Die primären Rezeptoren, die eine Änderung der Muskellänge registrieren, sind die Muskelspindeln. Sie reagieren sowohl auf den Betrag, als auch auf die Frequenz einer Längenänderung. Die Golgi-Sehnenorgane melden Spannungsveränderungen der Sehne als Folge starker Dehnungen oder Kontraktionen der jeweiligen Muskulatur.
Als Schutzinstanz wirken sie hemmend auf eine Kontraktion, wenn sich der Muskeltonus dadurch zu stark erhöhen würde. Eine Kontraktion im plyometrischen Training muß der exzentrischen Phase demnach so rasch folgen, daß der hemmende Einfluß der Golgi-Sehnenorgane nicht eintritt.
Ihre Effekte bewirken beide Rezeptoren über den Reflexbogen. Vermutlich haben die Muskelspindeln für das plyometrische Training eine entscheidendere Bedeutung.
Entscheidend ist das Ausmaß der Afferenz der Muskelspindeln. Diese intermuskulären Sensoren geben in Form von Nervenimpulsen ständig Informationen über den Dehnungszustand des Muskels an die spinalen Motoneurone weiter. Bleibt die Intensität dieser Nervenimpulse unter einer bestimmten Reizschwelle (z.B. beim sanften Stretching) werden die Motoneurone nicht aktiv. Im Falle einer Überschreitung (z.B. bei plözlicher, d.h. schlagartiger Dehnung) jedoch wird der betreffende Muskel innerviert, sich zu kontrahieren, um einer Schädigung durch zu starke Dehnung vorzubeugen. Diese Innervierung und somit die Kontraktion fällt um so stärker aus, je mehr der Muskel gedehnt wird.
Außer dem Ausmaß der Dehnung des Muskels ist noch die Zeit, in der diese Dehnung auftritt, von entscheidender Bedeutung. Es ist zu vermuten, daß sich die Zeit, die der Muskel benötigt, um von der exzentrischen Phase einer plyometrischen Bewegung in die konzentrische "umzuschalten", mit der Verbesserung des Trainingszustandes reduziert. Dies ist zum einen in der Verkürzung der Vorinnervationsdauer (bessere Bewegungsantizipation und -Ausführung = Technik) bei trainierten Sportlern begründet , zum anderen in deren stärkerer und schnellerer Innervationsfähigkeit, die von SCHMIDTBLEICHER 1984 durch Elektromyographieunter-suchungen nachgewiesen wurde.
Außerdem ist die Innervationsdauer und -Stärke bei Tiefsprüngen von der Größe des Kniegelenk- und Fußgelenkwinkels abhängig und variiert je nach beteiligter Muskelgruppe.
Hilfreich erweisen sich zu diesem Problem die Untersuchungen von BOSCO u.a. 1982 (zit. nach KOMI 1985, S. 260), die den mechanischen Wirkungsgrad reaktiver und nicht-reaktiver Sprünge in Abhängigkeit vom Kniewinkel untersuchten. Sie berechneten für nicht-reaktive Sprünge (2s dauernde verharrende Phase vor der konzentrischen Phase) einen Wirkungsgrad von 19,7%, für reaktive Sprünge mit kleiner Winkelamplitude 38,5% und für reaktive Sprünge mit großer Winkelamplitude 28%.
Diese Erkenntnisse müssen aber noch verfeinert werden, damit eine genauere Voraussage möglich ist, bei welcher Winkelamplitude und welcher Ausgangsstellung im Kniegelenk das effektivste Sprungverhalten möglich ist.
Probanden in den Tiefsprung-Untersuchungen von GOLLHOFER/SCHMIDTBLEICHER 1982 (zit. nach SCHMIDTBLEICHER 1984, S. 170) erzielten Kraft-Zeit-Verlaufskurven zwischen 200 und 400 ms bei einer Kniegelenksamplitude von 90° für den M. rectus femoris und den M. gastrocnemius.
Die Beobachtung, daß die Reflexaktivität des M.gastrocnemius bei einer Absprunghöhe von 50 cm und die des M. rectus femoris bei einer Höhe von 110 cm maximal ausfiel, untermauert die These von dem unterschiedlichen Innervationsverhalten beteiligter Muskelgruppen. Für die theoretische Erklärung des plyometrischen Krafttrainings besteht bei der Vielzahl von einflußnehmenden Parametern (Absprunghöhe, Trainingszustand, beteiligte Muskelgruppen, Absprungwinkel in Hüfte, Knie und Fußgelenk, Arbeitsamplitude in den beteiligten Gelenken) noch großer Bedarf an weiterer Forschung.
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