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physik artikel (Interpretation und charakterisierung)

Wie die uhr unser leben verändert hat -


1. Atom
2. Motor

Die ersten Uhren bauten die alten Ägypter: Sonnenuhren. Später wollten die Menschen es immer genauer wissen und erfanden Uhren, die Tausendstelsekunden anzeigen konnten. Dieser Fortschritt forderte seinen Preis: Er hat uns zum zweiten Mal aus dem Paradies vertrieben.

Ägypten, irgendwann vor etwa 5000 Jahren: Am Rand der Wüste sitzt ein Hirte in der Sonne und wartet, dass es Abend wird. Gelangweilt starrt er auf seine Herde und dann wieder auf den Hirtenstab, den er vor sich in den Sand gesteckt hat. Dass ein Schatten mit dem Ablauf eines Tages wandert, wußten die Menschen schon - aber hier in der Unendlichkeit der Wüste fällt es dem Hirten wie Schuppen von den Augen: Der wandernde Schatten des Stabes macht das Vergehen der Zeit sichtbar. Wir wissen nicht, wer der Hirte war und wo er lebte. Seine Spuren haben sich im Dunkel der Geschichte verloren. Aber das, was er da vor sich sah, war die Ur-Uhr, eine Sonnenuhr.
So könnte es gewesen sein - und es hat sich sicher viele Male an vielen Orten der Erde in ähnlicher Weise abgespielt.

Denn die Sonnenuhr ist eine einfach Sache, und man nimmt an, dass sie mehrmals erfunden wurde. Eine Erfindung mit Folgen, Noch heute, nach Tausenden von Jahren der Zeitmessung, in denen wir uns eigentlich daran gewöhnt haben sollten, spüren wir ein Unbehagen, wenn wir einen Blick auf unsere Armbanduhr werfen. Irgendwie hat sie uns im Griff, bestimmt unser Leben mit.

Was ist anders als früher - als es noch keine Uhren gab?


Doch der Reihe nach:

Der High-Tech-Chronometer, den wir heute am Arm tragen, ist nur der vorläufige Endpunkt eines langen Prozesses. Die ersten Uhren in der Menschengeschichte nennt man "Elementaruhren" - vermutlich, weil sie mit einigen jener Elemente funktionierten, von denen Empedokles und andere griechische Philosophen meinten, dass sie der Urgrund aller Dinge wären. Feuer (Feueruhr), Erde (Sanduhr) und Wasser (Wasseruhr). Die alten Ägypter sahen in ihren Sonnenuhren, die die Zeit nach der Richtung und der Länge des Schattens maßen, ihren Sonnengott Re persönlich am Werk. Um 600 vor Christus gab es in Ägypten sogar tragbare Sonnenuhren. Ein Exemplar davon fand der britische Archäologe Howard Carter im Grab des Tutenchamun.

Wie aber sollte man die Zeit nachts messen, wenn die Sonne nicht schien?
Zwar versuchte man sich auch an Monduhren, doch die fanden keine große Verbreitung, weil zum Beispiel vor dem ersten und nach dem dritten Viertel ein Schatten kaum wahrnehmbar ist. Einen Ausweg wies das Wasser. Die älteste erhaltene Wasseruhr stammt aus der Regierungszeit des ägyptischen Pharaos Amenophis III ( 1402-1364 v. Chr.).


So eine Wasseruhr sieht im Grunde aus wie ein mit Hieroglyphen verzierter Blumentopf mit einem Loch im Boden, durch das mehr oder weniger gleichmäßig Wasser tropft. Eine Skala im Inneren zeigt den jeweiligen Wasserstand und damit die Uhrzeit an. Dieser Uhrentyp wurde weiter verfeinert. Über die Einlaufwasseruhr, bei der das Wasser in ein Gefäß hinein lief, bis hin zur Wasseruhr des Archimedes, die sogar über Zahnräder und ein Zifferblatt verfügt.





Doch auch die Wasseruhr hatte ihre Macken. Zum Beispiel konnte das Wasser in kälteren Gegenden über Nacht einfrieren. Deshalb verordnete der Kirchvater Beda in England um 700 nach Christus, Kerzen mit einer eingeritzten Zeiteinteilung abzubrennen: die Feueruhr.
Eine Variante davon ist die Öllampenuhr. Bei ihr kann man die Uhrzeit anhand des Ölstandes im Glasgefäß ablesen.






Die erste Sanduhr tauchten erstaunlich spät auf. Aus dem 14. Jahrhundert sind Rezepte überliefert, wie der Sand zubereitet sei. Man nehme: gemahlene Eierschalen, Marmorstaub, Zinn.- oder Bleipulver - oder Sand aus bestimmten Fundstellen. Im 16. Jahrhundert war die Sanduhr aus keine Forscherstube mehr wegzudenken. Und die Prediger waren sogar verpflichtet, sie auf der Kanzel aufzustellen.





