Bedeutung des Krafttrainings im Kinder- und Jugendalter
. Heutzutage sind ca. 50 bis 65% der Schüler haltungsschwach. Die Kraftdefizite beruhen auf den chronischen Bewegungsmangel unserer Zeit. Sie beziehen sich nicht nur auf die Rumpf-, sondern auch auf die gesamte Extremitätenmuskulatur. Innerhalb der ersten zwei Schuljahre kommt es zu einem Anstieg der Haltungsschwächen auf etwa 70%; im gleichen Zeitraum nimmt der Anteil der übergewichtigen Kinder von 3% auf über 20% zu. Umgekehrt sinkt mit ansteigendem Fettanteil die sportmotorische Leistungsfähigkeit, insbesondere in den Bereichen, die überwiegend die Muskelkraft, die Schnelligkeit und die allgemeine Ausdauer beanspruchen. Ein gezieltes und altersgemäßes Krafttraining im Sinne der Haltungsprophylaxe bzw. zur Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit ist demnach unbedingt erforderlich.
. Zur Zeit der kindlichen Wachstumsschübe ist der Bewegungsapparat besonders sensibel für Trainingsreize. Vor allem reagiert der kindliche Bewegungsapparat in diesen sensitiven Phasen günstig auf Krafttrainingsreize. Dies sollte nicht nur aus Gründen der momentanen Leistungsoptimierung, sondern auch wegen der Verbesserung der allgemeinen Grundlagen für spätere Weiterentwicklung ausgenützt werden.
. Bei einem ausschließlich sportartspezifischen Training mit nur sportarttypischen Belastungsformen kommt es zu einer einseitigen Muskelbelastung. Manche Muskelgruppen werden sehr stark trainiert (z. B. die Lauf- und Sprungmuskulatur der Beine), andere Muskelbereiche werden hingegen vernachlässigt (z. B. die Schulter- oder Rumpfmuskulatur). Damit kann es bereits im Kindersalterzur Ausblidung von muskulären Dysbalanzen kommen, die später eine weitere Leistungsentwicklung behindern und muskuläre Verletzungen verursachen. Der Kinder- und Jugendtrainer muß demnach gezieltes Ergänzungstraining durchführen.
Für den wachsenden Organismus ist es von besonderer Bedeutung ein dynamisches Training durchzuführen. Beim wachsenden Muskel kommt es zu einer Zunahme der in Serie geschalteten Sakromere und damit zu einer Längenanpassung. Bei ausschließlich iosmetrischem Training ist dies nur geringfügig oder gar nicht der Fall. Ein dynamisches Training mit adäquaten Dehnungsreizen führt zu einer Muskellängenzunahme, durch die das Kraftpotential des Muskels erhöht wird, ohne daß eine Muskelquerschnittszunahme zu beobachten ist. Dies ist vor allem für die gelenknahe Haltemuskulatur des Rückens von Bedeutung, da sie in der Wachstumsphase im allgemeinen nur wenig Anreize zur Längenanpassung erhält.
Gefahren beim Krafttraining im Kindes- und Jugendalter
Bei der Entwicklung der Kraft ist auf die Besonderheit des wachsenden Organismus zu achten: Der kindliche und jugendliche Knochenbau ist zwar aufgrund der geringen Kalkeinlagerungen elastischer, dafür aber weniger druck- und biegefest. Das hat zur Folge, daß der passive Bewegungsapparat - die Verknöcherung des Skelettsystem ist erst zwischen dem 17. Und 20. Lebensjahr abgeschlossen - im Vergleich zum Erwachsenen eine reduzierte Belastbarkeit aufweist.
Da die Muskulatur dank der Steuermechanismen der Ermüdung durch Krafttraining kaum übertrainierbar ist, sind Schädigungen der Muskulatur durch forciertes Training im allgemeinen nicht zu befürchten. Der Sportschaden am Bewegungsapparat beschränkt sich deshalb auch fast ausschließlich auf den passiven Teil.
Um Schäden am passiven Bewegungsapparat zu verhindern ist zu beachten:
. Bei der Auswahl, Dosierung und der Anwendung von Hilfsmitteln ist stets die andere Belastbarkeit des Knochen- und Knorpelgewebes zu berücksichtigen.
. In der Ausführung von Kraftübungen sind Fehlbeanspruchungen des Bewegungsapparates, insbesondere der Wirbelsäule zu vermeiden.
. Regelmäßig angewandte scheinbar harmlose, kindgemäße Übungen können Gefahren verbergen.
. Das Training muß exakt kontrolliert werden, um das Verletzungsrisiko zu minimieren.
. Wenn die Belastung gesteigert werden kann, soll zuerst die Anzahl der Wiederholungen und erst dann die Belastung gesteigert werden.
. Bei jugendlichen Talenten, die vielleicht eine Profikarriere anstreben, sollten frühzeitig die kraftmäßigen Voraussetzungen zum Schutz des Bewegungsapparats geschaffen werden.
