5.1 Der Wolf als Schaffensmotivbr /
Auf der einen Seite flößt der Wolf Furcht ein, auf der andren fasziniert er den Menschen. Er wird als intelligent, pfiffig und verwegen charakterisiert, lebt geheimnisvoll und soll eine vermeintliche Gefährdung des Menschen und seines Besitzes mit sich bringen. Eigentlich hat der Mensch dieses Bild vom Wolf selbst geschaffen. Es ist ein Lebewesen im Bewusstsein des Menschen entstanden, das nicht der Realität, sondern, vor allem auf einigen alten Märchen beruhend, die Einbildungen und Phantasien des Menschen widerspiegelt. So entstand das düstere Bild des Wolfes, der wie kein anderes Tier durch die Jahrhunderte vom Hass der Menschen umgeben war.
Überall wo der Wolf auftrat, wurde er zum Motiv des Glaubens und Aberglaubens, zum Held von literarischen Werken und Jagdgeschichten. Wir finden ihn in der Malerei, in Grafiken, in Skulpturen sowie in der Namensgebung und Heraldik wieder.
Die Mythologie der alten Griechen und Römer nutzte oft die Gestalt des Wolfes. Eine Wölfin soll die Nährmutter des Gründer Roms, Romulus und Remus, sowie auch des Gründers der Türken, Tarkan, gewesen sein (mündl. Überlieferung).
Der Wolf ist auch ein Symbol von Macht und Weisheit, und so ist es nicht verwunderlich, dass Odin, der oberste nordische Gott, stets von zwei schwarzen Wölfen begleitet wurde.
Auch die Bibel erinnert mehrfach an den Wolf. In der christlichen Tradition des Mittelalters wurde dieses Tier zum Symbol der Macht der Finsternis. Hexen sollen Wölfe auf dem Weg zum Sabbat als Reittiere benutzt haben. Sie saßen rücklings auf den Wölfen oder legten sich zumindest Strumpfbänder aus Wolfsfell an.
Aber der Wolf war auch eines der Attribute des heiligen Franziskus von Assisi. Der Wolf von Gubbio soll unter dem Einfluss des Heiligen auf den Weg der Besserung gelangt sein.
5.2 Der Wolf in Literatur und Kunst
Der Wolf ist ein ungewöhnlich dankbares literarisches Motiv. Denn er bietet die Atmosphäre von Gefahr und Gruseligkeit. Deshalb wurde er auch oft in Romanen, Erzählungen und Gedichten, ernsten und weniger ernsten literarischen formen benutzt. Die dem Wolf zugeschriebenen eindeutig negativen Eigenschaften führen dazu, dass er einer der häufigsten Helden in Märchen wurde. Besonders bekannt ist das Märchen vom Rotkäppchen. Es ist in vielen Fassungen verbreitet, abhängig von den Absichten der Nachahmer, manchmal grundsätzlich verschieden vom fast 300jährigen Original von CHARLES PERRAULT.
Sehr reich ist die den Wolf betreffende Jagdliteratur. Davon spricht schon JAKOB HAUR in seinem Werk "Gutsbesitzerökonomie", 1675. Dort heißt es, "ein Mensch wurde von Wölfen angegriffen, er kletterte auf einen Baum. Aber die Wölfe hatten diesen Baum untergraben. Er verletzte sich einen Finger und es tröpfelte Blut auf einen Wolf. Darauf fraßen die anderen diesen Wolf auf". KASIMIERZ HR. WODZICKI widmete dem Wolf viel Raum in seinen "Erinnerungen eines Jägerlebens". VALERIAN KUROWSKI charakterisierte im "Jagdwesen in Polen und Litauen" den Wolf ebenso: "Der Wolf ist eine Art wilder Hund, ein Tier, das am verbissensten, am schädlichsten, am hinterlistigsten ist, das nicht nur wilde und Haustiere vertilgt, sondern auch während der Fröste über Menschen herfällt." an anderer Stelle schreibt er über seine Gewohnheiten: "Pferde attackiert der Wolf von vorne, Hornvieh von hinten, Schweine hingegen hinter den Ohren und treibt sie vom Schwanz aus nach vorne".
Große Popularität erfreut sich das Wolfsmosaik von KONRAD MACHACZYNSK. Es enthält Erzählungen und Erinnerungen an Wolfsjagden.
