Ordnung: Rackenvögel (Coraciiformes) br />
Familie: Eisvögel (Alcedinidae)
Der Eisvogel mutet - aufgrund seines farbenprächtigen und glänzenden Gefieders - in unserer Breitengraden wie ein tropischer "fliegender Edelstein" an. Kaum ein anderer heimischer Vogel kann mit seiner Farbenpracht wetteifern. So ist er auch der einzige Vertreter aus der rund 87 Arten umfassenden Familie der Eisvögel, der bei uns in Europa siedelt. Mindestens seit der jüngsten Eiszeit - vor 10.000 Jahren - ist der Eisvogel bei uns heimisch.
Seinen Namen verdankt der auffällige Vogel der Eigenschaft, in strengen Wintern entlang der Eisgrenze nach Süden zufliegen. In dieser Jahreszeit ist er auch früher - als er noch häufiger war - verstärkt aufgefallen da sich die Vögel dann an den wenigen noch offenen Wasserstellen konzentrieren. Andere behaupten, dass der Name aufgrund des metallisch schimmernden Eisvogelgefieders vom hochdeutschen "Isarno" (Eisen) herzuleiten wäre.
Vorkommen
Der Eisvogel besitzt ein großes Verbreitungsgebiet, über das er in mehreren Unterarten verbreitet ist. In Asien meidet er die großen Trockengebiete und besiedelt Südasien (Indien und Sri Lanka). In Melanesien und Indonesien leben Inselformen. Der Eisvogel besiedelt Europa und erreicht dabei im Norden Irland, Schottland, Jütland sowie Mittelschweden. Nach Osten reicht sein Verbreitungsgebiet bis ins Baltikum und ins Leningrader Gebiet. Im Süden werden Südfrankreich, Bosnien, Oberitalien und die nördliche iberische Halbinsel erreicht. In Mitteleuropa ist er unregelmäßig verbreitet. Wobei die Schwerpunkte in den Beckenlandschaften, Strom- und Flusstälern der Mittelgebirgslandschaften liegen.
Der Hauptlebensraum des Eisvogels sind Fließgewässer (kleine Flüsse und Bäche), aber auch stehende Gewässer wie Teiche und Seen, oder tiefe Gräben werden genutzt. Weite Wasserflächen werden dagegen von ihnen gemieden.
Die höchsten Brutvorkommen werden bis 910 m Höhe beobachtet. Wichtig sind Sitzwarten (überhängende Äste und Todholz), von denen er auf Fischfang gehen kann.
Außerhalb der Brutzeit können Eisvögel oft an künstlichen Teichen (sogar mitten in Großstädten), Wehren, Ufermauern, Kleingewässern aller Art, Brackwasserlagunen und auch im Watt beobachtet werden.
Aussehen
Der ca. 35 - 45 (55) g schwere und 15 - 17 cm, etwas über sperlingsgroße Eisvogel zählt mit Sicherheit zu den markantesten und auffallendsten Spezies unserer Avifauna. Dieser Fakt bereitet den Biologen allerdings noch einiges Kopfzerbrechen, denn trotz der Auffälligkeiten, werden weniger Eisvögel als vergleichsweise Sperlinge von den Prädatoren (Katzen, Marder und Greifvögel) erbeutet. Eine mögliche Erklärung wäre ein unangenehmer Geschmack, vor dem das leuchtend bunte Gefieder warnen soll. Auffallend ist nicht nur seine Farbe, sondern auch der bis zu 5 cm lange Schnabel und der kurze Schwanz. Die Flügel und der Rücken leuchten schillernd je nach Lichteinfall kobaltblau bis türkisfarben. Die Brust und der Bauch sind rötlich hellbraun bis orangefarben gezeichnet. Den Hals und die Wangen zieren scharf abgegrenzte weiße Flecke. Die Füße der Altvögel sind blau gefärbt. Die Jungvögel erscheinen in den ersten Monaten unsauber gezeichnet, wirken verdreckt und haben dunkel braune Füße. Männchen und Weibchen kann man anhand des Unterschnabels unterscheiden. Während die Männchen am basalen Teil der unteren Schnabelhälfte bräunliche bis orangerote Flecken haben, ist der weibliche Unterschnabel fahlrot bis fleischfarben.
