins - Jahrgang 1945 - blättern.
Ein Foto zeigt den Lagerarzt des KZ Sutthof beim Ausführen einer Magenopertation ohne Betäubung. Das Gesicht des operierenden Arzes ist kaum zu erkennen. Das einzige was ins Auge fällt ist eine charakteristische Narbe über der Augenbraue.
Hungertobel erinnert sich aufgrund der Narbe an den Arzt Emmenberger, der in Zürich eine Privatklinik für Vermögende betreibt, und wird bei dessen Anblick unruhig. Dieser Emmenberger wird auch der "Erbonkel" genannt, weil er er immer wieder Patienten beerbt, die in seiner Klinik gestorben sind.
Hungertobel kennt ihn persönlich vom Studium her. Er erzählt Bärlach, daß Emmenberger die Zeit des Krieges in Chile verbracht hat.
Bärlach gibt keine Ruhe, bis er von Hungertobel die komplette Geschichte über Emmenberger erfährt.
Darufhin verstärkt sich bei Bärlach der Verdacht, dieser abgebildete KZ-Arzt sei in Wirklichkeit Emmenberger.
Hungertobel hält dagegen, da der Chileaufenthalt dies von vornherein ausschließe.
Um Bärlachs Verdacht zu zerstreuen, bringt er am nächsten Tag medizinische Fachzeitschriften mit, die veröffentlichte Beiträge Emmenbergers aus Chile zu der besagten Zeit enthalten.
Bärlach fällt die unbeholfene Sprache der Artikel auf, obwohl Emmenberger doch angeblich sehr sprachgewandt gewesen sein soll.
Der Chef des Kommisars erscheint am Krankenbett und teilt Bärlach seine Pensionierung zum 1.Januar mit.
Bärlach nutzt seine "Noch-Tätigkeit" als Polizist dazu, Auskünfte über den KZ-Arzt Nehle einzuholen und bestellt den Juden Gulliver zu sich ins Spital, welcher nachts erscheint.
Gulliver ist ein Überlebender des Holocaust, der selbst einmal von Nehle ohne Betäubung operiert wurde.
Das Foto, das den Lagerarzt Nehle während der Operation zeigt, wurde von Gulliver aufgenommen. Andere Fotos existieren nicht.
Gulliver berichtet, daß kurz nach erscheinen des Fotos 1945 der Selbstmord Nehles in der Presse bekanntgegeben wurde.
Am nächsten Tag erhält Bärlach Unterlagen über den Lagerarzt Nehle durch seinen Chef zugesandt. Sie enthalten interessante Fakten:
- Die Beschreibung Nehles gleicht der Emmenbergers aufs Haar
- Der Wunsch Nehles zu studieren scheiterte an Sprachen und Mathematik
- 1938 bestand er endlich das Abitur und zwar erstaunlicherweise mit glänzenden Leistungen in Sprachen und Mathematik
- Emmenberger war angeblich im Vorjahr nach Chile gegangen
Für Bärlach ergeben sich dadurch zwei Möglichkeiten:
1. Der KZ-Arzt Nehle ist tot und es gibt keine Beziehung zwischen ihm und dem unbescholtenen Emmenberger.
Oder aber
2. Emmenberger war als Nehle Lagerarzt im KZ-Sutthof und Nehle war als Emmenberger in Chile.
Die zweite Version kommt für Bärlach eher in Betracht, da sich die Ärzte auch in äußerlichen Merkmalen (z.b. 2 gleichartigen Narben) gleichen.
Aufgrund des Verdachtes beschließt Bärlach sich am nächsten Tag (dem 31.12.1948)
Unter einen Falschnamen in die Privatklinik Emmenbergers einweisen zu lassen.
Zuvor gibt er dem Schriftsteller Fortschig noch den Auftrag, in Fortschig's Zeitschrift einen Artikel zu veröffentlichen in dem ein unbenannter Chefarzt einer Züricher Privatklinik als Massenmörder beschuldigt wird. Bärlach gibt den Inhalt des Artikels vor und finanziert Fortschig eine Reise nach Paris, die Fortschig sofort nach Erscheinen des Artikels antreten soll, damit er vor Racheaktionen geschützt ist.
Am Abend des 31.12.48 kommt Bärlach im Spital Dr. Emmenbergers an.
Er wird dort sofort zur Aufnahmeuntersuchung in einen Operationssaal gebracht, wo er von Emmenberger und Dr. Edith Marlok erwartet wird. Bärlach plant die Untersuchung zu einem Verhör umzufunktionieren.
Bei dem Dialog deutet Bärlach Details an, um Emmenberger zu verunsichern, was aber nicht gelingen will.
Beide Gesprächspartner bombardieren sich mit zweideutigen Sätzen.
(Textausschnitt vorlesen lassen)
Bärlach muß zur Beruhigung zwei Tabletten einnehmen, welche ihn schlafen lassen.
Als er erwacht ist es später Abend gegen halb elf. Er findet sich in einem merkwürdigen Raum wieder, dem Sterberaum, wie er von einer Schwester erfährt.
