Schon relativ bald nach Veröffentlichung der endgültigen Strukturformel des LSD fiel die Ähnlichkeit dieser Droge mit dem gerade erst als Neurotransmitter identifizierten Hormon Serotonin auf. Forscher in England und Amerika sahen einen Zusammenhang zwischen der Wirkung des Serotonins, oder besser gesagt dessen Fehlens, und den für LSD typischen Symptomen, was zur Aufstellung erster Vermutungen und zu einer näheren Untersuchung der LSD-Serotonin Wechselwirkung führte. Da heute nach allgemein anerkannter Auffassung die kritische Wirkung über die Serotoninrezeptoren ausgeübt wird , werden auch in den meisten neueren Veröffentlichungen auf die Serotoninwirkung beschränkte Hypothesen besprochen. Wie später gezeigt werden soll, ist diese Reduktion auf die serotoninerge Komponente der Wirkung von Psychedelika zwar immer noch nicht frei von Ungereimtheiten, aber dennoch ein durchaus brauchbarer Ansatz, um die Drogenwirkung zu erklären
In den über fünfzig Jahren, in denen LSD nun Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen ist, ist es nicht gelungen, schlüssig zu erklären wie es seine Wirkung entfaltet. Es wurden zwar unzählige Vermutungen geäußert, doch gibt es bis heute keine in sich geschlossene, widerspruchsfreie Theorie, die alle Phänomene zu erklären imstande wäre.
Die heute vorliegenden Veröffentlichungen fallen in zwei Gruppen. Die einen können zwar relativ anschaulich und überzeugend erklären wie die halluzinogene Wirkung entstehen könnte, basieren in wesentlichen Teilen aber auf Vermutungen und Spekulationen, die experimentell nicht ausreichend verifiziert werden können. Außerdem bergen sie die Gefahr von nicht zulässigen Simplifikationen in sich, so daß sie zwar als Modelle durchaus tragbar sind, den Ansprüchen, die an eine exakte Erklärung gerichtet werden, aber nicht in allen Punkten gerecht werden können. Die andere Gruppe, und das ist die heutige Tendenz, konzentriert sich auf Forschungen auf molekularer Ebene, und versucht so, geändertes Verhalten infolge der Applikation von LSD bei Labortieren zu erklären. Diese Veröffentlichungen sind aber aufgrund der strengen naturwissenschaftlichen Vorgangsweise nur in der Lage ein einzelnes Phänomen, ein kleines Detail, das womöglich nur unter bestimmten Voraussetzungen auftritt, zu erklären. Obwohl viele einzelne Studien vorliegen, ist es nahezu unmöglich diese alle zu überblicken, um daraus eine gesamte widerspruchsfreie Theorie zu formen. Dieses Versteifen der Forschergruppen auf Details, bei gleichzeitigem Fehlen eines großen Ganzen, deutet für mich auch auf eine gewisse Hilflosigkeit der Wissenschaft bei diesem Thema hin.
Bisherige Überlegungen
Bereits diesen älteren Hypothesen liegt die Annahme zugrunde, daß aufgrund der Strukturverwandtschaft das LSD auf irgendeine Weise mit dem Serotonin im Gehirn interagiert. Man nahm an, daß aufgrund der blockierenden Wirkung von LSD im peripheren Gewebe, auch die zentralnervöse eine inhibierende sein müsse und formulierte eine Theorie, gemäß der LSD psychotische Zustände auslöse. Daß die Serotoninblockade aber keinesfalls der Grund für die Wirkung des LSD sein konnte, zeigten die Experimente mit Brom-LSD (BOL), einem LSD-Molekül, dem ein einzelnes Brom-Atom angehängt wurde. Brom-LSD ist nämlich in Gewebsproben nicht von normalem LSD zu unterscheiden, hat aber keine halluzinogenen Effekte. Der Grund dafür könnte vielleicht in der mangelnden Affinität von Brom-LSD für die Serotoninrezeptorsubtypen im Gehirn liegen; verläßliche Arbeiten zu diesem Thema liegen allerdings nicht vor. Diese Entdeckung machte jedenfalls auf dramatische Weise klar, wie unzulässig der Schluß von Periphere auf Gehirn ist, so daß die in anfänglicher Euphorie veröffentlichten Erklärungen beträchtlich modifiziert werden mußten.
