1. Keimzellen:
Bei der Keimentwicklung (Oogenese und Spermatogenese) entstehen aus
diploiden Urkeimzellen (Oogonien und Spermatogonien) zunächst mitotisch
wiederum diploide primäre Oozyten und Spermatozyten, die sich während der 1.
und 2. meiotischen Reifeteilung zu haploiden Zellen (Spermien und Eizellen)
entwickeln. Bei der Befruchtung verschmelzen Eizelle und Spermium und bilden
die Zygote.
2. Befruchtung:
Zur Befruchtung müssen die Spermien die Eizelle aktiv aufsuchen. Für diesen
beschwerlichen Weg durch die Gebärmutterbauchhöhle bis zur Ampulle des
Eileiters benötigen sie bei einer Wanderungsgeschwindigkeit von 3mm pro
Minute ungefähr 1-3 Stunden. Von den 200 bis 300 Millionen Spermien, die bei
einem Geschlechtsverkehr im Hinteren Scheidengewölbe deponiert werden,
erreichen nur etwa 300 Spermien die Eizelle. Im Gegensatz zu den Spermien,
die bis zu 4 Tagen im weiblichen Genitalapparat überleben können, müssen die
Eizellen nach erfolgter Ovulation innerhalb von 6-12 Stunden befruchtet
werden, sonst sterben sie ab.
Geschlechtsbestimmung:
In Abhängigkeit von dem Geschlechtschromosom (x oder y) des männlichen
Vorkerns wird bei der Verschmelzung das genetische Geschlecht festgelegt.
Während die haploiden Eizellen immer ein X-Chromosom aufweisen, besitzen
Samenzellen entweder ein X- oder Y-Chromosom. Je nachdem, ob ein Spermium
mit einem X-Chromosom oder einem Y-Chromosom auf die Eizelle trifft, kann
die entstehende Zygote als Geschlechtschromosomen entweder XX (weiblich)
oder XY (männlich) aufweisen.
3. Eileitertransport und Furchung
Während einer 4-bis 5 tägigen Wanderung durch den Eileiter zur Gebärmutter
teilt sich die in der Ampulle des Eileiters befruchtete Eizelle und kommt
etwa im 16-Zellen-Stadium im Uteruslumen an. Die befruchtete Eizelle wird
mit Hilfe eines Flüssigkeitsstroms und durch den uteruswärts gerichteten
Zilienschlag der Flimmerzellen im Richtung Gebärmutter transportiert. Kommt
es zu einer Behinderung des Tubentransports, kann sich der Keim in die
Schleimhaut des Eileiters einnisten und zu einer Eileiterschwangerschaft
(Tubergravidität) führen. Hierbei kann es bereits nach kurzer Zeit (6-9
Wochen) durch das Wachstum des Embrios zu einem Aufplatzen des Eileiters
(Tubenruptur) mit nachfolgender Massiver, meist lebensbedrohlicher Blutung
kommen. Gelangt die befruchtete Eizelle in die freie Bauchhöhle, entsteht
eine Bauchhöhlenschwangerschaft. Hierbei setzt sich das Ei am Häufigsten im
sogenannten Douglasraum fest.
Die durch fortlaufende Zellteilungen entstanden Furchungszellen bilden eine
Furchungskugel (Morula), die kaum größer als die befruchtete Eizelle ist. In
diesem Stadium erreicht der Keim das Uteruslumen. Hier entwickelt sich
innerhalb der nächsten 2 Tage aus der Morula einen sogenannte Keimblase
(Blastozyste), an der man eine äußere Zellhülle (Trophoblast) und eine
innere Zellgruppe (Embrioblast) unterscheiden kann. Zu diesem Zeitpunkt
senkt sich der Keim mit Hilfe von Enzymen in die Uterusschleimhaut ein, ein
Vorgang, den man Einnistung oder Implantation nennt. Während sich aus dem
Embrioblast im weiteren Verlauf der Embrio entwickelt, bildet Trophäblast
die kindlichen Anteile des Mutterkuchens (Placenta).