Ähnlich wie z.B. Geier besitzt jedes Auge des Eisvogels zwei Sehgruben. Diese Punkte des schärfsten Sehens ermöglichen - trotz der seitlichen Augenstellung - die räumliche Orientierung nach vorn.
Der Eisvogel besitzt eine Spannweite von ca. 25 cm und fliegt sehr schnell, in niedriger Flughöhe, mit raschen Flügelschlägen (10 - 20 m/s), geradlinig über dem Wasser.
Nach jedem Tauchgang erfolgt eine ausgiebige Gefiederpflege. Zusätzlich wird auch täglich gebadet. Danach fettet der Vogel mithilfe der Bürzeldrüse sein Gefieder ein, damit es beim nächsten Tauchgang nicht durchnässt. Dieser Vorgang kann bis zu 20 min dauern. Insgesamt verwenden Eisvögel fast zwei Stunden am Tag für die Gefiederpflege. In der Mauserzeit von August bis September, werden die Schwungfedern langsam und nur wenige von ihnen gleichzeitig gewechselt. Die Mauser wird allerdings im November unterbrochen, und erst im nächsten Jahr fortgesetzt.
Seine markanten, lauten Rufe hören sich an wie "khrit-rit-rit" und sein Lockruf klingt wie "tji". Die meisten Eisvögel erreichen nur ein Alter von 2 Jahren, die wenigsten erreichen das 5. Lebensjahr. Der älteste Ringvogel wurde 15 Jahre alt. Die Vögel erleiden sehr hohe Verluste durch Unfälle (Glasscheiben, Straßenverkehr, Ertrinken).
Brutbiologie
Eisvögel sind außerhalb der Brutzeit sehr ungesellig und strikte Einzelgänger. Bei der Revierverteidigung (ein bis fünf Kilometer lange Flußabschnitte) werden sowohl die eigenen Jungen und Artgenossen als auch Wasseramseln, Flussuferläufer und Rotkehlchen vertrieben. Kämpfe zwischen Artgenossen können sich über einen Tag hinziehen und auch zu Verletzungen einzelner Vögel führen.
Während der Balz im März (in milden Wintern bereits Beginn im Dezember/Januar), füttert das Männchen das Weibchen mit Fischen, um die Partnerschaft zu stärken. Als Brutstandort werden Steilufer oder Prallhänge an Gewässern (bevorzugt Bäche und Flüsse) ausgewählt. Diese lotrechten Uferböschungen oder Uferabbrüche zeichnen sich durch Lehm- oder Sandboden bzw. lockerem Erdreich aus. Aber auch Wegböschungen, Hohlwege, Materialentnahmestellen und manchmal auch die Wurzelteller umgestürzter Bäume können als Neststandort dienen. Künstliche Nisthilfen werden ebenfalls gern angenommen. In das Erdreich des Neststandorts graben beide Partner - sich alle 5 min abwechselnd - mit Hilfe von Schnabel und Schwanz eine senkrecht ansteigende Erdhöhle. Zuerst wird das ovale Eingangsloch, das etwa 7,0 cm im Durchmesser hat, angelegt. Von diesem ausgehend, wird eine Röhre gegraben. Der dabei anfallende Abraum wird mit dem Schwanz aus dem Gang geschoben. Wenn die Vögel auf einen Stein stoßen, wird um diese das Erdreich gelockert, bis sich der Stein entfernen läßt. Im Idealfall kann das Brutpaar innerhalb von zwei Tagen 0,65 m graben. Es wurden auch Weibchen beobachtet, die sich nicht am Höhlenbau beteiligten. In Abhängigkeit von der Konsistenz des Erdreiches kann eine Brutröhre bis zu 1,30 m lang werden. Am Ende der Röhre wird ein etwa 16 x 17 x 12 cm großer Brutkessel angelegt. Der Vorteil der Brutröhre besteht darin, dass bei einem auftretendem Abrutschen des Steilufers ein Teil der Brutröhre erhalten werden kann. Manchmal werden auch alte Höhlen benutzt und gesäubert. Sehr oft benutzt ein Paar mehrere Höhlen im Revier. Die Bruthöhle kann bis zu mehreren 100 m vom Wasser entfernt sein.
