1.Einführung Physiotherapie:/
Krankengymnastik bei meinem Sohn? Er ist doch gerade einen Tag alt und noch dazu zu früh geboren! / Krankengymnastik? Meine Tochter hat doch eine Lungenentzündung, da darf sie doch nicht turnen! ... erstaunt und etwas ratlose Fragen von Müttern und Vätern kommen oft auf. Was bedeutet also Krankengymnastik? Der Denkansatz, der diesem Fach einmal zugrunde lag, war, die heilende Wirkung der eigenen Bewegungskräfte des Patienten anzuregen und gezielt zu seiner Handlung zu nutzen. Heute wird Krankengymnastik nicht mehr so genannt der Begriff Physiotherapie ist die richtige Bezeichnung: Physis= Kraft, in der Regel die Kraft des Patienten, für seine Heilung =Therapie nutzbar zu machen.
2.Umgang mit Säuglingen:
Im Umgang mit Säuglingen sind einige Sachen zu beachten, die bei der Physiotherapie an einem Erwachsenen nicht von Bedeutung wären!
Beim Baby sind die Hebelverhältnisse ganz anders als beim Erwachsenen
Der Körperschwerpunkt liegt im HWS(Halswirbelsäule)/Kopfbereich
Die Schwerkraft wirkt plötzlich auf den Körper ein!
Deswegen ist nur eine Willkürmotorik vorhanden
Die Entwicklungsstufen sind genau zu beachten, da sonst Entwicklungsschäden entstehen können.
Kinder wehren sich wenn ihnen etwas nicht gefällt(auf Körpersprache ist zu achten)
Wichtig ist die Eltern mit in die Behandlung einzubeziehen, sie gut zu informieren, Ängste der Eltern verstehen und ernst nehmen.
3.Entwicklungsstufen:
Motorische, sprachliche und soziale Entwicklung:
Neugeborene
-BL(Bauchlage): Arme und Beine beugen
-RL(Rückenlage): Gebeugte Haltung; dreht Kopf von einer Seite zur anderen; keine Kopfkontrolle
-Sehen: Wahrnehmung von Licht oder Gesicht; "Puppenaugenbewegung" wenn Körper gedreht wird.
6 Wochen
-BL: Kopf kann kurz angehoben werden.
- RL: Kopf zur Seite, Extremitäten auf dieser Seite mehr gestreckt. Kopfkontrolle für Augenblicke.
-Sehen: Fixiert Objekte; folgt bewegten Objekt von Seite bis Mittellinie(90°)
-Soziales: Reaktives Lächeln; Interesse
Diagn. Erforderlich bei: Gestreckten Gliedmaßen, ausgeprägten Schlaffheit, Asymmetrie von Tonus/Bewegungen, Nystagmus, fehlendem Fixieren/Folgen von Objekten mit den Augen, schwachem Saugen, fehlendem Lächeln.
2 Monate
-BL: Kopf kann bis 45° von Unterlage angehoben werden
-RL Kopfkontrolle beim Hochziehen zum Sitzen für mehrere Augenblicke; in sitzender Haltung ist Kopf meist zur Seite geneigt.
-Sehen: Konvergiert beim Fixieren, folgt bewegten Objekte von Seite über Mittellinie hinaus.
3 Monate
-BL: Kopf und Schultern können 45-90° von Unterlage gehoben und für längere Zeit gehalten werden. Säugling stützt sich auf Unterarme.
-RL: Beim Hochziehen zum Sitzen hängt Kopf nur noch geringfügig nach hinten, beim Halten im Sitzen kippt er noch gelegentlich nach vorne.
-Sehen: Beobachtet eigene Hände, folgt bewegten Objekten von einer Seite zur anderen (180°), schaut sofort auf Gegenstand in Mittellinie.
Soziales: Aufgeregt wenn etwas Angenehmes in Aussicht ist.(z.B. Flasche)
4 Monate
-BL: Schwimmbewegungen Kopf kann 90° von Unterlage gehoben werden
-RL: beim Hochziehen zum Sitzen nur noch zu Beginn leichtes Zurückbleiben des Kopfes, im Sitzen kann er auf Dauer gehalten werden
-Feinmotorik: Gegenstände werden zum Mund geführt. Beim Versuch, einen Gegenstand zu ergreifen, wird zu weit gegriffen
- Sehen: Kann quer durch Zimmer sehen, erkennt bewegten Gegenstand sofort
-Soziales: Lacht, freundlich gegenüber Fremden; sitzt gern(mit Unterstützung)
5 Monate
-BL: Abstützen auf Unterarme; Umdrehen in RL kann beginnen
-RL: Füße werden in den Mund genommen. Beim Hochziehen zum Sitzen und im Sitzen gute Kopfkontrolle
- Sitzen: Mit Unterstützung, Rücken gerade
- Stehen: Mit Unterstützung, trägt größten Teil seines Gewichts
- Feinmotorik: Gegenstände können ergriffen werden, Klötzchen werden mit beiden Händen gleichzeitig ergriffen, spielt mit den Zehen.
