2.1. Gesundheitsbezogene Kognitionen/
Nach Verres (1986) bestehen zwischen den subjektiven Krankheitstheorien von Menschen und dem tatsächlichen präventiven Gesundheitsverhalten komplexe Wechselwirkungen. Gesundheitsbezogene Kognitionen lassen sich nach folgenden Gesichtspunkten ordnen:
. Wahrnehmungen, z.B. Selektion von Informationen und Aufmerksamkeitsrichtung.
. Erwartungen, z.B. bezüglich Ergebnissen von Handlungen.
. Bewertungen, z.B. Situationsdefinitionen und Selbsteinschätzungen.
. Attributionen, z.B. Kontrollierbarkeitserwartungen und Ursachen von Krankheiten.
. Konstruktionen, z.B. Umbewertungen und Pläne.
Viele Kognitionen beruhen auf gesellschaftlichen Situationsdeutungen (Verres 1986: Huber u. Mandl 1982b).Gerade Krankheitsvorstellungen können weitgehend als soziale Konstruktionen aufgefaßt werden (Verres 1986: Sontag 1981; Dornheim 1983). Je facettenreicher diese sozialen Konstruktionen sind, desto größer ist die Unklarheit darüber, ob eine Stellungnahme tatsächlich subjektiv ist oder aber lediglich die Aktualisierung eines gängigen sozialen Konstrukts bedeutet, das ausgesprochen wird, um den Befrager zufriedenzustellen, aber letztlich für den Sprecher keine persönliche Bedeutung hat. Auch hier hängen die Bedeutungen subjektiv benutzter Begriffe meist vom jeweiligen Kontext ab.
2.2. Subjektive Krankheitstheorie vs. "Wissenschaftliche Theorie"
Eine subjektive Krankheitstheorie kann sich auch ändern, z.B. im Zusammenhang mit emotionalen Prozessen wie der plötzlichen Todesangst. Subjektive Krankheitstheorien haben einen "prozessualen Charakter. Sie ändern sich ständig." (Verres 1986: Meerwein 1981; Becker 1984; Olbricht 1985). Daher haben viele Elemente einer subjektiven Krankheits¬theorie jeweils nur für einen begrenzten Zeitraum Gültigkeit. Sie können von "wissenschaftlichen Theorien" deshalb durch folgende mögliche Merkmale unterschieden werden:
. Inkonsistenz, z.B. logisch unvereinbare Vorstellungen.
. Instabilität, z.B. über die Zeit, je nach aktuellem Erfahrungskontext.
. Affekte und Affektdynamik, z.B. Konnotationen, Symbolik, Metaphorik und Wahrnehmungsabwehr.
. Prozessuraler Charakter, z.B. zur Handlungsleitung oder -rechtfertigung.
Nachdem also subjektive Krankheitstheorien instabil und inkonsistent sein können, ergeben sich für ihre Erforschung erhebliche methodische Probleme. Nichtsdestotrotz sind sie ein wichtiger Bestandteil der Person, und können einiges zum weiteren Verständnis der Wissenschaft für Krankheiten und deren Ursachen beitragen.
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