Praesynaptische Hypothese
Dieser Hypothese liegen erstmals Untersuchungen am Gehirn selbst zugrunde. Bei Verabreichung von LSD wurde dabei ein um ca. 24 % erhöhter Serotoninspiegel festgestellt während Brom-LSD nicht in der Lage war, Änderungen herbeizuführen. Gleichzeitig sank die Konzentration des Serotoninabbauproduktes 5-HIAA, was auf eine Hemmung der serotoninergen Neurotransmission hindeutet. Bei Versuchen mit narkotisierten Ratten konnte dann gezeigt werden, daß nach einer LSD-Injektion im Bereich der Raphe Nuclei tatsächlich die Serotoninneuronen, und nur diese, ihr sonst periodisches Feuern stoppen. Als Wirkmechanismus wurde eine Blockade der Serotoninneuronen direkt am Zellkörper oder Axon angenommen. Das würde die geringere Menge des Metaboliten und die höhere Konzentration des Botenstoffes, der sich infolge der Blockade innerhalb des Neurons angesammelt hätte, erklären.
Leider hat diese Hypothese einige gewichtige Nachteile. Wenn nämlich LSD seine Wirkung ausschließlich praesynaptisch entfalten würde, dann dürften keine Effekte feststellbar sein, wenn die Serotoninneuronen vorher zerstört worden sind (Depletion). Genau das Gegenteil ist aber der Fall, wie im Tierversuch gezeigt wurde. Ebenfalls gegen die praesynaptische Hypothese spricht, daß viele LSD-induzierte Verhaltensweisen die Hemmung der Serotoninneuronen überdauern und die gedämpfte Aktivität der Neuronen auch dann noch nachweisbar ist, wenn infolge einer Toleranzentwicklung überhaupt kein Effekt mehr beobachtet werden kann.
Postsynaptische Hypothese
Diese Hypothese klärt einige der entstanden Ungereimtheiten. Wenn LSD nämlich auch über postsynaptische Rezeptoren wirkt, stellt ein Zerstören der serotoninergen Neuronen keinen Widerspruch mehr dar. In einem solchen Fall, bilden sich nämlich auf den Dendriten des nachgeschalteten Neurons vermehrt Rezeptoren (Proliferation), die zudem empfindlicher für Serotonin sind, quasi um einen Ausgleich herzustellen. Auch die Toleranzerscheinungen sind mit dieser Hypothese erklärbar, da bei häufiger Verabreichung von LSD aufgrund des Überangebotes die Zahl der Rezeptoren automatisch sinkt, was auch durch Studien mit radioaktiv markierten Partikel bewiesen werden konnte.
LSD und Traum
Die Überlegung, daß die Effekte des LSD mit traumhaften Erleben in Verbindung stehen, wurde 1979 publiziert und stellt, da die Vermutungen auch experimentell untermauert werden konnten, einen überaus spannenden Aspekt der LSD-Forschung dar.
Das Serotoninsystem mit seinen vielen Verzweigungen ist geradezu prädestiniert dafür, Schlaf und Wachheit zu steuern. So wirken diese periodisch feuernden Neuronen auch als eine Art Regler des Wachheitsgrades. Gerade diese Periodizität vermag aber in beide Richtungen verändert zu werden. Eine Modulierung nach oben hat gesteigerte Aufmerksamkeit zur Folge, während eine Depression der Neuronen mit den verschiedenen Schlafphasen einher geht. Wenn die Neuronen ganz zu feuern aufgehört haben, befindet sich das Individuum im REM Schlaf, jener Phase in der Träume entstehen und Unbewußtes ins Bewußtsein aufsteigt.