Der Zeitraum zwischen den Kriegen brachte einige sehr interessante Berichte und vor allem "Der Wolf schlug mehrmals zu" von JULIAN EYSMONT und "Das Jahr des Jägers" von WOLDZIMIERZ KORSAK. Dieser zuletzt Genannten schreibt folgendes: "Den Wolf, diesen unseren vierbeinigen Räuber, trifft man jetzt nicht mehr überall auf polnischer Erde. Sein Königreich ist dieser zudringliche Strolch, wegen dem man keine ordentlich Viehzucht durchführen kann, schön gänzlich losgeworden."
Ein Buch von besonderem Wert war die naturwissenschaftliche Jagdbiographie "Wolf" von BOLESLAW SWIETORZECKI, herausgegeben im Jahre 1926. Der Autor vermittelt nicht nur Kenntnisse über die Biologie des Wolfes, sonder rief auch, was besonderes zu unterstreichen ist, zur Zurückhaltung bei der Ausrottung von Wölfen auf. Man kann nur bedauern, dass diese Position so schwer Eingang in die Praxis findet, zumal sie auch gegenwärtig manchem Jäger viel geben würde.
Im Jahre 1953 erschien ein Buch, das dem vorherigen entgegengesetzt war. "Der Wolf und seine Bekämpfung" von Z. KOWALSKI. Geschrieben als Kampf gegen die "Wolfsplage", stellt es ein äußerst negatives Bild dieser Tierart dar.
Eine Übersicht über den Wolf in der deutschen Kunst und Literatur liefert die 2002 beim Grazer Verlag für Sammler erschienene Anthologie von LANGWALD.
5.3 Mythen und Legenden
Die Angst vor dem Wolf, seine Identifizierung mit dem Bösen sowie der Hass erweckten die aufkommende menschliche Phantasie - von dort stammt auch der reiche Volksglauben sowie Legenden und Mythen, die den Wolf betreffen.
Werwölfe: Die Legende von den Werwölfen, das heißt von Menschen die sich in "Wolfs-Vampire" verwandeln und das Blut ihrer Opfer lecken, ist fast universal. Historiker, z.B. der Grieche HERODOT, beschreiben ferne, schreckliche Märchenländer, wo Menschen ihre Mitbewohner ab und zu in Wölfe verwandelten. Der Volksglaube an diese Vorstellungen war allgemein unter den Völkern Europas und Asiens beinah bis in unsere Zeit verbreitet. In der griechischen Mythologie finden wir die Geschichte von Laokoon und seinen Söhnen, die der Zorn von Zeus in Wölfe verwandelte. Im Mittelalter hat man Menschen in Deutschland und Frankreich auf dem Scheiterhaufen unter dem Vorwurf, ein Werwolf zu sein, und den damit verbundenen Verbrechen verbrannt. Gegenwärtig wird das Motiv der Werwölfe häufig in Gruselfilmen verwendet, wodurch der "böse" Wolf immer wieder in das Bewusstsein des Menschen rückt.
Aufzucht von Menschenkindern durch Wölfe: Gewissermaßen als Gegensatz zu dem vorherigen gruseligen Bild vom Wolf existiert der Glaube daran, dass von ihren Eltern verlassene Kinder von Wölfen aufgezogen wurden. Jedem ist wohl der Mythos von Remus und Romulus bekannt, von Kindern des Mars, die auf dem Capitol-Hügel im Stich gelassen und von einer Wölfin mit ihrer Milch genährt wurden. Dieser Mythos über die Gründer Roms drang zusammen mit der römischen Kultur in das Bewusstsein vieler Völker ein.
Auch in der Türkei erzählt die Geschichte, dass etwa 2000 bis 3000 Jahre v. chr. das türkische Volk bis auf einen Jungen namens Tarkan ausgerottet war. eine Wölfin säugte ihn und zog ihn auf. Er wurde zum Begründer des türkischen Volkes. (mündl. Überlieferung)
Aus den 20er Jahren unseres Jahrhunderts sind Berichte bekannt, dass zwei indische Mädchen, genannt Amala und Kamala, in einer Wolfshöhle gefunden wurden. Sie waren angeblich wie Wölfe erzogen: heulten, aßen rohes Fleisch, liebten die Dunkelheit, hatten schwache Sehkraft, aber ausgezeichneten Gehör- und Geruchssinn. Vielfach wurde diese Begebenheit als Beweis zur Unterstützung anderer bildhafter Geschichten über durch Wölfe aufgezogenen Kinder interpretiert. Peinliche genaue Untersuchungen ergaben jedoch Zweifel an der Wahrhaftigkeit dieses Falles. Ernsthafte wissenschaftliche Literatur distanziert sich von der Möglichkeit der Aufzucht von Menschen durch Wölfe.