Parallel zur Sanduhr entwickelte der Mensch einen Zeitmesser, der völlig unabhängig war von Sonnenstand, Witterung und Elementen. Uhren, die von der Schwerkraft angetrieben wurden. Sie funktionierten mit Gewichten, die über Seilzügen und Räder das Uhrwerk in Bewegung setzten. Bis ins 15. Jahrhundert hinein wurden die meisten der Uhren so in Gang gehalten, vor allem Turmuhren. Aber auch heute findet man diesen Uhrentyp noch .- etwa in der Kuckucksuhr, deren Gewicht oft die Form von Tannenzapfen haben.
Der Vorteil des Gewichtsantriebs bestand darin, daß der Mensch nicht immer zu bestimmten Zeitpunkten eingreifen mußte. Er brauchte nicht mehr die angebrannte Kerze der Feueruhr auszuwechseln oder die Sanduhr umzudrehen, wenn der Sand durchgerieselt war. Die Gewichte mußten nur hin und wieder im Vorbeigehen aufgezogen werden.


Ebenso bequem war die Handhabung der Uhren mit Federantrieb, die in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts aufkamen. Die Feder wurde gespannt und gab ihre Kraft langsam an das Uhrwerk ab. Allerdings kam es noch darauf an, diese Kraft möglichst in gleichmäßige Häppchen bzw. Zeitschritte zu zerlegen. Eine Uhr kann man ja nicht ablaufen lassen wie ein aufgezogenes Spielzeugauto - am Anfang schnell, am Ende langsam. Damit die Uhrenzeiger sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegten, wurden jetzt ein Pendel und eine sogenannte Hemmung eingesetzt. Die Hemmung besteht im wesentlichen aus einem Anker, der die Drehung der Zahnräder unterbrechen kann. Da diese Unterbrechungen von den periodischen Schwingungen des Pendels gesteuert werden, die die Bewegung des Räderwerkes in viele kleine, gleich lange Schritte unterteilt. Der Ablauf der Zeit war jetzt unabhängig von äußeren Einflüssen darstellbar.

Ein großer Schritt für die Menschheit? Ja und nein.

Nein, weil die Uhr uns zum zweiten Mal aus dem Paradies vertrieben hat. Was das für ein Paradies ist, können wir nur selten und immer nur für sehr kurze Zeit erahnen. In ihm wohnen alle, die keine Uhr lesen können: Tiere und kleine Kinder. Wer hat nicht schon einmal neidvoll einer Katze beim Dösen in der Sonne zugeschaut oder einem Kind, das beim Spielen die Zeit vergißt!
Dieses Glücksgefühl, ausschließlich im Hier und Jetzt zu leben, haben wir als Erwachsene nur noch selten: Wenn wir mit Freunden plaudern oder einen spannenden Krimi lesen.
In solchen Momenten ist unser Erleben der Zeit etwas ganz anderes als das, was uns der stets gleichlaufende Uhrzeiger vormacht. Plötzlich ist die Zeit was Kaugummiartiges, Flexibles. Sie kann sich dehnen zwischen ungeheuer kurz und ungeheuer lang. Schrecklich knapp erscheint sie uns, wenn wir einen geliebten Menschen auf dem Bahnhof verabschieden müssen.

Dagegen ist sie ungeheuer lang, wenn uns etwas Unangenehmes passiert oder wir eine beschwerliche Arbeit erledigen sollen. Im Extremfall wie etwa bei der Folter, können einem Menschen Sekunden des Schmerzes wie Stunden vorkommen.
Daraus folgt: Die Zeit ist gar kein gleichmäßiger, objektiver Vorgang, sondern ein subjektives Geschehen.
Um das menschliche Zeiterleben von der objektiven Zeit der Uhr abzugrenzen, spricht man von "Zeitempfinden". Das klingt so, als wäre die einzig wahre Zeit diejenige, die die Uhr anzeigt, und das Zeitempfinden eine Verfälschung - dabei war es in Wirklichkeit immer genau umgekehrt. Über Hunderttausende von Jahren hinweg kannte auch der Mensch nur seine eigene "innere" Uhr, also seine subjektive Zeit. Erst seit einigen Jahrhunderten wird er auf die objektive Uhrzeit geeicht.

Durch die Uhr wurde auch die Einteilung der Erde in 24 exakte Zeitzonen möglich. Wenn wir aber die subjektive Zeit als wahre Zeit annehmen, gibt es so viele Zeitzonen, wie es Menschen gibt, mehr als fünf Milliarden. Jeder Mensch ist eine eigene Zeitinsel.

Nur wer sich unbeeinflußt in seiner eignen Zeit bewegt, ist ganz bei sich. Erst in jüngerer Zeit werden diese Zeitinseln mit Hilfe der Uhr zu einem einzigen Zeitkontinent zusammengeschweißt. Mit jedem Blick auf die Armbanduhr holt uns der Chronometer aus unserem persönlichen Zeituniversum und hebt uns in das Universum aller anderen Menschen, in dem wir es manchmal schwer haben, unser ganz eigenes Leben zu führen.