Eine spezielle Apparatur, die die Entladungen einzelner Neuronen über längere Zeit auf¬zeichnet und auch an wachen und ansonsten sich frei bewegenden Tieren angebracht werden kann, wurde herangezogen, um zuerst diese Korrelation von Schlaf und Feuern der serotoninergen Neuronen zu verifizieren. Anschließend wurde den Versuchstieren LSD appliziert und wiederum die Neuronentätigkeit aufgezeichnet. Es konnte gezeigt werden, daß LSD ähnliche Muster im Feuern der Neuronen bewirkt, wie sie in der REM-Phase auftreten. Beginn und Höhepunkt der Drogen¬wirkung stimmten dabei weitgehend mit der neuronalen Änderung überein. Das Stoppen des Feuerns der Serotonin¬neuronen setzt sofort nach Applikation der Droge ein und erreicht nach etwa einer Stunde den Tiefstwert mit ca. 20-25% der ursprünglichen Stärke. Dann setzt das Feuern wieder langsam ein. Der Ausgangszustand ist nach frühe¬stens sechs bis acht Stunden wieder hergestellt - zu diesem Zeitpunkt sind die Symptome der LSD-Wirkung aber immer noch feststellbar. Die folgenden beiden Fragen können dadurch aber dennoch nicht beantwortet werden:
1. Warum die LSD-induzierte Depression der serotoninergen Neuronen im Schnitt nur sechs Stunden dauert, die Verhaltensänderungen bei den Versuchstieren aber bedeutend länger.
2. Warum eine erneute Gabe von LSD zwar die gleichen Effekt auf die serotoninergen Neuronen ausübt, aber keine Verhaltensänderung zur Folge hat.
Die postsynaptische Hypothese bietet auch hier einleuchtende Erklärungsansätze. Wenn das Serotoninsystem nur als Auslöser fungiert und die eigentliche Wirkung erst an den nachgeschalteten Neuronen zum Tragen kommt, bedeutet die Aufhebung der Blockade an den Serotoninneuronen nur, daß der Botenstoff wieder ausgeschüttet werden kann und sich das Gleichgewicht an den einzelnen Rezeptoren wieder herstellen kann. Erst ab diesem Zeitpunkt wäre also ein echtes Abklingen der Drogenwirkung zu erwarten. Auch die verhältnismäßig lange Zeitspanne, die zwischen dem Ende dieser Blockade und dem völligen Aussetzten der Symptome, kann erklärt werden, wenn man bedenkt, daß LSD ein hochaffiner Stoff ist, dessen Verdrängen von den postsynaptischen Rezeptoren durch den körpereigenen Neurotransmitter einige Zeit dauern kann, bis das ursprüngliche Gleichgewicht wieder hergestellt ist. Auch das Phänomen Toleranz kann mit der postsynaptischen Hypothese gut verstanden werden, da infolge des hochpotenten LSD die Sensibilität der postsynatischen Neuronen schnell und stark herabgesetzt wird. Nach einigen Tagen ohne LSD-Gabe verliert sich diese Toleranz aber ebenso rasch wieder.
Dieses Modell kann auch dahin erweitert werden, daß man die Rolle des Serotoninsystems als Umschaltstelle für eingehende Reize genauer beleuchtet. In jedem Fall bewirkt nämlich die Aufhebung der inhibitatorischen Serotoninnetzwerke ein Einströmen verschiedenster Ein¬drücke, wie sie unter "gewöhnlichen" Umständen selten oder nie auftreten, da sie die ver¬schiedenen physiologischen und psychischen Filterinstanzen hier nicht passieren können.
Eine der spekulativen Vorstellungen über Art und Weise, wie Halluzinogene die eindrucksvolle Änderung von Stimmung, Wahrnehmung und Denken bewirken, ist die, daß die Raphe [Mittellinie] der Brückenregion im Hirnstamm, ein Hauptzentrum der Serotoninaktivität im Gehirn, gleichsam als Filterinstanz für einströmende sensorische Stimuli dient. Sie durchmustert die Flut der Empfindungen und Wahrnehmungen und unterdrückt solche, die unwichtig, belanglos oder stets wiederkehrend sind. Eine Droge wie LSD kann diesen Auswahlvorgang beeinträchtigen, so daß eine Menge sensorischer Information ins Bewußtsein dringt und die neuronalen Schaltkreise im Gehirn überlädt. Deshabituation, also der Zustand, in dem das eigentlich vertraute völlig neuartig erscheint, ist eine typische LSD-Wirkung. Auch sie kann dadurch verursacht werden, daß über eine Hemmung der Raphe-Aktivität die sensorischen Schranken durchlässiger werden.
