Daß man die Ursachen der Kreuzzugsbewegung nicht unbedingt nur im religiösen Übereifer suchen muß Europa begann in den wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Orient die Initiative zu ergreifen. Vermittlerdienste der "Ungläubigen" wurden nicht mehr benötigt.
Nun wurde die (schon früher ge¬dachte) Kreuzzugsidee ak¬tuell.
Am 27. November 1095 predigte Papst Urban II. auf dem Konzil von Clermont-Ferrand den Kreuzzug, um das Heilige Grab aus den Händen der türkischen Seldschuken zu befreien, die die Herrschaft über das Heilige Land an sich gerissen und dem oströmischen Kaiser eine schwere Niederlage beigebracht hatten und christliche Pilger mißhandelten. Adlige Herren, Mönche und gewöhnliches Volk folgten dem Ruf des Papstes, denn "Gott will es".
Daß man die Illusionen, die eine Epoche sich über sich selbst macht, nicht übernehmen soll Natürlich ergeben sich aus der nachträglichen Betrachtung der Kreuzzüge Zusammen¬hänge, die dem einzelnen Kreuz¬zugsteilnehmer nicht bewußt wa¬ren. Wenn er adelig war, trieb ihn vielleicht die Aussicht, sich ein Fürstentum zu erobern, Hörige und Leibeigene zu besit¬zen, Beute zu machen, sich mit Ruhm zu bedecken, einen guten Platz im Himmel zu ergattern. Wenn er Bauer war, hoffte er auf ein Leben in Freiheit, mit eigenem Grund und Boden.
Sicher ging es dem einzel¬nen Kreuzfah¬rer nicht um die Gewinne vene¬zianischer Kaufleute.
Daß man die Kreuzzugsbewegung im Zusammenhang mit dem Wiederaufleben des Städtewesens sehen muß Dennoch muß die Kreuzzugsbewegung im Zusammenhang mit der seit dem 11. Jahrhundert ein¬setzenden Neubelebung des ita¬lienischen Städtewesens gesehen werden. Diese war Voraussetzung und Folge der Kreuzzüge.
Venedig hatte auch im frü¬hen Mittelalter die ökonomische Funktion einer Stadt nicht verloren und in begrenztem Umfang Han¬delsbeziehungen mit Byzanz un¬terhalten.
In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhun¬derts setzten sich die Normannen in Süditalien fest und bekämpften mit den Seestädten Venedig, Genua, Pisa, Neapel und Amalfi die Sa¬razenen, die (seit 827) in Süditalien in Süditalien eingedrungen waren, und er¬zwangen im gegenüberliegenden Abschnitt der nordafrikani¬schen Küste eine Vorzugsstellung für ihren Handel. Genua und Pisa drängten die Sarazenen aus Sar¬dinien und Korsika, Venedig faßte gegen den Widerstand kroatischer Seeräuber in Dalma¬tien Fuß.
Seit dem Beginn des 12. Jahr¬hunderts erschienen regelmäßig lombardische und ve¬nezianische Kaufleute in Paris und Flan¬dern, dem zweiten Schwerpunkt der Entwicklung des europäischen Städtewesens.
Wie sich der von feurigen Kreuzzugspredigern angestachelte Eifer der Kreuzfahrer zuerst gegen die jüdischen "Ungläubigen" richtete "Ungläubige", deren Vermittlerdienste nicht mehr benötigt wurden, lästige Konkurrenz, waren nun auch die Juden. Feurige Kreuzzugsprediger erinnerten sich des "Gottesmords" und riefen zu Judenmassakern auf.
Die deutschen Juden schlugen Warnungen aus Frankreich in den Wind und meinten, nichts fürchten zu müssen. Französische und deutsche adlige Herren aber führten ihre mordenden und plündernden Banden systematisch von einer jüdischen Gemeinde zur anderen. Grafen und Kirchenfürsten (Bischof Adalbert in Worms, Erzbischof Ruthard in Köln) stellten sich den Kreuzfahrern entgegen, vermochten die Juden meist aber nicht zu schützen. Wenn die Juden die Aussichtslosigkeit des Widerstands erkannt hatten, richteten sie meist ihre Waffen gegen sich selbst. Albert von Aix berichtet von den Massakern in Mainz:
"Sie vernichteten lieber sich selbst mit ihren eigenen Händen, als daß sie den Schlägen der Unbeschnittenen erlegen wären. Nur eine ganz geringe Zahl von Juden konnte diesem grausamen Morden entrinnen; nur einige nahmen die Taufe an, viel mehr aus Furcht vor dem Tod als aus Liebe zum christlichen Glauben."
Auch anläßlich des Zweiten Kreuzzuges riefen eifrige Ordensmänner wie Peter von Cluny und Radulf die Kreuzfahrer zum Judenmord auf:
"Rächet zuerst den Gekreuzigten an seinen Feinden, die unter uns leben ..."
Die Zahl der Opfer hielt sich dieses Mal aber in den Grenzen von Hunderten, nicht zuletzt, weil Zisterzienserabt (und Mitgestalter des Zisterzienserordens, der sich 1108 als selbständiger Orden von den Benediktinern gelöst hatte) Bernhard von Clairvaux - obwohl Hauptideologe des Zweiten Kreuzzugs - den Hetzpredigern entschieden entgegentrat.