Übertrieben?
Werfen wir einen Blick auf ein modernes Sprichwort: "Zeit ist Geld". Früher hieß es "Zeit ist Leben, und Leben ist Zeit". Die Uhr stört aber nicht nur dieses innere Sein - sie verändert damit auch die Welt , die uns umgibt. Und weil die subjektive Wahrnehmung durch die Uhr beeinflußt wird, sehen wir auch die Welt anders.
Die Frage, warum wir Kinder und Tiere so beneiden, ist damit zu beantworten, weil sie noch ihr authentisches Leben leben. Nur subjektive Systeme können etwas erleben, objektive - wie etwa Computer - nicht. Und je objektiver wir werden, desto mehr besteht die Gefahr, daß wir aus unserem eigenen Leben herausgeholt werden. Das fühlt nicht nur der moderne Busineßmensch, der zwischen zwei Anschlußflügen verzweifelte Blicke auf seine Funkarmbanduhr wirft. Schon Menschen in der Antike sahen die (Sonnen-)Uhr mit gemischten Gefühlen.
Eine subjektive, innere Uhr tickt in jedem von uns. Sie steuert den Ablauf von Körpervorgängen wie Wachen, Schlafen und Essen. Und sie tickt im Gegensatz zur künstlichen Uhr nicht immer gleich. Ihr Takt ändert sich zum Beispiel mit dem Lebensalter. Während uns als Schulkind ein Jahr endlos lang vorkommt, vergeht es im Greisenalter wie im Fluge. Selbst die Körpertemperatur wirkt sich auf das Zeitempfinden aus. Wenn wir Fieber haben, vergeht die Zeit scheinbar langsamer. Das zeigten wissenschaftliche Versuche, bei denen Patienten mit erhöhter Körpertemperatur bestimmte Zeiträume schätzen sollten.
Außerdem läuft der Tag den Menschen nicht im 60-Minuten-Ryhthmus der Uhr ab, sondern im 90-Minuten-Rythmus. So lange können wir uns ungestört konzentrieren, bevor wir Hunger kriegen, eine Tasse Tee brauchen oder auf die Toilette müssen. Im Schlaf ist es ähnlich, Traumlose Phasen und REM-Perioden wechseln sich durchschnittlich ebenfalls im 90-Minuten-Takt ab.

Je genauer die Uhren werden, um so weniger Raum lassen sie für persönliche Freiräume, für Reservate des subjektiven Erlebens. Die genaueste Uhr unserer objektiven Zeit - durch Funksignale auf die Millionstelsekunde genau - ist die Atomuhr-Zeit.
Je kleiner, handlicher und damit allgegenwärtiger die Uhren wurden, desto schwerer hatte es der Mensch sein Leben noch im Hier und Jetzt zu leben. Und je perfekter sie wurden, desto mehr schrumpften die meßbaren Zeiteinheiten.
Maßen unsere Vorfahren ihr Leben noch in Sommer oder Wintern, bestenfalls in Monaten oder Tagen, muß der moderne Mensch schon auf die Minute achten, wenn er seinen Zug noch erwischen möchte. Und wenn er ein Skirennen gewinnen will, bemessen Hunderstel- und Tausendstelsekunden seine Leistung. Hat uns also die Uhr Nachteile gebracht?
Natürlich nicht.
Denn ohne exakte Zeitmessung würde es keine moderne Zivilisation geben. Mit den Uhren lernten die Menschen, über ihr gemeinsames Leben ein verbindliches Koordinatensystem zu legen. Um beispielsweise morgens ins Büro zu kommen, brauchen wir nicht nur eine Straßenbahn oder eine Bus, sondern auch die exakte Uhrzeit. Und eine geschäftliche Verabredung ist ohne Uhr ebenso unmöglich wie ein Flug zum Mond.

Die Messung und Bezeichnung der Uhrzeit ist eine ähnliche Abstraktion wie die Erfindung des Geldes oder die Einführung eines Gradnetzes für unseren Globus. Ohne ein verbindliches System der Längen- und Breitengrade würde sich heute kein Schiff und kein Flugzeug mehr zurechtfinden - in Kürze nicht mal mehr Autos, wenn sie von dem GPS-Navigationssystem gesteuert werden. Die Position läßt sich aber nur errechnen, wenn man jene Zeit messen kann, die die Signale von verschiedenen Satelliten zum Auto und zurück brauchen. Voraussetzung dafür ist eine hypergenaue Uhr.

Sich nach der "guten alten Zeit" zurückzusehnen, als es noch keine Uhren gab, macht also keinen Sinn. Ein Verzicht auf die Chronometer wäre ein Ausstieg aus der Zivilisation. Zum Trost bleibt uns ja immer noch, hin und wieder die objektive Zeit zu vergessen und in unsere eigene Zeit einzutauchen.

Nur eines sollten wir nicht, unsere Zeit totschlagen. Denn dafür ist sie zu schade.

 
 

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