Verblüffenderweise entspricht dieses Zitat, das einer neuen Publikation entnommene wurde, im wesentlichen jener Erklärung, die der britische Philosoph und Schriftsteller Aldous Huxley in seinem berühmten Essay "Die Pforten der Wahrnehmung" bereits in den 50er Jahren allein aufgrund seiner Selbsterfahrungen abgegeben hatte. Das hier vorgestellte Modell, ist im Grunde das einzige, das die LSD-Wirkung einheitlich erklären kann. Es ist zwar nicht imstande innerzelluläre und innerneuronale Vorgänge zu beschreiben, bietet dafür aber sowohl Erklärungsansätze für die veränderte Wahrnehmung als auch für das Auftreten von unbewußten Erlebnisinhalten ins Bewußtsein, ein Vorgang der vor allem in der LSD unterstützten Psychotherapie zum Tragen kommt. Abschließend kann gesagt werden, daß diese Theorie tatsächlich wichtige Punkte des psychedelischen Erlebens schlüssig zu erklären vermag.
Aktueller Forschungsstand
In diesem Abschnitt werden vor allem einzelne, teilweise widersprüchliche Experimente beschrieben und kurz die Möglichkeiten erörtert, wie sie sich in das Bild einer einheitlichen Theorie fügen würden.
Beteiligte Rezeptoren
Um zu bestimmen an welche Rezeptoren und mit welcher Affinität LSD und andere Psychedelika binden, bedient man sich einer Technik, die in der Literatur als Receptor-Binding-Assay bezeichnet wird. Dabei wird ein für einen bestimmten Rezeptor als Inhibitor definierter Stoff radioaktiv markiert und verabreicht. Nach einiger Zeit, in der die Liganden an die Rezeptorkomplexe binden, kann die Radioaktivität der gebundenen Moleküle gemessen werden. Nun wird die zu untersuchende Substanz appliziert und die nun festellbare Radioaktivität in einem Diagramm gegen die Konzentration des neuen Liganden aufgetragen. Jene Konzentration, die nötig ist, um die Hälfte der radioaktiven Inhibitormoleküle von ihren Bindestellen zu verdrängen, ist charakteristisch für eine Substanz und wird durch den sogenannten KI Wert angegeben.
Substanz Potenz [mg]
ED 50 [mg/kg] KI-Wert [nM]
1 LSD (+)
0,1 0,05 2,5
2 DOB (-) 0,5 0,1 60
3 DOM (-) 1,75 0,21 60
4 N-Me DOM (+) - 1,22 390
5 TMA (+) - 2 ,4 ,5 20 3,59 1.650
6 PMA nicht halluzinogen - 33.600
Tabelle 5: Pharmakologische Werte ausgewählter Substanzen
In einer im Jahr 1984 durchgeführten Messung, bei der [3H]Ketanserin als Inhibitor für den 5-HT2 Rezeptor verwendet wurde, fand man einen engen Zusammenhang zwischen der Affinität von Psychedelika für diese Bindestelle, und ihrer halluzinogenen Potenz.
Die tatsächlichen Ergebnisse liegen mit hoher Korrelation (r = 0,924) um den gezeichneten Graphen. Ein großer Wert auf der Abszisse bedeutet, daß eine geringe Menge des Stoffes für eine halluzinogene Wirkung genügt (hohe Potenz). Ein hoher Wert auf der Ordinate weist auf eine hohe Affinität (kleiner KI -Wert) für 5-HT2 Rezeptoren hin. LSD kommt in diesem Graphen ganz rechts oben zu liegen, da es affiner und potenter als jeder andere bekannte Stoff ist. Nicht¬halluzinogene Stoffe wie PMA erreichen so negative Werte, daß sie gar nicht mehr dargestellt werden können.
In der Tat scheint also die außer¬ge¬wöhnlich hohe Affinität des LSD für 5-HT2 Rezeptoren ein Schlüssel für den Wirkmechanismus zu sein, so daß die Folge dieser Studie sein könnte, die LSD-Wirkung auf diesen Re¬zeptorsubtyp zu reduzieren. Dem ent¬gegen steht, daß in dieser Veröffent¬lichung nur die 5-HT1 und 5-HT2 Sub¬typen untersucht wurden, und inner¬halb der Klassen keine Unterschei¬dungen vorgenommen wurden. Außerdem kann man Zweifel an der ausschließlichen Affinität des Inhibi¬tors für 5-HT2 hegen. Es wäre also durchaus möglich, daß LSD auch an andere Rezeptoren, wie etwa den 5 HT1C Rezeptor bindet, was aber in diesem Versuch nicht als eigene Bindestelle identifiziert hätte werden können. Auch muß man sich vor Augen halten, daß eine Bindestelle nicht gleichbedeutend mit einem Rezeptor sein muß, da auch Enzyme und Proteine die Liganden aufnehmen können.
