Eine weitere Analyse erstellt Bettelheim von dem Märchen "Hänsel und Gretel". Hierbei geht es weniger um die sexuelle Entwicklung als vielmehr um das Loslösen von der Mutter.
Die Mutter, die als Nahrungsgeber für das Kind von Anfang an da ist, führt die Kinder in den Wald, da nicht genug Nahrung vorhanden ist, um diese zu ernähren. Hänsel streut Kieselsteine und dadurch wird es ihm und Gretel möglich, wieder nach Hause zu finden.
Aufgrund der Tatsache, dass die Kinder wieder nach Hause zurückkehren, ohne sich einer Weiterentwicklung zu stellen, machen sie einen Rückschritt in der Entwicklung durch.
Das zeigt sich darin, dass Hänsel, als sie erneut von der Mutter weggeführt werden, Brotkrumen streut, um den Heimweg wiederzufinden. Dabei hätte er doch wissen müssen, dass diese von den Vögeln aufgepickt werden und somit es für die beiden unmöglich wird, wieder zurückzufinden.
Als Hänsel und Gretel am Lebkuchenhaus anlangen, nimmt der primitivste Trieb überhand, nämlich das sie das Haus, das ihnen Schutz und Sicherheit bietet, aufessen. Das Haus steht für die primitive Gier und dem Drang, dieser nachzugeben. Im Unterbewussten steht das Haus auch für die Mutter, die das Kind mit seinem Körper nährt und Schutz bietet.
Eine Lehre, die man aus diesem Märchen ziehen kann, ist, dass wenn man ungehindert seiner Gefräßigkeit nachgibt, Vernichtung droht.
Diese Vernichtung wird durch die Hexe dargestellt, die ja die Kinder fressen will. Dass am Ende die Hexe sterben muss und nicht die Kinder führt dieses Märchen noch auf eine andere Ebene: nämlich dass Kinder, die noch wenig Erfahrung und Selbstbeherrschung haben nicht mit dem gleichen Maßstab wie ältere Erwachsene gemessen werden dürfen. Deshalb ist der Tod der Hexe ebenso gerechtfertigt wie die Rettung der erst maßlosen Kinder.
Die Edelsteine, die die Kinder von der Hexe erben, werden schlussendlich mit den Eltern geteilt und hier zeigt sich sehr deutlich die Weiterentwicklung von Hänsel und Gretel. Sie sind nicht länger von der Mutter abhängig, sondern können diese sogar unterstützen, dank ihrer Unabhängigkeit, die sie aufgrund der gewonnenen Erfahrungen, erlangt haben.
Dies sind nur einige Aspekte, die Bettelheim in seiner Analyse anspricht, doch zeigen bereits diese, wie wichtig Märchen für die Entwicklung eines Kindes sind.
Schluss
Abschließend kann ich nur sagen, dass es für mich eine besondere Erfahrung dargestellt hat, das Buch "Kinder brauchen Märchen" zu lesen, zumal das oberflächliche Lesen von Märchen niemals diese Aspekte zu Tage bringt, wie Bettelheim sie beschreibt. Es bleibt nur zu hoffen, dass Eltern ihren Kindern in Zukunft auch Zugang zu diesen Geschichten bieten, damit deren Entwicklung auf angenehme Weise gefördert wird.
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