Von nun an aber verband sich jede Kreuzzugspredigt mit einer Predigt gegen die Juden, gleichgültig ob es gegen die Sarazenen, gegen die Albigenser, gegen die Hussiten, gegen den Sozialismus oder gegen den Kapitalismus ging.
Daß man im wesentlichen sieben Kreuzzüge unterscheidet,
dazu einige wundersame Begebenheiten der Kreuzzugszeit Hier ein kurzer Überblick Überblick über die Kreuzzüge:
1096 - 99 Erster Kreuzzug (Nord- und Südfranzosen, Normannen Süditaliens)
1099 Eroberung Jerusalems, Begründung eines Königreichs Jerusalem (unter Gottfried von Bouillon) und einiger anderer kleiner Feudalstaaten.
1147 - 49 erfolgloser Zweiter Kreuzzug (Staufer Konrad III. und Ludwig VII. von Frankreich).
1187 Rückeroberung Jerusalems durch Saladin (Salaah_ed-diin, Begründer der in Ägypten [1171 - 1250] herrschenden Dynastie der Aijubiden).
1189 - 92 (Deutsch-französisch-englischer) Dritter Kreuzzug unter Leitung Kaiser Friedrichs I. Barbarossa, der jedoch nach dem Sieg bei Ikonion (1190, Kleinasien) beim Baden ertrank. Der englische König Richard Löwenherz eroberte Akko und schloß einen Waffenstillstand mit Saladin.
Im Zusammenhang mit der Eroberung Akkos war es zu einem Zwischenfall zwischen dem - ebenfalls am Dritten Kreuzzug teilnehmenden Babenbergerherzog Leopold V. (1177 - 1194) und Richard Löwenherz gekommen, der ein österreichisches Feldzeichen von einem eroberten Turm hatte entfernen lassen, worauf der Babenberger das Kreuzfahrerheer verlassen hatte.
Die Zurückführung des rotweißroten österreichischen Bindenschilds auf den während der Kämpfe um Akko über und über mit Blut bespritzten Mantel Leopolds, der nur unter dem Waffengurt weiß geblieben sei, ist in den Bereich der Legende zu verweisen, nicht aber die Erpressung eines gewaltigen Lösegelds für den englischen König:
"Der englische König Richard Löwenherz wurde auf der Rückkehr vom Heiligen Land bei dem Versuch, sich durch babenbergisches Gebiet durchzuschlagen, in dem Wiener Vorort Erdberg erkannt und festgenommen (1192). Zuerst vom Herzog in Dürnstein (Wachau) in königlicher Haft gehalten, bestimmte eine vertragliche Abmachung seine Übergabe an den Kaiser (1193). Für seine Freilassung mußte England hohes Lösegeld bezahlen, von dem Herzog Leopold einen beträchtlichen Teil erhielt. Er verwendete diese Summe für Neuanlagen (Wiener-Neustadt), Erweiterungen (Wien) und Befestigungen (Hainburg) von Städten sowie für die Finanzierung der Wiener Münzprägung. Der "Wiener Pfennig" trat an die Stelle der älteren Kremser Prägungen"
Wie die Venezianer den Vierten Kreuzzug gegen ein Land lenkten, in dem ohnehin schon des Kreuz herrschte Dem vierten Kreuzzug, der zu¬nächst die Er¬oberung Ägyptens zum Ziel ge¬habt hatte, verstanden die Ve¬nezianer eine andere Richtung zu geben: In den Jahren 1202 bis 1204 wurde unter der Füh¬rung des Dogen Enrico Dan¬dalo Byzanz erobert, wo ohnehin das Kreuz herrschte, wenn auch ein fremdes Kreuz, denn 1054 hatten sich Papst- und Ostkirche getrennt. Die Sieger suchten Byzanz in barbarischer Weise heim und plünderten es.
Folge des Vierten Kreuzzugs war die Errichtung des sogenannten "Lateinischen Kaiserreichs", in dem französische Feudalherren und venezianische Großkaufleute das Sagen hatten, das sich aber bereits ein halbes Jahrhundert später (1261) wieder auflöste.
1212 führte ein "Kinderkreuzzug" tausende Kinder von Marseille nach Ägypten - direkt in die Sklaverei.
1228 - 29 Fünfter Kreuzzug Friedrichs II. von Hohenstaufen, der im Rahmen des in Akko von Sultan al-Kaamil vertraglich Jerusalem, Bethlehem und Nazareth erwarb.
1248 - 54 Sechster, gegen Ägypten gerichteter Kreuzzug Ludwigs IX., des Heiligen von Frankreich. Ludwig wurde besiegt, gefangengenommen und gegen Lösegeld freigelassen
1270 Katastrophe des Siebenten Kreuzzugs Ludwigs IX. in Tunesien, die ihn und den Großteil seiner Männer das Leben kostete.
1291 wurde Akko als letzte christliche Bastion von den Mameluken erobert.
(Mameluken [ar. "mamluuk" - eigen, leibeigen]: Die letzten Aijubiden hielten sich eine Garde von Militärsklaven aus dem Schwarzmeergebiet. 1250 stürzte Aibeg, der Führer der Mameluken, die Aijubiden und begründete die bis 1517 [Jahr der Eroberung Ägyptens durch die Osmanen] währende Mamelukenherrschaft)
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