Das Serotoninsyndrom
Eine grundsätzliche Schwierigkeit besteht darin, daß bei vielen LSD-Forschungsreihen Tierversuche durchgeführt werden müssen und somit das Auftreten von Halluzinationen nicht mehr gesichert bestimmt werden kann. Es existieren allerdings eine Reihe von verschiedenen Verhaltensweisen die bei den Versuchstieren (meist Katzen) nur dann auftreten, wenn ihnen Serotonin oder bestimmte verwandte Substanzen verabreicht werden. Neben allgemeinen Anzeichen von Unruhe und Verwirrung wird vor allem ein abnorm häufiges Putzen der Pfoten (limb flick) beobachtet. Serotoninerge Psychedelika wie LSD, aber auch DOM lösen dieses Syndrom ebenfalls aus, während cannabinoide Stoffe wie THC oder ausschließlich dopaminerge Substanzen keine Wirkung zeigen. Die Anzahl der limb flicks kann auch quantitativ zur Bestimmung der Potenz des Psychedelikums herangezogen werden, wobei bei Applikation von LSD die höchsten Werte gemessen wurden.
Wie dieses Syndrom auf molekularer Ebene zu erklären ist, ist noch nicht vollständig geklärt. Es tritt auch bei Tieren auf, deren serotoninerge Neuronen durch Neurotoxine (Nervengifte) zerstört worden sind (meist sogar verstärkt), so daß man eine postsynaptische Wirkung folgern muß. Die Tatsache, daß bei einer vorherigen Inhibition der Serotoninsynthese ebenfalls die Verhaltenseffekt verstärkt werden, ließe sich damit erklären, daß an bestimmten Subtypen durch das fehlende Serotonin nun Bindestellen LSD frei werden. Die Blockierung dieses Syndroms durch Serotonin-Antagonisten mußte sich eines ähnlichen Mechanismus bedienen. Warum aber ausgerechnet die weniger affinen Antagonistenmoleküle die hochaffinen Psychedelika von den Rezeptoren verdrängen sollten, kann nicht schlüssig gezeigt werden. Zweifel, ob das Serotoninsyndrom auch wirklich nur mit halluzinogenem Erleben in Zusammenhang steht sind bei solchen Untersuchungen aber stets in Betracht zu ziehen. ,
Diskriminationsexperimente
Dieser Art von Versuchen werden benutzt, um die Gemeinsamkeiten oder Unterschiede von bestimmten Substanzen zu bestimmen. Dabei wird Labortieren (meist Ratten) eine bestimmte Verhaltensweise, zum Beispiel das Drücken eines Hebels, um Futter zu erhalten antrainiert. Anschließend wird den Tieren die training drug verabreicht, die im Falle eines Halluzinogens eine etwa 20minütige Pause im Drücken des Hebels bewirkt. Wird aber eine Salzlösung appliziert bleibt diese halluzinogene Pause aus, das Tier kann also diese beiden Stoffe unterscheiden. Jetzt wird je eine der training drug ähnliche Substanz gegeben; aufgrund der Reaktion im Verhalten können infolge der unterschiedlichen Spezifitäten der Anfangssubstanzen Rückschlüsse auf gemeinsame Wirkmechanismen gewonnen werden. ,
Training Drug Testsubstanz Antwort
5-HT Agonist LSD, DOM, .
positiv
5-HT2 Agonist LSD, DOM, .
positiv
LSD
nichtselektive 5-HT Agonisten positiv
LSD
THC negativ
Tabelle 6: Generaliserungseffekt zwischen verschiedenen Halluzinogenen
Die in Tabelle 6 aufgeführten Ergebnisse entsprechen also auch im wesentlichen den andern in diesem Kapitel beschrieben Erkenntnissen.