Ein Nest wird nicht gebaut und die Eier werden auf den Untergrund gelegt oder auf Speiballenresten. Allerdings entsteht eines im Laufe der Fütterung der Jungen, durch die von den Jungen ausgespuckten unverdaulichen Fischgräten und -schuppen. Das Gelege besteht aus 5 bis 7 (9) weißen, glänzenden, fast runden und etwa 4,5 g schweren Eiern, die von beiden Altvögeln bebrütet werden. Nach einer Brutdauer von 18 bis 21 Tagen schlüpfen die Jungen. Wenn die Nestlinge noch sehr klein sind, kann es vorkommen, dass sie bei einer Störung von mehr als vier Stunden, bereits zu schwach sind, um Nahrung aufzunehmen und deshalb verenden. Während der Aufzucht der Jungvögel ragt der Fischkopf auf dem Weg zur Bruthöhle in Richtung Schnabelspitze. Bei 5 bis 7 Jungvögeln, müssen die Eltern etwa 100 Fische am Tag erbeuten und dafür ca. 310 mal/Tag tauchen. Jeder gefütterte Jungvogel entleert seinen Darm in Richtung Ausgang und reiht sich hinten wieder an, während sich der nächste Jungvogel vorschiebt, um auf den ersten Platz zu rücken. Diesen regelmäßigen Ablauf, der in einem Kreis hockenden Jungvögel, nennt man deshalb auch das "Eisvogelkarussell". Dadurch, dass die Jungvögel ihren Kot in Richtung Ausgang schießen, bleibt der Brutkessel sauber. Jedoch fließt der Kot aus der Röhre, die eine Neigung von etwa bis 30° aufweist, zum Eingang heraus. Anhand der Kotspuren kann man eine bewohnte Bruthöhle somit sofort erkennen. Da die Exkremente auch stark nach Ammoniak riechen, wird ihnen möglicherweise eine antiseptische Wirkung nachgesagt. Nach jeder Fütterung nehmen die Altvögel aber ein Bad, um die Verunreinigungen und den Sand aus dem Gefieder zu waschen. Eisvögel können jährlich bis zu vier Bruten mit max. 28 Jungvögeln aufziehen wobei die Brutzeit bis in den Oktober andauern kann. Großenteils werden aber je Paar nur 16 Eier/Jahr gelegt, wobei aus diesen nur ca. acht flügge Junge/Paar hervorgehen. Oft kann es zu Schachtelbruten kommen, d. h. während das Männchen in einer Höhle füttert, sitzt das Weibchen in der nächsten bereits wieder auf einem Gelege. Diese hohe Reproduktionsrate sichert das Überleben der Art. Denn es genügt ein strenger Winter, um bis zu 95,0 % des Bestandes auszulöschen. Allerdings ist dabei nicht nur das Gefrieren der Gewässer ausschlaggebend, sondern auch die Eintrübung des Gewässers bei Hochwasser. Dies kann bereits nach starken Regenfällen der Fall sein, dann kann es auch zu Höhleneinstürzen kommen.
Nach 23 bis 27 Tagen verlassen die Jungen die Brutröhre und verbleiben nach dem Flüggewerden noch etwa drei Tage bei den Altvögeln. Danach werden sie energisch vertrieben. Die Geschlechtsreife erreichen junge Eisvögel im Alter von sieben Monaten. Bis dahin ist es aber ein weiter Weg, denn Eisvögel haben eine geringe Lebenserwartung und eine Sterblichkeitsrate von bis zu 80,0 %. Dazu tragen auch Fressfeinde bei. Oftmals vergessen die Jungen auch nach dem Tauchen die Gefiederpflege bzw. dessen vollständige Trocknung, wenn sie nach einem erfolglosen Tauchgang sofort erneut zustoßen. Dann trieft ihr Gefieder so voll Wasser, das sie beim nächsten Tauchgang ertrinken, oder in der folgenden Nacht - mangels unzureichender Isolation - an Unterkühlung sterben. Diese Art der Verluste wird auf bis zu 30 % geschätzt.
Da die Jungen aber sehr früh vertrieben werden, müssen sie sich ein neues Revier suchen. 90 % machen dies im Umkreis von 100 km von ihrem Geburtsort. Einige ziehen aber viel weiter. Der Rekord liegt bei 1.800 km.
