Das Versuchsfahrzeug Daimer-Benz NECAR II:
Der Brennstoffzellen-Antrieb entwickelt sich immer näher zur Serienreife Aus dem Auspuff strömt nur reiner Wasserdampf Die Ingenieure glauben, schon in einigen Jahren Modelle der A-Klasse mit dem abgasfreien Antrieb ausrüsten zu können
Leise, nahezu geräuschlos, rollt die Großraumlimousine durch denGroßstadtverkehr. Nur ein Surren ist zu hören, wenn der Elektromotor seine Arbeit aufnimmt. Auf einem Display, das oberhalb des Rückspiegels angebracht ist, zucken Meßbalken hin und her. Die übrige Instrumentierung sieht so aus wie in nahezu jedem Minivan - wenn da nicht der große rote Knopf mit der Beschriftung \'Notaus\' wäre. Ein Elektroauto, mag sich der kundige Leser nun denken - das ist aber nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich wird der NECAR II elektrisch angetrieben, der Strom wird aber nicht aus einer Batterie gezapft. Brennstoffzelle unter der Rückbank
Der NECAR II bezieht seine Antriebsenergie aus einem Brennstoffzellensystem, das in einem Kasten unter der Rückbank untergebracht ist. Hier werden Sauerstoff - der aus der Umluft angesaugt wird - und Wasserstoffgas, das in einem Tank im Hochdach der Großraumlimousine transportiert wird, einer kontrollierten Reaktion zugeführt, bei der Strom entsteht. Als Abgas fällt dabei nur reiner Wasserdampf an, der in diesem Fall anstatt aus dem Kochtopf aus dem Auspuff strömt.
Kooperation
Der NECAR II ist ein Versuchsfahrzeug, das in einer firmeninternen Kooperation von Daimler-Benz und Mercedes- Benz entstanden ist. Am Antrieb mit einer Brennstoffzelle arbeiten die Forscher und Ingenieure schon seit längerem, weil diese alternative Antriebsquelle einen entscheidenden Vorteil hat: Sie ist absolut umweltfreundlichg. Sauerstoff und Wasserstoff stehen im Gegensatz zu den fossilen Energiequellen in wahrscheinlich nie versiegender Menge bereit.
Rasche Entwicklung
\'Mobilität und Transport werden vor allem in den Schwellenländern wachsen\', sagt Helmut Werner, der Vorstandsvorsitzende von Mercedes-Benz, schränkt aber gleichzeitig ein, daß \'der Verkehr auch für die Umwelt tragbar bleiben muß\'. Zwar steckt nach Werners Ansicht im traditionellen Verbrennungsmotor noch ein erhebliches Verbesserungspotential, aber der Brennstoffzellenantrieb als eine Alternative soll bereits in einigen Jahren in die Serienproduktion aufgenommen werden. Die Entwicklung verläuft schneller als erwartet - vor allem mit der Verkleinerung der Bauteile haben sich schneller Fortschritte erzielen lassen, als die Forscher gehofft hatten. Die Entwicklung wird augenfällig, wenn man sich den drei Jahre alten Vorläufer des NECAR II ansieht: Hier waren die Brennstoffzelle, die periphere Technik und der Tank in einen Transporter vom Typ MB 180 gepackt worden, dessen Laderaum damit so vollgepfropft war, daß keinerlei Güter und nur noch zwei Personen befördert werden konnten. Die Daimler-Benz-Ingenieure glauben, binnen zwei, drei Jahren so weit zu sein, daß das Brennstoffzellensystem, das in mehrere kleinere Einheiten unterteilt ist, in die Karosserie der künftigen A-Klasse passen wird.
Zeitpunkt der Serienfertigung unklar
Wann allerdings genau mit der Serienproduktion begonnen werden kann, darauf wollen sich die Ingenieure nicht festlegen. Klar ist für sie nur, daß sich auch Omnibusse für den Einsatz anbieten. Der NECAR II verfügt über eine Reichweite von 250 Kilometern, das Doppelte bis Dreifache von \'konventionellen\' Elektromobilen. Ein Problem stellt bislang allerdings das Betanken mit Wasserstoff dar. Kostengünstig können Autos mit Brennstoffzellenantrieb erst betrieben werden, wenn an jeder Tankstelle nicht nur Benzin, sondern auch Wasserstoff getankt werden könnte.