Agonist oder Antagonist
Eine sehr kontroversielle Frage ist, ob LSD als Agonist oder Antagonist an den Serotoninrezeptoren wirkt. Daß eine rein antagonistische Wirkung eher unwahrscheinlich ist, zeigen ja bereits die Erkenntnisse mit Brom-LSD, dennoch scheinen einige Punkte, wie z.B. die Depression der Serotoninneuronen nur mit einer blockierenden Wirkung erklärbar. Eine Untersuchung aus dem Jahre 1990 versuchte diese Widersprüche zu klären und kam zu dem Schluß LSD müsse als partieller Agonist wirken, was in manchen Fällen die antagonistische Reaktion erklären könnte. Es wurden dabei verschiedene, bereits bekannte 5-HT2 induzierte Ereignisse nochmals im Tierversuch nachvollzogen, um die These des partiellen Agonismus testen zu können. Es ergaben sich dabei folgende pharmakologische Erkenntnisse:
1. Der Agonismus des LSD ist nur etwa 25% so stark wie der des Serotonins. Dieser Wert stimmt sehr gut mit der maximalen Depression der serotoninergen Neuronen überein. Zu bedenken ist allerdings, daß bei dieser Depression eher Autorezeptoren und nicht 5-HT2 Rezeptoren beteiligt sind, was gegen eine nur einen Subtyp umfassende Theorie spricht (siehe auch Error! Reference source not found.). Außerdem besitzt LSD die Fähigkeit alle als durch 5-HT2 Agonisten induzierbaren klassifizierten Ereignisse zu inhibieren.
2. Trotz seiner geringeren Effektivität ist LSD einige hundert Mal potenter als Serotonin, was bedeutet daß LSD mit einer ungleich höhereren Affinität und somit größeren Nachhaltigkeit an die kritischen Rezeptoren binden muß.
3. LSD ist eine schwach-selektive Substanz, die an alle Serotoninrezeptoren bindet, aber nur an einigen Subtypen signifikante Wirkungen entfaltet. Fehlt ein weiterer Agonist, scheint LSD als Agonist zu wirken, ist aber ein Agonist mit höherer Effektivität vorhanden, scheint die Wirkung antagonistisch zu sein.
Wie bei allen Forschungen, die auf Tierversuchen und Ergebnissen auf molekularer Ebene basieren, ist auch hier große Vorsicht geboten, wenn es daran geht halluzinogene Effekte zu erklären. Es gibt kein gültiges Mittel, um festzustellen ob die LSD-Wirkung bei Tieren mit jener beim Menschen überhaupt vergleichbar ist. So könnte es auch sein, daß nur vegetative Symptome oder Nebenwirkungen untersucht worden sind, die mit den psychedelischen Effekten nichts zu tun haben. Diese Untersuchung zeigt vor allem, daß allem Anschein nach mehrere Subtypen beteiligt sind und die Serotonin-LSD Wechselwirkung zu komplex ist, um sie mit den heutigen Mitteln gänzlich zu erfassen.
Modulierung der Wirkung
Durch eine vorangehende oder nachfolgende Gabe verschiedener Psychopharmaka kann die Art der LSD-Wirkung beeinflußt werden. Die meisten dieser Erkenntnisse stammen aber aus Tierversuchen, so daß man keine verläßlichen Angaben über die Qualität der Änderung geben kann. Nur die Neuroleptika werden gelegentlich bei Menschen angewandt, um sogenannte bad trips infolge einer LSD-Intoxikation abzuschwächen.
1. Verstärkend wirken Stoffe die eine zusätzliche Blockade am serotoninergen Zellkörper auslösen und/oder die Synthese hemmen. Der Wirkmechanismus beruht wahrscheinlich auf einer erhöhten Verfügbarkeit von jenen Rezeptor-Subtypen, an die LSD bevorzugt bindet. Auch das Fehlen von Schlaf verstärkt im allgemeinen die Wirkungen. Welcher Mechanismus diesem Phänomen zugrunde liegt ist aber nicht bekannt.
2. Hemmend wirken alle Serotoninantagonisten, besonders 5-HT2 Antagonisten. Sie besetzen die Bindestellen, so daß weniger LSD-Moleküle binden können. Auch eine hohe Menge von MAO-Hemmern setzt die Drogenwirkung merklich herab und kann bei entsprechend langer Vorbehandlung nahezu zur Immunität gegenüber LSD-Wirkungen führen. Ausführlich untersucht wurde dieses Phänomen anhand des Antidepressivums Niamid.