Nutzung in der früheren Medizin: Früher wurden in der Medizin Organe und andere Substanzen vieler Tiere genutzt. Auch der Wolf lieferte wertvolle Arzneien. Schon der berühmte JAKOB HAUR schrieb in der "Gutbesitzerökonomie", 1675, dass getrocknetes Wolfsherz, zu Pulver fein zerstampft und nach ach in Bier getrunken, jede Krankheit bedeutend lindere. (Ob hierbei jedoch das Herz oder der Alkohol seine lindernde Wirkung tätigte, sei in Frage gestellt)
Wolfsfett wäre, wenn man zuvor trockene Venen mit ihm einschmierend benetzt. Stechen in Gliedmaßen, in den Knochen und im Schienbein, Rheuma und Reißen würden wirksam gelindert. Zu Alkohol gewordenes destilliertes Wolfsblut sei für Menschen, die Blut spucken, überaus nützlich und heilsam. Heutzutage distanziert sich natürlich die Medizin von derlei "Heilmitteln".
5.4 Zu Angriffen gegenüber Menschen
Diese Problem ist wohl das wichtigste im dunklen Bild des Wolfs im Bewusstsein des Menschen. Deshalb ist es erforderlich, es etwas ausführlicher zu behandeln. Denn geläufige Meinungen oder unkritisch wiederholte Berichte, die zum großen Teil Produkte der Phantasie sind, müssen von Fakten unterschieden werden.
In alten Chroniken findet man Aufzeichnungen über Hunderte von Wolfsopfern. Nach Angaben von B. SWIETORZECKI haben Wölfe in den Jahren 1870 bis 1887 in 46 Gouvernements der europäischen Teils von Rußland angeblich 1445 Menschen zu Tode gebissen. die polnische Presse veröffentlichte zwischen den Weltkriegen Artikel von KRESOW, die dramatische Beschreibungen von Wolfsüberfällen auf Menschen und sogar von regelrechten Scharmützeln, die polnische Grenzwachen angeblich mit Wolfsrudeln von mehreren Dutzend Mitgliedern ausgetragen haben, zum Inhalt hatten. Diese Meldungen muss man mit großer Zurückhaltung betrachten!
Mit Sicherheit konnte sich in der Vergangenheit, als der Wolf in den Wäldern noch König war, Zufallsattacken auf den Menschen öfter ereignen. durch oft geführte Kriege, die den Wölfen Nahrung in Gestalt von nicht beigesetzten Leichen lieferten, begünstige der Mensch diese Situation selbst.
Nicht zu erschütternde Meldungen über Aggressionen von Wölfen gegenüber Menschen sind selten. Solche Überfälle sind in der Regel von tollwütigen Wölfen verursacht worden, dagegen nur sporadisch von gesunden Tiere. Es scheint, dass Zufallsüberfälle auf Menschen bedeutend häufiger in Eurasien geschehen sind. Darüber sind noch bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts aus Finnland und Schweden Angaben gemacht worden und gegenwärtig aus der Türkei.
In vielen Teilen Rußlands wurde festgestellt, dass dort Mischlinge von Wölfen und Hunden wild leben. Diese sind in der Regel viel gefährlicher, weil weniger menschenscheu. Vermutlich sind es gerade diese Mischlinge, die Menschen attackieren.
wie besitzen keine Informationen über Angriffe von Wölfen auf Menschen in Deutschland oder Polen nach dem 2. Weltkieg, obwohl allen glaubwürdigen Beschreibungen über aggressive Verhalten von Wölfen in der Wildbahn gegen Menschen nachgegangen wurde. Es zeigt sich, dass die Mehrheit davon mit dem Eindringen der Menschen in die empfindsame Zone um die Wolfshöhle oder auch in den Ruheplatz der Wölfe mit Jungen erklärt werden kann. In Nordamerika sind wenige Fälle von Wolfs-Angrifefn auf den Menschen im 20 Jhdt. bekannt gewesen. Unter anderem gab es die Attacke auf Teilnehmer der kanadischen Arktis-Expedition, auf einen Eisenbahnarbeiter und auf einen Waldarbeiter, der gezwungen war auf einen Baum zu flüchten. Die Ursachen für diese Angriffe sind nicht bekannt. Eine Ausnahme scheint einer der Zwischenfälle zu sein, und zwar die Attacke von zwei Wölfen auf drei kanadische Biologen. Nach ihrer eigenen Meinung hat sich die Situation sehr wahrscheinlich durch ihr unbewusstes Eindringen in die Geburtsregion in unmittelbarer Nähe der Höhle ergeben, und die Wölfe wollten sie nur vertreiben.
|