Nahrung
Eisvögel fangen ihre Beute, die optisch wahrgenommen wird, im Stoßtauchen. Aus bis zu 11 m Höhe stürzen sie sich von einer Sitzwarte ins Wasser und können dabei bis zu 1 m (max. möglicherweise bei 2,50 m) tief tauchen. Während des Tauchens, zieht sich eine sogenannte Nickhaut über das Eisvogelauge. Er kann aber auch "rüttelnd" wie ein Falke über dem Gewässer stehen und dann zustoßen. Beim Tauchen werden die Fische im Rücken gepackt oder in den Flanken aufgespießt. Bei 70 bis 150 täglichen Tauchgängen werden kleine Fische (Elritzen, Gründlinge, Bachforellen, Rotfedern, Groppen, Plötzen, Stichlinge, Moderlieschen, Ukelei und auch junge Flußbarsche) Wasserinsekten, Flohkrebsen, Wasserasseln, Kaulquappen, kleine Frösche, Molche und Libellenlarven erbeutet. Größere Tiere - z.B. Fische von 9 - 11 cm Länge, die manchmal gefangen werden - tötet der Eisvogel mit kräftigen Schlägen gegen eine Unterlage. Fische von 4 bis 5 cm Länge werden mit dem Kopf voran im Ganzen verschluckt. Etwa jeder fünfte Tauchversuch, ist auch von Erfolg gekrönt. Bei günstigen Verhältnissen ist auch 100 % Erfolg möglich. Wenn sich Fische unter Wasserpflanzen und überhängenden Blättern verbergen, fliegt der Eisvogel Scheinangriffe in Form von kurzen und lauten Tauchzügen unter Wasser, um die aufgeschreckte Beute anschließend mit einem gezielten Tauchangriff zu erbeuten.
Die tägliche Nahrungsmenge eines Eisvogels beträgt ca. 20 bis 30 g, das entspricht in etwa 17 bis 20 kleinen Fischen. Im Winter kann die Zahl bis auf 50 Fische ansteigen. Werden Junge gefüttert, können es bis zu 120 Fische/Tag werden. Somit kann ein Eisvogelpärchen im Jahr bis zu 20.000 Fische erbeuten. Überreste der aufgenommenen Nahrung werden als Speiballen, ausgewürgt.
Bestand
In Deutschland vermutete man 1980 etwa 1.500 Eisvogelbrutpaare. In Ostdeutschland wurde der Bestand allerdings schon auf ca. 1.900 BP (+/- 32,0 %) geschätzt. Die Ursachen sind starke Bestandsschwankungen durch starke Winter und fehlende Erfassung.
Der Eisvogel hat, wie viele andere Vogelarten auch, besonders unter den Veränderungen in seinem Lebensraum zu leiden. Hauptursache sind hier vor allem die wasserbaulichen Maßnahmen und die Freizeitaktivitäten an vielen Gewässern. Die dazu führen, das die Gewässer begradigt werden und damit ihre natürliche Fließform gravierend verändert wird. An solchen Gewässern findet der Eisvogel keine Steilwände mehr, die er als Brutplatz nutzen kann und auch seine Hauptbeutetiere finden hier keinen Lebensraum mehr. Oftmals fehlen auch Bäume und Sträucher am Gewässerrand und damit die Sitzwarten. Auch die Verschmutzung der Gewässer verhindert eine Ansiedlung des Eisvogels.
Durch strengen Schutz und die Annahme künstlicher Nisthilfen sowie dem teilweisen Rückgang der Gewässerverschmutzung konnte der Eisvogelbestand, auch aufgrund der milden Winter, regional zunehmen.
Die größten Verluste erleiden Eisvögel in strengen Wintern. Diese können das Aussterben ganzer Teilpopulationen zur Folge haben. Solche Winter mit hohen Verlusten traten 1962/63 und 1978/79 auf. Fallen die Temperaturen dann unter -10 °C, ist es höchste Zeit für den Eisvogel in wärmere Regionen abzuwandern, oder aber eine eisfreie Stelle zu suchen. Hier kann es dann auch zu Konzentrationen von Eisvögeln kommen. Trotz des eingeölten Gefieders führen Tauchgänge bei extremen Minusgraden zum Gefrieren von Wassertropfen am Gefieder. Besonders betroffen sind die Schwanz- und Brustfedern. In solchen Zeiten kann man kaum Eisvögel mit intakten Schwanzfedern finden. Eine weitere Gefahr stellen Sitzwarten aus Metall dar, an denen die Vögel anfrieren können. Da die Vögel auch unter dem Eis tauchen, hat ein Verfehlen der offenen Wasserfläche ebenfalls tödliche Folgen.
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