Zusammenfassung
LSD und verwandte Stoffe wirken wahrscheinlich über die Rezeptoren des Neurotransmitters Serotonin und entfalten ihre Wirkung postsynaptisch. Das Serotoninsystem dient dabei nur als Auslöser und setzt Prozeße in vielen unterschiedlichen Gehirnarealen in Gang. Die Erklärung der LSD-Wirkung auf molekularer Ebene ist problematisch, da sie nur in Tierversuchen über¬prüfbar und in der Regel sehr speziell ist. Hieraus gewonnene Erkenntnisse beschränken sich auf die Korrelation zwischen Affinität und Potenz an den Serotoninrezeptoren, sowie Wirkungen einzelner Rezeptorsubtypen und Versuchen mit radioaktiv markierten Stoffen. Eine um¬faßende Erklärung vermag das Modell von LSD und Traum zu geben, in welchem der Zustand der LSD-Wirkung mit den REM-Phasen verglichen wird. Allerdings muß darauf hingewiesen werden, daß es gegen diese Gleichsetzung Vorbehalte gibt, die sich vor allem auf Unterschiede im EEG beziehen. Dennoch können auch Übereinstimmungen im Experiment gezeigt werden. Durch die Hemmung ansonsten aktiver Auswahlmechanis¬men steigert sich die Menge der eingehenden Reize enorm, so daß diese nicht mehr normal verarbeitet werden können, und es zu einer Art Tagtraum kommt. Schwachpunkte solcher Überlegungen liegen vor allem in der Beweisbarkeit. Auch auf die Beteiligung der einzelnen Rezeptorsubtyopen kann noch keine zufriedenstellende Antwort gegeben werden. Als Modellvorstellung ist diese Hypothese aber durchaus haltbar und auch einleuchtend. Nachfolgend seien noch die vorkommenden pharmakologischen Fachbegriffe erläutert:
Agonismus bedeutet, daß eine Substanz sich an einen Rezeptor bindet und dort Wirkungen hervorruft, die mit denen des körpereigenen Liganden (meistens eines Neurotransmitters) vergleichbar ist. Ist die Wirkung zwar von der gleichen Qualität, jedoch signifikant schwächer, so spricht man von partiellem Agonismus. Bindet eine Substanz zwar an den Rezeptor, hat aber keine Wirkung zur Folge, spricht man von Antagonismus.
Potenz gibt das Verhältnis von Dosis und (meßbarer) Wirkung eines bestimmten Stoffes an. Je geringer die Menge ist, um eine bestimmte Reaktion hervorzurufen, desto höher ist die Potenz. Ein gebräuchliches Maß zur Festlegung der Potenz ist die ED50, jene Menge, bei der die Hälfte einer Population Wirkung zeigt. Der Begriff der Potenz sagt aber nichts über die Art der Wechselwirkung des betreffenden Stoffes mit Rezeptoren im Gehirn oder Peripherie aus.
Affinität gibt an, wie stark ein Ligand an einen bestimmten Rezeptor(subtyp) bindet. Ein Maß für die Stärke dieser Bindung ist der KI -Wert. Die Affinität gibt nur dann über die Wirkung Auskunft, wenn sie, wie bei den hier besprochenen Substanzen, mit der Potenz korreliert.
Spezifität gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Ligand an einen bestimmten Rezeptor bindet. Bei schwach-spezifischen Substanzen ist die Spezifität, nicht aber damit auch die Effektivität, für jeden Subtyp annähernd gleich.
Effektivität ist ein Maß für die Reaktion, welche ein Ligand an einem Rezeporkomplex hervor¬ruft. Wird die Wirkung des körpereigenen Liganden übertroffen, spricht man von Agonismus, wird sie unterschritten, von einem Antagonismus. Als partiellen Agonist bzw. Antagonisten be¬zeichnet man Stoffe, die am Rezepor gebundnen, nur schwach agonistisch bzw. antagonistisch wirken, jedoch wirksamerer (effektivere) Stoffe aufgrund ihrer höheren Affinität verdrängen.
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