. Das Prinzip der progressiven Belastung setzt eine entsprechende Trainingsbelastbarkeit voraus. Diese muß ihrerseits herausgebildet werden, damit die von Stufe zu Stufe zu steigernde Trainingsbelastung positiv verarbeitet werden kann und nicht zu Überbelastung des Bewegungsapparates führt.
. Die Muskelmasse und auch die Kraft steigern sich mit zunehmendem Lebensalter. Bei der Höhe der ins Auge gefaßten eventuellen Zusatzlasten ist dies zu berücksichtigen.
Methodik und Inhalte des Krafttrainings im Kindesalter in des verschiedenen Altersstufen
Vorschulalter:
Im Vorschulalter ist ein Krafttraining im eigentlichen Sinne nicht angebracht. In dieser Altersgruppe gilt es nur, den normalen Bewegungsdrang der Kinder bezüglich einer vielseitigen und umfassenden allgemeinen Entwicklung des aktiven und passiven Bewegungsapparates lenkend auszunutzen, um ausreichende Reize für Knochenwachstum und Muskelentwicklung zu setzten. Geeignet ist in diesem Alter vor allem das Hindernisturnen in Klettergärten mit Seilpyramiden, Stütz-, Hang- und Zuggeräten, die für jedes Kraftniveau geeignet sind und in vielfältiger Weise die verschiedenen Muskelgruppen ansprechen.
Frühes Schulkindalter (Alter von sechs bis zehn Jahre):
Im frühen Schulkindalter steht die spielerische, vielseitige, abwechselnde und beidseitige Kräftigung des Halte- und Bewegungsapparates im Vordergrund. Allerdings kann nun schon in gezielter Form der weiterhin ausgeprägte Bewegungsdrang der Kinder für ein kindgemäßes Krafttraining herangezogen werden. Tests beweisen, daß sich der Kraftzuwachs schon bei relativ geringem Training signifikant erhöht. Zum Beispiel verdoppelte sich der Kraftzuwachs bei zwei wöchentlichen Trainingseinheiten.
Da sich jüngere Kinder meist nur kurze Zeit auf eine Aufgabe konzentrieren können, hat sich für diese Altersgruppe das Zirkeltraining mit kindgemäßer Übungsauswahl als besonders günstig erwiesen. Es kommt dem Bedürfnis der Kinder nach kurzfristigen Einzelleistungen entgegen und garantiert eine gute Allgemeinbildung des Muskelapparates. Die Methode des Kreistrainings eignet sich im gesamten Nachwuchsbereich sowohl zur Leistungssteigerung im Kraft-, Kraftausdauer- als auch Schnellkraftbereich.
Der Vorteil dieser Methode liegt darin begründet, daß in Abhängigkeit von der individuellen Leistungsfähigkeit abwechslungsreich und variationsreich zusammengestellt werden kann. Außerdem ist eine gute Kontrolle der Leistungsfortschritte möglich, was sich günstig auf die Motivation der Kinder auswirkt.
Die Belastungszeit sollte in dieser Altersstufe kaum 20 Sekunden überschreiten, bei einer Pausenlänge von 40 Sekunden. Die Ausführungsgeschwindigkeit soll maximal sein und es sollten ca. 5 bis 7 Stationen zu absolvieren sein.
Für eine ganzkörperliche Kräftigung eignen sich die Zieh- und Schiebekämpfe sowie die Raufspiele in ganz besonderem Maß, da sie eine Vielzahl an wichtigen Muskelgruppen ansprechen.
Der Kräftigung der Bauch- und Rückenmuskel ist in dieser Altersstufe aufgrund ihrer hervorragenden Trainierbarkeit besondere Beachtung zu schenken: Bei gleichem Training erzielten Kinder im Vergleich zu Jugendlichen hoch signifikant höhere Leistungszuwächse.
Bei der Verbesserung der Sprungkraft sollte man darauf achten, daß viel beidseitig gesprungen wird. Zu viele - vor allem unmittelbar aneinandergereihte Sprünge - können die Kinder aufgrund ihrer noch nicht perfektionierten Sprungtechnik überlasten. Insbesondere eignen sich folgende Übungen:
. Gummihüpfen
. Reifenspringen: Eine bestimmte Zahl an Reifen wird als Sprungfolge ausgelegt. (mit eingebauten Richtungswechsel)
. Seilspringen
. Kopfstöße nach dem Luftballon (Es wird versucht den Ballon am höchsten Punkt zu treffen)
. Hahnenkampf
. Hochkampf: Die Kinder versuchen, sich in der Hocke mit nach vorne gehaltenen Handflächen gegenseitig aus dem Gleichgewicht zu bringen
. Hüpfender Kreis: Im Mittelpunkt schwingt der Trainer ein Seil flach über dem Boden. Auf der Kreislinie stehen die Kinder und Überspringen das Seil. Die Variation der Höhe ermöglicht die Verbindung mit Reaktionsspielen.
