Durch das veränderte Freizeitverhalten - mit einer deutlichen Reduzierung der körperlichen Aktivität - muss dem Schulsport ein sehr hoher Stellenwert zugeordnet werden. Kinder treffen sich nicht mehr so häufig wie früher, um in Gruppen \"Fangen\", \"Verstecken\", etc. zu spielen. Das liegt zum einem an fehlenden Spielkameraden (demographische Entwicklung), zum anderen am Spielen allein oder zu zweit (Gunkel 1997). Ebenfalls hat das konsumorientierte Freizeitangebot enorm zugenommen - Fernsehen, Videos, Videospiele, Gameboy, Computer, etc. Alles kann allein zu hause und im Sitzen, zuhause durchgeführt werden. Balster (1991) spricht von einer von Erwachsenen einbetonierten Mitwelt der Kinder, die sich als äußerst bewegungsunfreundlich erweist. Demnach müssen Kinder ihre Bewegung auf enge Räume beschränken. Diese ungünstigen Rahmenbedingungen beeinflussen die motorische Entwicklung der Kinder negativ (Baur 1989 a u. b).
Es ist berechtigt, dass sich der Sportunterricht der Legitimationsfrage stellen muss. Wenn allerdings akzeptiert wird, dass Bewegungsmangel, Haltungs- und Fitnessprobleme der Schüler zur Zunahme tendieren und dass negative Folgen für die heranwachsende Generation abgeleitet werden können, dann erhalten die Argumente \"pro Sportunterricht\" ein anderes Gewicht. Man beachte: nicht nur körperliche und motorische Aspekte spielen eine Rolle. Die positiven, sozial-emotionalen Auswirkungen des Sports sind ebenfalls wichtig.
Unsere Vorfahren brauchten ihre Körper, um ihre Existenz zu sichern. Dies galt für den Jäger in der Steinzeit wie es für den Industriearbeiter gilt. Unsere Vorfahren waren im Alltag körperlich fit, sie konnten aber nicht turnen, Volleyball spielen oder Skilaufen.
Sport, ein Luxusprodukt der Wohlstandsgesellschaft, spielte damals in Europa und heute in den so genannten \"Dritte Welt Ländern\" keine wesentliche Rolle. In den hoch entwickelten Ländern gilt Sport als ein wichtiges Spiegelbild der Leistungsgesellschaft. Es werden erhebliche Mittel aufgewendet, um diese Leistungsfähigkeit im Sport zu demonstrieren. Dieser Erfolg wird jedoch durch das gesellschaftliche Phänomen der \"Haltungs-, Fitness- und Sportschwächen\" von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gefährdet.
Für den Motoriker oder Bewegungsfachmann spielt es keine Rolle, ob er die motorische Leistungsfähigkeit unter dem Blickwinkel der sportlichen Leistung oder der körperlichen Anforderungen in der Freizeit, der Arbeit oder des Alltags analysiert.
Vom Schulsport wird erwartet, dass er die gesamtgesellschaftliche Situation verbessert, die Verkümmerung wichtiger Fähigkeiten, die Unsportlichkeit und das körperliche Unwohlsein stoppt. Der Schulsport allein kann dies nicht leisten. Er kann versuchen, jungen Menschen Hinweise mit auf ihren Lebensweg zu geben, jedoch ist danach jeder Mensch für sich selbst und seinen Gesundheitszustand verantwortlich. Im Kindheitsalter sollten Eltern und Familie ihren Teil dazu beitragen.
Wenn jeder Schüler die Idee des Schulsports beherzigte, könnte der Unterricht einen wesentlichen Beitrag zur Veränderung der gesamtgesellschaftlichen Lage von Kindern und Jugendlichen leisten.
Leider wird dem Schulsport die gleiche Zeit wie jedem anderen Schulfach zugeteilt. Das Fach Sport hat, wie oben erwähnt, ein ziemlich breites Spektrum, muss sowohl die praktische als auch die theoretische Seite in dieser wie mir scheint kurzen Unterrichtszeit gerecht werden. Zu schaffen ist dies kaum.
Es ist zu hoffen, dass der Schulsport durch die laufenden, zahlreichen und viel versprechenden Aktivitäten und Kooperationsansätze zwischen Gesundheitsämtern, Schulen und den Kultusministerien (z.B. Schulsportoffensive Baden-Württemberg 2000) in Zukunft einen höheren Stellenwert erreicht. Gemeinsames Ziel ist es, allen Kindern trotz des ver- änderten Freizeitverhaltens eine ausreichende Bewegungsförderung durch die Schule zu ermöglichen. Die Förderung des Schulsports würde dadurch eine bedeutende Maßnahme zur Gesundheitsprävention. Vielleicht sollte sich die westliche Welt dem asiatischen Vorbild annähern, das zur Gesund- und Leistungserhaltung der Gesellschaft kollektive Gymnastikübungen im allgemeinen Tagesablauf eingebaut hat.
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