Viele Regenwaldtiere und ihre Körperteile erscheinen gigantisch, übertrieben und funktionell ohne Bedeutung, etwa die gewaltigen Schnäbel der Tukane oder Nashornvögel, die handgroßen Harlekin-, Nashorn- oder Goliathkäfer, die langen Schwanzfedern des Quetzals, der Paradiesvögel oder die schillernd-leuchtenden Flügeldecken der Morpho-Falter. Sie wurden von vielen Forschern als Luxus-Bildungen einer überschäumenden und spielerischen Natur angesehen. Aber sie sichern dem Träger Vorteile, wie Biologen langsam zu entdecken und zu verstehen beginnen.
Dem Morpho-Falter helfen seine Flügel mit dem Blauschiller, sich beim Flug durch die Licht- und Schattenzonen des Waldes optisch aufzulösen, denn nur die kurzwelligen blauen Farben werden reflektiert. Der Rest des Lichts durchdringt den Flügel. Nur ab und zu verrät ein blauer Blitz seine Position. Ein räuberischer Vogel wird ihm im Wald kaum folgen können.
Bei vielen Vögeln sind Farbigkeit, die Ausbildung großer Schnäbel oder langer Federn vermutlich Merkmale, die ein Männchen attraktiver auf das Weibchen wirken lassen. Ein buntes Gefieder könnte auch Anzeichen für den guten Ernährungszustand des Männchens sein - in einem Lebensraum, dem es an den meisten Nährstoffen mangelt. Nur Zucker ist als Photosyntheseprodukt im Nektar der Blütenpflanzen oder als von Pflanzenläusen ausgeschiedener \"Honigtau\" leicht verfügbar.
So treten die besonders prächtigen Paradiesvögel in den nährstoffreicheren Bergregenwäldern auf. Die Früchte, von denen sich die Tiere ernähren, enthalten relativ viele Proteine. Der Stickstoff aus den Eiweißen wird beim Männchen in das Federwachstum gesteckt, während das Weibchen in die Eibildung investieren muß und mit einem unscheinbaren Federkleid daherkommt. Der Zoologe Josef Reichholf sieht daher die besonders \"luxuriösen Ausführungen\" bei fruchtfressenden Vögeln, etwa dem amerikanischen Felsenhahn, auf die nährstoffreicheren Gebirgswälder und deren Vorland beschränkt.
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