4. Implantation und Ausbildung des Mutterkuchens (Placenta)
Die Implantation des Keims findet normalerweise im fundusnahen Abschnitt
der Gebärmutterhöhle (Fundus uteri) statt. Zu diesem Zeitpunkt, etwa 5-6
Tage nach der Ovulation, befindet sich die Uterusschleimhaut auf dem
Höhepunkt der Sekretionsphase. Sie wird im weiteren Schwangerschaftsverlauf
als Decidua (hinfällige Haut) bezeichnet, weil sie als Teil des
Mutterkuchens nach der Geburt des Kindes abgestoßen wird. Zum Zeitpunkt der
Implantation in die Uterusschleimhaut bildet der Trophoplast Zotten aus
(Chorionzotten oder Zottenhaut), die zunächst einen Bindegewebskern und
später kindliche Blutgefäße aufweisen (kindliche Teil des Mutterkuchens).
Sie bilden zusammen mit anteilen der Uterusschleimhaut (mütterlicher Teil
des Mutterkuchens) die Scheiebenförmige Placenta, ein Organ, mit dem der
Embrio durch die Nabelschnur verbunden ist. Sie dient der Ernährung des
haranwachsenden Keims und Übernimmt den Gas- und Stoffaustausch zwischen
mütterlichen und Kindlichen Blut.
4.1 Aufbau des Mutterkuchens
Der Reife, das heist der voll ausgebildete Mutterkuchen ist Scheiebnförmig
mit einem Durchmesser von etwa 18cm und wiegt zwischen 450 und 500g und hat
die Gestalt eines Flachen Topfes. Der Topfboden wird von der
Uterusschleimhaut (Decidua basalis), der Deckel des Topfes von kindlichen
Trophoplastanteilen (Chorionplatte) gebildet. Von der Chorionplatte ragen
etwa 15- bis 20 Zottenbäume (Placentazotten) in den mit mütterlichen Blut
gefüllten Placentaanteil. Das mütterliche Blut strömt über Spiralarterien in
die Intervillösen Räume einer reifen Placenta enthalten etwa 150ml Blut, das
3-bis4mal pro Minute ausgetauscht wird. Im Inneren der mit einem Epithel
überkleideten Placentazotten liegen die kindlichen Gefäße im
Zottenbindegewebe. Die Gesamtzottenoberfläche in der reifen Placenta beträgt
zwischen 8 und 14 m². Der Gas-und Stofftransport zwischen mütterlichen und
kindlichen Blut muß das Zottenepithel, das Zottenbindegewebe und die
Gefäßwand der kindlichen Gefäße durchqueren (Placentaschranke). Eine
Vermischung von mütterlichen und kindlichen Blut findet in der Regel nicht
statt. Die Placenta löst sich nach der Geburt des Kindes von der Uteruswand
ab und wird ebenfalls "geboren" (Nachgeburt). Betrachtet man die mütterliche
Seite der Placenta, lassen sich 15-bis20 leicht erhabene Areale, die
Kotyletonen, erkenne, die von einer dünnen Schicht von Decidua basalis
bedeckt sind. Die Furchen zwischen den Katyledonen werden durch
Deciduasepten hervorgerufen. Neben den Gas- und Stofftransport hat die
Placenta zahlreiche weitere Aufgaben. Sie sichert den Fortbestand der
Schwangerschaft, indem sie Aufgabend er Hypophyse und des Ovars übernimmt
und wichtige Hormone, wie z.B. Östrogene, Progesterone und
Choriongonadotropine (placentares Hormon) bildet
4.2 Nabelschnur
Das in der Placenta mit Sauerstoff angereicherte kindliche Blut gelangt über
eine unpaare Nabelvene (Vena umbilicalis) zum kindlichen Orgsanismus. Über 2
Nabelarterien (Arteriae umbilicales) fließt das sauerstoffarme Blut zurück
zur Placenta. Nabelarterien und Nabelvene verlaufen, eingehüllt in
gallertartiges Bindegewebe, in der etwa 1,5 cm dicken bis zu 1m langen
Nabelschnur.