6 Monate
- BL: Abstützen auf Hände, Brust und Oberbauch werden von Unterlage gehoben. Dreht sich in RL
- RL: Hebt Kopf von Unterlage
-Sitzen: Beginnt mit dem Sitzen, Stützt sich dabei mit Armen ab
-Stehen: Mit Unterstützung, trägt fast sein ganzes Gewicht
-Feinmotorik: Palmares Greifen(d.h. Gegenstände werden zwischen allen Fingern und Handfläche gehalten), gibt Gegenstände von einer in andere Hand
- Soziales: Reagiert auf Spiegelbild (lächeln, plappern); Fremdeln kann beginnen
Diagn. Erforderlich bei: Ausgeprägter Schlaffheit, mangelndem Gebrauch beider Hände, mangelnder Hinwendung zu Geräuschquellen, geringer oder fehlender Reaktion auf Personen
9 Monate
- Sitzen: Kann sich aus Bauchlage alleine aufsetzen, sitzt frei
- Stehen: Mit Festhalten, kann sich aber nicht alleine wieder hinsetzen
- Krabbeln: kann Krabbeln
- Feinmotorik: Haut Klötzchen aneinander, isst Kekse alleine, Pinzettengriff beginnt
- Soziales: Wirft Spielzeug auf Boden, winkt; kennt seinen Namen; versteht nein; fremdelt
Diagn. Erforderlich bei: Unfähigkeit zu sitzen, Asymmetrie. Kein Krabbeln möglich.
12 Monate
-Laufen: Mit Festhalten an einer Hand
-Feinmotorik: Reifer Pinzettengriff; nimmt Gegenstände nicht mehr in den Mund
- Soziales: Streckt Arm zum Anziehen aus; isst Fingermahlzeiten selbstständig
Diagn. Erforderlich bei: Unfähigkeit zu stehen, fehlendem Pinzettengriff, fehlender Reaktion auf Geräusche.
18 Monate
-Laufen: Läuft frei, steigt Treppen auf und ab mit Festhalten; klettert auf Möbel; beginnt mit zwei Füßen zu springen
-Feinmotorik: Turm aus 2-3 Klötzchen; wirft Ball; zieht Handschuhe, Socken aus, öffnet Reißverschlüsse; isst gut mit Löffel, trinkt aus Becher, kritzelt spontan
-Soziales: Imitiert Hausarbeit. Liebt Bücher, blättert 2-3 Seiten gleichzeitig
Diagn. Erforderlich bei: Unfähigkeit zu laufen
2 Jahre
-Laufen: Steigt Treppen, 2 Füße/Stufe. Kann rennen
-Feinmotorik: Turm aus 6 Klötzchen, Zug aus 3 Blöcken. Kopiert horizontale und vertikale Linien mit Stift.
-Soziales: Folgt einfachen Instruktionen. Gelegentlich tagsüber sauber und trocken.
Diagn. Erforderlich bei: mangelnder Koordination, Unfähigkeit, einfache Aufforderungen zu verstehen.
3 Jahre
-Laufen: Steigt Treppen hoch mit 1 Fuß/Stufe, herab mit 2 Füßen/Stufe. Springt mit Füßen zusammen auf der Stelle. Kann sekundenlang auf 1 Fuß stehen, kann Dreirad fahren.
-Feinmotorik: Handpräferenz(Rechts- bzw. Links-Händigkeit) ausgebildet. Turm aus 8 Klötzchen, imitiert Brücke aus Klötzchen. Kopiert Kreis, Kreuz. Zieht sich aus und unter Anleitung auch an
-Soziales: Kennt einige Kinderlieder. Evtl. Zählen bis 10. Sauber und trocken bei Tag und gelegentlich auch bei Nacht. Kann unter Aufsicht Hände waschen und trocknen. Beginnt mit anderen Kindern zu spielen.
Diagn erforderlich bei: Gangstörungen
5 Jahre
-Laufen: Kann 10 Sek. Auf einem Bein balancieren und auf einem Bein hüpfen. Läuft entlang Linie in Fersen-Zehen-Gang.
-Feinmotorik: Hält Bleistift mit 3 Fingern. Malt Männchen aus 3-6 Teilen. Baut Brücke aus Erinnerung.
- Soziales: Sauber und trocken Tag und Nacht. Kleidet sich ohne Aufsicht an. Wählt seine Freunde selber, kann teilen und sich abwechseln.
4.Frühgeborenen Kindern
Kinder, die zu früh geboren werden, haben eine wichtige Zeit der Aufnahme von Reizen im Mutterleib verpasst. Es sind vor allem die Reize über die Basissinne. Dazu gehört der Hautreiz, der z.B. Streichelbewegungen im Mutterleib empfinden. Der Gleichgewichtssinn wird, z.B. bei Veränderungen der Lage des ungeborenen Babys oder durch die Bewegungen der Mutter aktiviert. Durch die zu früh geborene Kinder in eine Welt, die sie noch nicht richtig verarbeiten können. Die Therapeutin muß also versuchen, diese Reize dem Kind von außen zu vermitteln, natürlich mit der Hilfe der Mutter und des Vaters.