Methanol tanken
Daran ist jedoch - aus Sicherheits- und Kostengründen - nicht zu denken. Also sind die Forscher von Daimler-Benz auf den Trick gekommen, den Wasserstoff sozusagen erst an Bord herzustellen. Dazu muß Methanol in den Tank gefüllt werden, was technisch problemlos machbar wäre: An den Tankstellen müßte nur eine zusätzlicher Schlauch pro Zapfsäule eingerichtet werden. Dann würde das Methanol in einem chemischen Prozeß teilweise zu Wasserstoff umgewandelt werden - und in dem \'teilweise\' liegt genau der Haken: Denn dabei fällt Kohlendioxid (CO2) an, was die Umweltverträglichkeit des Brennstoffzellenantriebs natürlich schmälert. Allerdings ist der CO2-Ausstoß nur ungefähr halb so hoch wie der eines vergleichbaren Benzinmotors, betonen die Techniker. Außerdem verursacht der \'Reformer\', der für die Umwandlung des Methanols zuständig ist, einen zusätzlichen technischen Aufwand.
Ergebnisse der ersten Probefahrt
Wie sich bei einer ersten kurzen Fahrprobe herausstellte, kann man mit den Fahrleistungen, die der NECAR - was übrigens New Electric Car bedeutet -, durchaus leben, vor allem wenn nicht weite Autobahnstrecken der hauptsächliche Einsatzzweck sind. Die Großraumlimousine erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von etwas mehr als 100 km/h, die Reichweite beträgt mit einer Gasfüllung etwa 250 Kilometer. Das Versuchsfahrzeug setzte sich allerdings noch etwas ruckartig und schwäbisch- behäbig in Bewegung - vielleicht darf man aber bei einem Leistungsmaximum von 50 kW (68 PS) nicht mehr erwarten. Offenbar ist auch das Energiemanagement noch verbesserungswürdig: Das Problem ist, daß der Brennstoffzelle immer genau so viel Energie entnommen werden muß, wie zur Fortbewegung oder zur Beschleunigung benötigt wird, da ja eine Zwischenspeicherung in einer Batterie entfällt. Und auch die halbautomatische Zweigang-Schaltungscheint noch nicht der Weisheit letzter Schluß zu sein.
Das Brennstoffzellen-System
Das Brennstoffzellensystem hat Daimler-Benz zusammen mit Spezialisten der kanadischen Firma Ballard Power Systems entwickelt. Das System, das aus zwei sogenannten Stacks besteht, ist in einem koffergroßen Kasten unter den beiden Rücksitzen untergebracht. Es bleibt in der V-Klasse (die im September mit konventionellen Antrieben auf den Markt kommt) sogar noch ein kleiner Kofferraum übrig. Die beiden Hochleistungs-Stacks bestehen aus jeweils 150 einzelnen Brennstoffzellen. Diese wiederum sind aus zwei Elektrodenplatten aufgebaut, die zur Heranführung des Wasser- und Sauerstoffs dienen. Eine weitere Komponente ist eine mit Edelmetall beschichtete Elektrolytfolie, die von den beiden Platten eingeschlossen wird. Durch eine Verringerung des Gewichts und eine Verbesserung der Geometrie des Systems konnten die Daimler-Benz-Ingenieure das Gewicht - gemessen pro Kilowatt Leistung - von 21 auf sechs Kilogramm reduzieren.
Experiment aus der Schulzeit
Wem dies alles zu kompliziert klingt, der möge sich doch an seine Schulzeit erinnern. Im Chemieunterricht war das Experiment mit dem Knallgas besonders beliebt: Dabei ergeben Wasser- und Sauerstoffgas ein Gemisch, das bei der Entzündung mit einem lauten Knall explodiert. So ähnlich funktioniert die Brennstoffzelle, nur daß es hier keine Explosion, sondern eine \'kalte\' Reaktion gibt. Dies wird durch die Trennung der beiden Gase mit Hilfe der Elektrolytfolie erreicht. Winzige Öffnungen in der hauchdünnen Folie lassen nur Protonen, also positiv geladene Wasserstoff-Ionen durch, die auf der anderen Seite mit den Sauerstoffteilchen reagieren. Durch den Elektronenüberschuß auf der Wasserstoff-Seite und den Elektronenmangel auf der Sauerstoffseite bilden sich Plus- und Minuspol, an denen elektrische Energie entnommen werdenkann.