Nachdem die Schwester den Raum verlassen hat, wartet Bärlach auf die Neujahrsglocken aber nichts tut sich. Ihm ist unheimlich zumute.
Am nächsten Morgen tritt die Assistentin Emmenbergers, Edith Marlok ins Zimmer. Sie gibt sich selbst eine Morphiuminjektion, um fit zu werden.
Sie hat eine Zeitung dabei, in der ein Bericht über die Pensionierung Bärlachs mit Foto abgedruckt ist. Dadurch ist er enttarnt. Bärlach erschrickt über das Datum der Zeitung: 05.12.1949,d. h. er hat aufgrund der Tabletten 5 Tage geschlafen.
Edith Marlok bestätigt den Verdacht Bärlachs. Emmenberger war der KZ-Arzt und Nehle wurde von ihm ermordet.
Eine Mitschuld bestreitet sie, da sie nur als Geliebte Emmenbergers überleben konnte.
(Textausschnitt 2 vorlesen lassen)
Sie bestätigt weiterhin, was Bärlach auch vermutet hatte: Im KZ-Sutthof war die Hölle der Juden. In Zürich hat Emmenberger die Hölle der Reichen aufgebaut. Hier führt er weiterhin seine quälenden Operationen durch.
Danach verläßt sie das Zimmer und läßt eine Zeitung liegen.
Bärlach entnimmt der Zeitung, daß Fortschig der Schriftsteller unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen ist.
Währenddessen ist Emmenberger ins Zimmer getreten und setzt Bärlach eine Todesfrist. Um 19 Uhr wird er Bärlach töten. Auch Hungertobel wird dranglauben müssen, weil er ein Risiko darstellt.
Bärlach wirft Emmenberger vor nur die schlechten Seiten des Lebens zu sehen, ein negativ eingestellter Mensch zu sein (Nihilist).
Daraufhin legt Emmenberger ein ausführliches Selbstzeugnis ab.
(Textausschnitt 3 vorlesen lassen)
Er gibt Bärlach die Chance, sein Leben zu retten, jedoch ohne Erfolg.
Emmenberger verläßt ihn.
Bärlach bleibt allein zurück und starrt auf die Uhr, auf der unaufhaltsam seine Lebenszeit zertickt. Die Stunden verrinnen.
Um 19.00 Uhr, der Todesstunde tritt nicht Emmenberger ins Zimmer, sondern Gulliver.
Er bringt die Rettung.
Emmenberger ist tot, Hungertobel gerettet.
Historischer Bezug des Autors
Dürrenmatt schrieb gerne Kriminalgeschichten, um die Nichtberechenbarkeit der Welt darstellen zu können. In "Der Verdacht" wird die Verfolgung der Juden und ihre radikale Vernichtung im damaligen Deutschland dargestellt. Weiterhin geht der Auto auf die sadistischen Praktiken in den Konzentrationslagern ein.
Er kritisiert ebenso das Zustandekommen des Hitler-Stalin-Paktes (symbolisiert durch Edith Marlok)
Der Autor schrieb den Roman kurz nach Kriegsende, was darauf hindeuten läßt, daß er das Unbehagen der Zeit darstellen wollte.
Schreibweise des Autors
Dürrenmatt verfaßte diese Geschichte als Kriminalroman.
Die Merkmale eines Kriminalromans findet man häfig im text, so z.b. die des Krimis, das nur ein Täter vorhanden ist oder das das Verbrechen welches erzählt wird aus persönlichen Motiven begangen wird.
Weiterhin spiegelt der Text Zusammenhänge zwischen Zeit u. Gesellschaft und das Schicksal einer Einzelpersönlichkeit in einer Auseinandersetzung mit der Umwelt. Dies ist ein Hinweis auf einen Roman.
Zeitlicher Ablauf
Der erzählte Zeitraum beschränkt sich auf 10 Tage, nämlich vom 27. Dezember 1948 bis zum 6. Januar 1949.
27. Dezember Ein Foto in der Zeitschrift "Life" begründet den Verdacht
28. Dezember Nach Gesprächen mit Hungertobel Verstärkung des Verdachts
29. Dezember Bärlach vergleicht Stil und Ausdruck der Berichte Emmenbergers und zieht Erkundigungen ein. Gulliver erscheint
in der Nacht
30. Dezember Bärlach vermutet den Persönlichkeitstausch Nehle - Emmenberger.
Fortschig, der Schriftsteller besucht ihn und erhält den Auftrag
31. Dezember Bärlach läßt sich nach Zürich verlegen
Er versucht bei der Aufnahmeuntersuchung ein verhörartiges Gespräch zu führen
Bärlach nimmt zwei Tabletten ein
05. Januar 49 Bärlach erwacht aus der Betäubung
06. Januar Berläch wird entlarvt und ist hilflos
Er erhält die Nachricht von Fortschigs Ermordung und gleichzeitig einen Termin für seine "Operation" (Tötung) durch Emmenberger
Er wartet verzweifelt, wehrlos.
Gulliver erscheint zur Erlösung.
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