Ein Beispiel zur Verbesserung:
-Lagerung im Inkubator (Wärmebett)
Eine wichtige Bedeutung hat die Lagerung des Neugeborenen. Durch sie wird eine Abgrenzung geschaffen, die Sicherheit vermittelt. Wie sie das Kind vor der Geburt erlebt haben. Um dem Kind die Erfahrung über seinen eigenen Körper zu vermitteln legen sie das Baby in ein Nestchen. Der Gleichgewichtssinn kann durch Schaukelbewegungen gefördert werden.
5. Die Vojtatherapie
Seit der Geburt ist das Programm der idealen Bewegungsentwicklung im Gehirn wie in einem Computer gespeichert. Die Grundidee der Vojta-Therapie ist, dass es bestimmte Bewegungskomplexe gibt, die angeboren sind, wie Umdrehen und Kriechen. In diesen Bewegungen sind alle Muskelaktivitäten enthalten, die für eine normale Beweglichkeit notwendig sind.
Diese Bewegungskomplexe werden durch Druck auf bestimmte Punkte ausgelöst. Bei Kindern sind dabei vor allem Bewegungen zu sehen, bei Erwachsenen sind dann besonders Muskelspannungen zu spüren. Die Bewegungskomplexe sind während des ganzen Lebens (von Geburt bis ins hohe Alter) abruf- und anwendbar.
Die Ziele der Therapie sind:
Aktivierung der Muskulatur des ganzen Körpers für eine bessere Haltung und Bewegung
Verbesserung der Kopf- und Wirbelsäulenstellung
Abstimmung der Atmung auf die Bewegung des ganzen Körpers
Verbesserung der Hand- und der Fußfunktion
Wachstumsreize für große Gelenke, besonders der Hüftgelenke
6. Lähmung des Plexus brachialis:
Schädigung des Plexus meistens durch Geburtstrauma, Unfall, Schlüsselbeinfraktur
Symptome: Schlaff nach unten herabhängender, leicht nach innen rotierter Arm. Der Arm kann im Schultergelenk nicht gehoben oder außenrotiert werden. De Schulter der betroffenen Seite steht tiefer. Der Ellenbogen kann nicht gebeugt oder gestreckt werden.
Ein Physiotherapeut wird eine Physiotherapie durchführen mit der Hilfe der Eltern.
- Das Wichtigste ist die Lagerung des Kindes:
- -Frühphase(0-3 Monate): abwechseln der Rücken- und Seitenlage, dabei auf eine gute Durchblutung der Schulter Gegend achten! Es darf keinen Zug oder Dehnung auf den Arm ausgeübt werden. Der Arm wird oft fixiert, damit keine Last auf das Schultergelenk
- ausgeübt wird.
- -Lagerung in der Spätphase(ab3./4. Monat:)
- keine Fixierung des Armes. Das Kind soll durch Reize den Arm aktiv mit einsetzen. Passives Bewegen durch den Physiotherapeut , dabei Orientierung an dem Bewegungsausmaß des gesunden Armes. Das Kind muss mit Hilfe von Spielsachen zum einsetzen des kranken Armes bewegt werden.
Förderung der Bewegung:
- Im Alltag das Kind immer wieder dazu anregen, seinen betroffenen Arm einzusetzen.
- Der Arm muss zum greifen auch eingesetzt werden
- Die Stützfunktion im Unterarmstütz, Handstütz usw. fördern.
- Schwimmen ist für das Kind sehr wichtig, da es im Wasser den kranken Arm besser bewegen kann.
7..Psychomotorik
Unter Psychomotorik versteht man Fähigkeiten der Geschicklichkeit, des Gleichgewichts und der Aufmerksamkeit eines Kindes. Diese können durch entsprechende Übungen ganz erheblich gefördert werden. Solche Übungen machen den Kindern in der Regel großen Spaß. Daher kann einer großen Gruppe von Kindern auf der Kinderstation durch die Psychomotorik auch Ablenkung und freudige Erfahrung vermittelt werden. Dazu gehören alle Kinder, die zur Abklärung eines Syndroms ins Krankenhaus müssen, die Diabetiker, deren Zuckerwerte eingestellt werden, die Adipositas-Kinder, die neben einer Diät auch körperliche Bewegung erfahren sollen und überhaupt die Kinder, die eine längere Liegezeit hinter sich bringen mußten und jetzt ihre Kräfte durch gezielte und dosierte Übungen wieder zurückerhalten sollen.
Die physiotherapeutische Betreuung der Kinder im Krankenhaus soll immer in einer entspannten Atmosphäre, einem fröhlichen Miteinander mit der Therapeutin und trotzdem mit genauem Blick auf das Ziel - die Verbesserung der Lebensqualität des Kindes - stattfinden.
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