Hanna war eine vollständige Analphabetin, sie konnte weder lesen noch schreiben. Ich habe hier einige Situationen aufgelistet, die klar verdeutlichen, wie gravierend sich der Analphabetismus im alltäglichen Leben von Hanna auswirkt.
Hanna...
. ... hatte Michaels Namen auf seinen Schulheften nicht gelesen. (S. 35)
. ... reagierte nicht seine Briefe (S. 50)
. ... überliess ihm die Wahl der Routen, der Hotels, der Speisen auf ihrer gemeinsamen Fahrradtour. (S. 52, 53, 54)
. ihre seltsame Reaktion im Arbeitszimmer seines Vaters, liess sich aus dessen Büchern vorlesen (S. 60f.)
. Ihre seltsam wahllose Auswahl von Kinofilmen. (S. 76)
. ... hält Termine der schriftlichen Vorladungen nicht ein (S. 94)
. ... Will nicht auf das Vorlesen des vorher zugesandten Buchmanuskriptes der Tochter verzichten. (S. 104)
. ... reagiert sicht- und hörbar verwirrt im Zusammenhang mit dem Protokoll ihrer richterlichen Vernehmung. (S. 105)
Im Laufe ihres Lebens hat Hanna meisterhaft gelernt, ihre Schwäche zu verheimlichen. Ihre Reaktion auf kritische Situationen ist meistens so, dass sie diese ignoriert oder sich eine Begründung für ihre Verhaltensweise erfindet. Wenn sie sich in die Enge getrieben fühlt, reagiert sie zornig, sogar brutal, sie ist empfindlich und verletzlich.
Erst in ihrer Gefangenschaft gibt sie diesen Kampf auf. Sie entwickelt im Gefängnis, unbewusst unterstütz durch Michaels Kassetten, die Eigeninitiative, lesen und schreiben lernen zu wollen. In dieser Situation will sie ebenfalls wie in anderen Situationen, ohne Hilfe auskommen. Als sie ihr Ziel aber erreicht hat, ist sie stolz und sehr froh. Diese Freude möchte sie mit Michael teilen, der allerdings nicht darauf eingeht.
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