Nachdem man wusste, wie Proteine hergestellt werden, konnte man auch verstehen, wie Gene gezielt Wirkungen auf Struktur und Funktion eines Organismus ausüben. Damit ist aber noch nicht erklärt, wie Lebewesen sich an wechselnde Umweltbedingungen anpassen oder wie eine einzige Zygote all die verschiedenen Gewebe und Organe hervorbringt, die einen Menschen ausmachen. Die meisten Zellen in diesen Geweben und Organen enthalten genau die gleiche Genausstattung - und dennoch produzieren sie unterschiedliche Proteine. Offensichtlich sind in den Zellen jedes Gewebes und Organs einige Gene aktiv, während andere ruhen. In den einzelnen Geweben ist jeweils eine andere Kombination von Genen aktiv. Die Erklärung für die Entwicklung eines kompliziert gebauten Lebewesens muss also zum Teil in der Art liegen, wie Gene gezielt aktiviert werden.
Bei höheren Organismen sind die Mechanismen der Genaktivierung bis heute nicht vollständig aufgeklärt, aber über die entsprechenden Vorgänge bei Bakterien weiß man durch die Arbeiten der französischen Genetiker François Jacob und Jacques Lucien Monod eine ganze Menge. Neben fast jedem Bakteriengen liegt ein DNA-Abschnitt, den man als Promotor bezeichnet. Dort heftet sich die RNA-Polymerase, das Enzym für die Synthese der RNA, an die DNA und beginnt mit der Transkription. Zwischen Promotor und Gen liegt oft noch ein weiterer Abschnitt, der Operator, an den sich ein anderes Protein (der Repressor) anlagern kann. Wenn der Repressor an den Operator gebunden ist, hindert er die RNA-Polymerase daran, an der DNA entlangzuwandern und RNA zu produzieren; deshalb ist das Gen inaktiv. Bestimmte chemische Substanzen in der Zelle können aber dafür sorgen, dass der Repressor sich von der DNA löst, so dass das Gen aktiv wird. Andere Stoffe können das Ausmaß der Genaktivität beeinflussen, indem sie die Fähigkeit der RNA-Polymerase zur Bindung an den Promotor verändern. Das Repressorprotein wird von einem Gen gebildet, das man Regulator nennt.
Bei Bakterien werden häufig mehrere Gene gleichzeitig von einem Promotor und von einem oder mehreren Operatoren reguliert. Ein solches System heißt Operon. In komplizierter gebauten Lebewesen kommen Operons offensichtlich nicht vor; hier hat höchstwahrscheinlich jedes Gen sein eigenes System von Promotoren und Operatoren; auch Introns und Sequenzwiederholungen dürften eine Rolle spielen.
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