5.Embrionalentwicklung:
Die Zellen des Embryoblasten bilden nach vollständiger Implantation eine
zweiblättrige Keimblattscheibe, die aus dem inneren (Entotherm) und dem
äußeren Keimblatt (Ektotherm) besteht und aus der sich der Embryo
entwickelt. Dem Entotherm und dem Ektotherm liegt jeweils ein
flüssigkeitsgefülltes Bläschen, das Entothermbläschen (Dottersack) und das
Ektothermbläschen (Schafshaut oder das die Amnionhöhle bildende Amnion).
Während der Dottersack sich langsam zurückbildet, wächst der Embryo in die
von Amnion gebildete Amnionhöhle hinein. Diese enthält am Endeder
Schwangerschaft etwa 1l Fruchtwasser (Amnionflüssigkeit), das eine
schützende und ernährende Funktion ausübt. Bei einem etwa 16 Tage alten
Embryo erscheint auf der Oberfläche des Ektotherms der Primitivstreifen,
eine schmale Rinne, die sich vertieft und zur Primitivrinne wird. Das
vordere Ende des Primitivstreifens (Primitivknoten) wird zur Primitivgrube,
von der sich in Richtung des späteren Kopfes ein sogenannter Kopffortsatz
(Chordaanlage) unter das Ektotherm schiebt. In diesem Gebiet finden
umfangreiche Zellwandverschiebungen statt (Gastrulation). Im bereich des
Primitivstreifens wandern Zellen in die Tiefe und bilden zwischen dem
Entotherm und dem Ektotherm das mittlere Keimblatt, das Mesotherm
(Ausbildung der dreiblättrigen Keimscheibe).
5.1 Abkömmlinge der Keimblätter
Aus dem drei Keimblättern, die am Bwginn der Embryonalentwicklung
(3.Schwangerschaftswoche) angelegt sind, entwickeln sich die Organanlagen.
Das äußere Keimblatt bildet im Wesentlichen die Anlage des
Zentralnervensystems (Gehirn-und Rückenmark sowie Ohrbläschen, Riechgrube
und Augenlinsen) und das Oberflächenepithel (Epidermis). Aus dem mittleren
Keimblatt entstehen Skelett, die Skelettmuskulatur, die Kreislauforgane
sowie die Harn- und Geschlechtsorgane. Das Entotherm (inneres Keimblatt)
schließlich liefert in der weiteren Entwicklung vor allem die epithelialen
Anlagen der Verdauungs- und Atemwege.
5.2 Ausbildung der Körperform
Der zunächst flache, schildförmige Embryo beginnt sich am Vorder- und
Hinterende einzuschnüren. Am Ende der 4. Woche ist die Grundform des Rumpfes
herausgearbeitet. Der Kopf wächst sehr schnell und nimmt etwa ein Drittel
der Gesamtlände des Embryos an. Seine Form wird den drei Gehirnbläschen und
den Augenanlagen bestimmt. Zu Beginn der 5. Woche treten die oberen und
unteren Gliedmaßen (Extremitätenknospen) als plumpe Knospen an der
seitlichen Rumpfwand im Erscheinung. Der Rumpf ist durch die Anlage des
Herzschlauches und der Leber vorgewölbt. Nach hinten verjüngt er sich zum
gebogenen Steiß.
Im Verlauf des 2.Monats krümmt sich der Embryo stark, wobei besonders die
Nacken-und Scheitelbeuge betont werden. Der Kopf nimmt bereits die Hälfte
der Gesamtlänge ein; die Anlage des Vorderhirns tritt hier besonders hervor.
Die Augenlieder werden in Form von Falten angelegt, und Nase, Lippen und
Kinn sind erkennbar. Am Übergang zum Hals sind die Ohrmuscheln zu erkennen.
Finger- und Zehenstrahlen werden an den Extremitätenknospen sichtbar.
5. Fetalentwicklung
Vom Beginn des 3. Schwangerschaftsmonats an nennt man den Keim Fetus.