Spätes Schulkindalter (aller: von zehn bis zwölf Jahren):
Im späten Schulkindalter erfährt die allgemeine und vielseitige Kräftigung der wichtigsten Muskelgruppen durch Übungen, die das Überwinden des eigenen Körpergewichts beinhalten, bzw. durch die Hinzunahme geringer Zusatzbelastungen (Medizinbälle, Eisenringe, Sandsäcke etc.) eine weitere Steigerung. Als Trainingsinhalte kommen zu den bereits genannten hinzu:
. Übungen zur gezielten Kräftigung der Bauch- und Rückenmuskulatur sowie Armstreckmuskulatur
. Übungen zur Verbesserung der Armstützkraft wie Schubkarrenfahren, im Liegestütz, abwechselnd mit der Hand einen Ball dribbeln, einen Luftballon hochhalten etc.
Pubeszenz.
In der ersten puberalen Phase kommt es durch den ausgeprägten Längenwachstumsschub zu einer vorübergehenden und individuell mehr oder weniger ausgeprägten Disharmonie der Körperproportionen. Dabei werden die Hebelverhältnisse in ihrer Relation zum Leistungspotential der Muskulatur immer ungünstiger. Da weiterhin der Wachstumsknorpel unter dem Einfluß der Hormone, vor allem dem Einfluß des Wachstums- und Sexualhormons , eine Reihe morphologischer und funktioneller Veränderungen erfährt, die seine mechanische Belastbarkeit herabsetzten, ist diese Altersstufe in bezug auf Fehlbelastungen bzw. einseitigen Dauerbelastungen, insbesondere im Bereich der Wirbelsäule, vermehrt anfällig. Wichtig ist ebenfalls, daß mit zunehmendem biologischen Alter der Mineralgehalt und damit die Belastbarkeit des Knochens steigt. Bei biologisch jüngeren Kindern (retardierte Kinder) und Jugendlichen ist ein vergleichsweise zu niedriger Mineralstoffgehalt festzustellen. Dies bedeutet eine geringere mechanische Beanspruchbarkeit, was im Training zu berücksichtigen ist. Aufgrund des vor allem bei den Jungen sprunghaft ansteigenden eiweißaufbauenden Sexualhormons Testosteron verbessert sich die Trainierbarkeit für Kraft entscheidend. Die erhöhte Trainierbarkeit wird allerdings von einer Verringerung der mechanischen Belastbarkeit begleitet. Diese Situation erfordert zum einen die Ausnutzung dieser für die Kraftentwicklung so sensitiven Phasen, zum anderen die Durchführung eines Krafttrainings, das den passiven Bewegungsapparat nicht über einseitige oder zu hohe Trainingsreize in ein Mißverständnis zwischen Belastung und Belastbarkeit bringt und so die Entstehung von Schäden am Skelettsystem hervorruft.
Einige Beispiele zu Übungen in dieser Altersstufe:
Wurfkraftübungen: (Medizinballtreiben)
Zwei Mannschaften versuchen einen Medizinball durch gezielte Würfe mit Handbällen in das gegnerische Feld zu treiben. Wird eine bestimmte Ziellinie erreicht, dann hat die entsprechende Mannschaft gewonnen.
Schußkraftübungen: (Zehnerschuß)
Es wird auf Zeit der Ball gegen die Wand geworfen. Wer die meisten Schüsse bei vorgegebenen Wandabstand in der Zeit von 10 Sekunden schafft.
Sprungkraftübungen: (Fangen auf einem Bein)
Wichtig ist dabei den Raum zu begrenzen. Variationen!
Zweikampfübungen: (Schiebekämpfe)
Im Stehen, im Liegestütz, Rücken an Rücken im Sitzen am auf der Langbank.
Adoleszenz (Mädchen von 13/14 bis 16/17, Knaben von 14/15 bis 18 Jahre)
Die Adoleszenz stellt für das Krafttraining das Alter der höchsten Trainierbarkeit dar. In dieser Altersstufe lassen sich die höchsten Kraftzuwachsraten überhaupt feststellen. Aufgrund der zunehmenden Stabilisierung des Skellettsystems kann in der Adoleszenz das Erwachsenentraining weitgehend übernommen werden. Allerdings dominiert auch in dieser Altersstufe noch die Umfangsarbeit gegenüber Belastung mit hoher Intensität. Außerdem stellt die kontinuierliche Steigerung der Belastung weiterhin ein wesentliches Grundprinzip. Da jetzt auch die anaerobe Kapazität gut entwickelt ist, können nun auch Übungen Verwendung finden, die anstrengend sind und der speziellen Kraftschulung dienen.
Methodische Grundsäzte:
. Umfassende, risikolose Ausbildung
. Altersgemäßes, harmonisches, abwechslungsreiches Training
. Spaß steht im Vordergrund
. Die Wechselbeziehung zwischen Bewegungsfertigkeit und Kraft setzt entsprechend Reize in diesem Alter voraus. Entwicklung wichtig.
|