Für den Bereich Gentechnik und Lebensmittel sind insbesondere zwei Regelungen auf EU-Ebene und eine österreichische Regelung von Bedeutung:
1.1. Die EU-Freisetzungsrichtlinie
Diese Richtlinie der Europäischen Union regelt EU-weit den Umgang mit gentechnisch veränderten Pflanzen und Kleinstlebewesen (Bakterien). Der Anbau von Pflanzen, ihr Verkauf und alle anderen Arten des absichtlichen Freisetzens in die Umwelt werden geregelt. So sind etwa behördliche Anmelde- und Zulassungs-verfahren sowie die Kennzeichnung der verpackten Produkte vorgesehen. Die Behörden legen dabei fest, was mit den gentechnisch veränderten Lebewesen getan werden darf, etwa kann nur der Verkauf als Saatgut oder aber auch die Weiterverarbeitung zu Futtermitteln oder Lebensmitteln erlaubt werden. Gentechnisch hergestellte oder veränderte Lebensmittel sowie Zusatzstoffe und Enzyme unterliegen nicht dieser Richtlinie.
Erhält ein Unternehmen die Genehmigung, eine gentechnisch veränderte Pflanze auf den Markt zu bringen, dann ist sowohl der Anbau als auch das Inverkehrbringen dieser Pflanzen in allen EU-Mitgliedstaaten erlaubt. Deshalb müssen alle Mitgliedstaaten in den Genehmigungsprozeß miteinbezogen werden. Erhebt auch nur ein einziger EU-Mitgliedstaat Einspruch, tritt ein kompliziertes Verfahren in Kraft. Dennoch kann es sein, dass eine Genehmigung erteilt wird. Dann gilt diese, wie schon erwähnt, für alle Mitgliedstaaten; also auch in jenen, die ursprünglich einen Einspruch erhoben haben.
Ist die EU-weite Genehmigung einmal erteilt worden, haben Mitgliedstaaten, die Bedenken gegen die Zulassung haben, nur noch eine einzige Möglichkeit. Sie können einen zeitlich befristeten Anbau- bzw. Importstopp für ihr Land aussprechen. Dieser muß jedoch wissenschaftlich begründet sein und wird normalerweise innerhalb von drei Monaten von der EU-Kommission beurteilt.
Kommt die EU-Kommision zu der Meinung, daß der ausgesprochene Importstopp unbegründet ist, muß der jeweilige Mitgliedstaat das Produkt ebenfalls zulassen. Den derzeit wohl bekanntesten Fall dieser Art stellt der Importstopp für gentechnisch veränderten Mais der Firma Ciba-Geigy (jetzt Novartis) durch Österreich dar, dem sich Luxemburg angeschlossen hat. Obwohl die EU den Anbau und das Inverkehrbringen von diesem Mais genehmigt hat, haben Österreich und Luxemburg die Ausnahmeregelung in Anspruch genommen. Da mittlerweile der Bereich Gentechnik und Lebensmittel auch in anderen EU-Mitgliedstaaten sehr heftig diskutiert wird, konnte bis heute das Importverbot aufrechterhalten werden.
1.2. Die EU-Novel-Food-Verordnung
Die Freisetzungs-Richtlinie gilt nur, solange die gentechnisch veränderte Pflanze kein Lebensmittel ist. Ab dem Zeitpunkt, zu dem sie als Lebensmittel auf den Markt kommen soll, gilt die Novel-Food-Verordnung.
Nach jahrelangen Verhandlungen wurde zwischen der EU-Kommission, dem EU- Ministerrat und dem Europaparlament ein Kompromiß erzielt, der die Zulassung, das Inverkehrbringen und die Kennzeichnung von neuartigen Lebensmitteln regelt. Diese Verordnung, die mit Mai 1997 in Kraft getreten ist, gilt direkt in allen EU-Mitgliedstaaten. Sie schreibt vor, daß immer dann ein eigenes Zulassungsverfahren nötig ist, wenn Lebensmittel "nicht im wesentlichen gleichwertig" gegenüber herkömmlichen Erzeugnissen sind.
Zwingend vorgeschrieben ist ein Genehmigungs- bzw. Zulassungsverfahren bei Lebensmitteln und -zutaten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen, deren Molekularstruktur verändert ist sowie für Lebensmittel, bei deren Herstellung ein neuartiges Verfahren angewendet wurde.
Über Handel und Verkauf von neuartigen Lebensmitteln, die hinsichtlich ihrer Zu-sammensetzung, ihres Nährwertes, ihres Stoffwechsels, ihres Verwendungszwecks und ihres Gehalts an unerwünschten Stoffen herkömmlichen Lebensmitteln und Zutaten im wesentlichen gleichwertig sind, muß der Antragsteller die Europäische Kommission lediglich in Form einer Mitteilung unterrichten. Die Gleichwertigkeit muß anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Befunde bzw. anhand einer Stellungnahme der zuständigen Behörden im jeweiligen Mitgliedstaat nachgewiesen werden. In Zukunft werden im Zweifelsfall also Wissenschafter zu entscheiden haben, ob derartige Lebensmittel zulassungspflichtig sind oder nur angemeldet werden müssen.
1.3. Das österreichische Gentechnikgesetz
Mit 1. Jänner 1995 ist in Österreich das Gentechnikgesetz in Kraft getreten. Es regelt jene Freisetzungen, die zu Forschungs- und Entwicklungszwecken oder anderen Zwecken mit Ausnahme des Inverkehrbringens beabsichtigt sind. Diese Freisetzungen müssen von der österreichischen Behörde genehmigt werden und dürfen auch nur in Österreich erfolgen. In Österreich wurde bis Ende 1998 noch kein derartiger Freisetzungsantrag genehmigt.
Das Gentechnikgesetz regelt weiters das Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismenin Laboratorien sowie die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie beim Menschen.
Drei Ministerien sind mit der Prüfung von Freisetzungen für gentechnisch veränderte Pflanzen befaßt: Das Bundeskanzleramt/Bundesministerin für Frauen-angelegenheiten und Verbraucherschutz ist sowohl für den Bereich der Freisetzungen und des Inverkehrbringens von gentechnisch veränderten Organismen als auch für den Bereich der neuartigen Lebensmittel und Lebensmittelzutaten (Novel-Food) die zuständige Behörde. Eine Ausnahme stellen die Aktivitäten der Universitäten dar. In diesem Fall ist für Freisetzungsaktivitäten das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr die zuständige Behörde. Das Bundesmini-sterium für Umwelt, Jugend und Familie bzw. das diesem Ministerium unterstellte Umweltbundesamt berät die zuständige Behörde im Falle von Freisetzungen bzw. beim Inverkehrbringen von Produkten.
Von 7.-14. April 1997 fand in Österreich das Gentechnik-Volksbegehren statt, das von 1,225.790 Österreicherinnen und Österreichern unterzeichnet wurde. Das Volksbegehren richtete sich gegen den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelproduktion sowie gegen die Patentierung von Leben. Aufgrund des großen Erfolges des Gentechnik-Volksbegehrens wurde im Parlament ein eigener Sonderausschuß zur Behandlung des Gentechnik-Volksbegehrens gebildet. Das Resultat dieser Verhandlungen mündete in einer Novellierung des Gentechnik-Gesetzes, die vor allem eine Stärkung der Bürgerbeteiligung bei Genehmigungsverfahren zur Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen zu Forschungszwecken und erstmals Haftungsregelungen für Gentech-Firmen vorsieht.
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