Weitere Hightech-Komponenten
Weitere Hightech-Komponenten des NECAR II sind der Druckgasbehälter, das Fahrzeugmanagement, die Energierückgewinnung und die neuen Schalldämpfer. Der Tank besteht nicht mehr wie beim NECAR I aus Aluminium, sondern aus klohlefaserverstärktem Kunststoff, wodurch bei halbem Gewicht doppelt soviel Wasserstoff getankt werden kann. Das Fahrzeug-Management ist jetzt auf einer Platine untergebracht, die nicht größer als eine DIN-A4-Seite ist. Ein Auto, das einen Mercedes-Stern am Kühlergrill trägt, muß natürlich auch den entsprechenden Komfort bieten - das hatten die Mercedes-Oberen ihren Daimler- Kollegen ins Lastenheft geschrieben. Für das gute Klima in dem Sechssitzer sorgt ein Reluktanzmotor in der Lüfteranlage, dessen Vorteil in der leichten Kühlbarkeit liegt: Bewegte Teile erhitzen sich im Vergleich zu einem Elektromotor weniger.
Noch unbestimmt: Der Preis
Noch unbeantwortet läßt Mercedes- Chef Werner allerdings die Frage nach den genauen Preisen künftiger Alltagsautos mit Brennstoffzellenantrieb. Für ihn ist nur klar, daß sie nicht mehr kosten dürfen als ihre konventionellen \'Brüder\', da sonst eine Marktakzeptanz nicht erreicht werden kann. Warten wir also auf die Zeiten, in denen wir nahezu geräuschlos und abgasfrei durch die Städte und über Land gleiten werden - vielleicht kommen sie schneller, als wir jetzt glauben. Denn das Automobil wird auch künftig ein entscheidender Faktor der menschlichen Mobilität bleiben.
Erster PKW
Die Daimler-Benz AG, Stuttgart, hat in Berlin den ersten Pkw der Welt mit einer unter Alltagsbedingungen arbeitenden Brennstoffzelle - und damit ohne jeglichen Schadstoffausstoß - vorgestellt. Das Fahrzeug mit dem Namen \'NECAR II\' (New Electric Car) bezieht seine Energie aus der gesteuerten Reaktion von Wasserstoff- und Sauerstoffgas, bei der elektrischer Strom entsteht. Die neue Technik könnte nach Einschätzung des Unternehmens in 10 bis 12 Jahren eine echte und umweltfreundliche Alternative zu Fahrzeugen mit Otto- oder Dieselmotoren werden.
Millionen für die Forschung
Mit der Vorstellung des ersten Pkw mit einer Brennstoffzelle belege Daimler- Benz seinen Anspruch, auch während der kommenden technologischen Epoche die führende Position in der Fahrzeugentwicklung zu behalten, erklärte Helmut Werner, Vorstandsvorsitzender der Mercedes-Benz AG, Stuttgart. So werde Mercedes-Benz für Forschung und Entwicklung allein in den nächsten drei Jahren rund 11 Milliarden DM aufwenden. Das Forschungsfahrzeug \'NECAR II\' produziert keinerlei Schadstoffe. Aus dem Auspuff entweicht lediglich chemisch reinster Wasserdampf. Da \'NECAR II\' außerdem noch eine erheblich bessere Energie-Effizienz als batteriebetriebene Elektrofahrzeuge aufweise, sei es mit Abstand das umweltfreundlichste Automobil der Welt.
Vorzüge des Fahrzeugs
\'NECAR II\' könne sechs Personen befördern, fahre mehr als 100 km/h Spitze und beschleunige flott. Seine Reichweite betrage mit einer Gasfüllung über 250 km. Das Fahrzeug sei nicht nur schadstofffrei, sondern im Vergleich zu Autos mit Verbrennungsmotor auch sehr leise. Das vorgestellte Fahrzeug ist nach Angaben von Daimler-Benz auf Basis der neuen V-Klasse von Mercedes Benz entstanden, die ab September verkauft werde.
|