Innerhalb der Fetalentwicklung kommt es zum Wachstum und zu Differentierung
der Organsysteme. Hierbei verlaufen Wachstumsvorgänge in Schüben. Während
die Wachstumsgeschwindigkeit bis zur 16. Schwangerschaftswoche gering ist,
beschleunigt sich das Körperwachstum bis zur 27. Woche. Danach folgt eine
Periode maximalen Wachstums, die bis zur 37. Woche anhält. In dieser Zeit
wächst auch die Amnionhöhle zu einer endgültigen Größe heran.
Zu Beginn des 3. Monats nimmt der Kopf fast die Hälfte der Gesamtkörperlänge
ein, im 5. Monat ein Drittel und zum Zeitpunkt der Geburt ein Viertel.
Den Zusammenhang zwischen Körperlänge und Alter menschlicher Feten zeigt die
Haase-Regel, die anhand von Längenmaßen einen Anhalt für das Alter zu geben
vermag. Danach spricht die Gesamtlänge (Scheitel-Fersen-Länge) des Fetus im
4. und 5. Fetalmonat dem Quadrat der Monatszahl, ab dem 6.Monat dem
Fünffachen der Monatszahl. Zwischen dem 1. Schwangerschaftsmonat und der
Geburt nimmt die Körperlänge um das 50fache zu, während das Körpergewicht in
etwa vertausendfacht wird. Nach der Geburt vergrößert sich die Körperlänge
bis zum Abschluß des Wachstums nur noch um etwa das 3,5fache, das
Körpergewicht hingegen um das 20fache.
Eine sehr genaue Kontrolle des fetalen Wachstums ist mit Hilfe des
Ultraschalls möglich. Hierbei wird z. B. der Abstand der beiden
Scheitelbeine gemessen (biparietaler Durchmesser), da der Kopf des Fetus bei
der Ultraschalluntersuchung gut sichtbar ist. Eine annähernde
Längenbestimmung des Fetus erfolgt nach der Formel:
Biparietaler Durchmesser * 5,5 = Körperlänge in cm.
Zum Zeitpunkt der Geburt beträgt der biparietale Durchmesser etwa 9 cm.
6.1 Reifezeichen
Reife Kinder haben bei der Geburt eine Scheitel-Fersen-Länge von etwa
49-51cm mit einer Sitzbeinhöhe von etwa 33cm. Das Gewicht beträgt
durchschnittlich 3200g (Mädchen) und 3400g (Jungen), mindestens aber 2500g.
Wollhaare (Lanugohaare) sind kaum mehr anzutreffen, und die Kopfhaare haben
eine Länge von etwa 2cm. Die Finger-und Zehennägel überragen die
Fingerkuppen. Beim männlichen Neugeborenen hat der Hoden das Skrotum
erreicht und beim weiblichen Neugeborenen werden die kleinen Schamlippen von
den großen gerade Bedeckt.
Weitere Kriterien zur Beurteilung von Neugeborenen sind der Zustand der Haut
(Farbe, Spannung, Unterhautfettgewebe), die Festigkeit des Nasen-und
Ohrknorpels, das Vorhandensein bestimmter neuromuskulärer Reflexe sowie der
Zustand der Atmung, der Herzschlagfrequenz und des Muskeltonus.
Röntgenologisch ist am unteren Gelenkende des Oberschenkelknochens ein
Knochenkern in der Epiphyse sichtbar.
6.2 Schwangerschaftsdauer und Errechnung des Geburtstermins
Der Zeitpunkt der letzten Menstruationsblutung bildet den Bezugspunkt für
die Bestimmung der Schwangerschaftsdauer. Hierbei beträgt die
durchschnittliche Dauer, berechnet von 1. Tag der letzten Regelblutung, 280
Tage, die mittlere Tragezeit hingegen, berechnet von Zeitpunkt des
Eisprungs, 266 Tage.
Der Geburtstermin ist nach der Naegele-Regel der 1. Tag der letzten
Menstruation minus drei Kalendermonate plus 7 Tage plus 1 Jahr.
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