Unsere heutigen Symphonieorchester entwickelten sich aus den Privatkapellen der Adeligen nach 1800. Die Mitglieder waren früher ausnahmslos männlich. Erst ab Anfang des 20. Jahrhunderts waren einige Frauen zugelassen. Dieser lang verwehrte Eintritt in die großen Symphonieorchester war ein Kampf, der bis heute noch andauert.
Trotz qualifizierter Ausbildung war es vielen Frauen nicht erlaubt, in rein männlich besetzten Orchestern zu spielen. Sie mussten sich mit dem Unterhaltungssektor begnügen, der bedeutete, dass Musikerinnen in Restaurants oder Kinos spielen mussten, um finanziell überleben zu können. Aufgrund dieser unerfreulichen Situation wurden vereinzelt Frauenorchester gegründet, wie das Wiener Damenorchester Mitte des 19. Jahrhunderts, das aber trotzdem Männer im Blechblasbereich anstellte. Neben den anderen Orchestermitgliedern trug auch die Dirigentin eine Uniform, um die Seriosität des Orchesters nicht in Frage zu stellen. \"Sie wurden als exotische und zu belächelnde Variante der respektierten Männervereinigung gesehen\". Auch andere Frauen, wie z.B. Elisabeth Kuyper (1877-1953) haben versucht, Frauenorchester zu gründen, um die degradierende Stellung der Frauen, die ihr Geld mit Restaurantauftritten verdienen mussten, zu heben. Diese Versuche scheiterten aber meistens, weil finanzielle Probleme ohne äußere Unterstützung nicht zu bewältigen waren. Die Frauenorchester hatten im Ausland mehr Erfolg als im deutschsprachigen Raum.
So waren die Venezianischen Frauenorchester (18.Jahrhundert) in weiten Teilen der Erde bekannt. Sie bestanden aus Frauenchören und Frauenorchestern der venezianischen Konservatorien. Es waren 200 Mitglieder, hauptsächlich Waisenkinder, die miteinander musizierten. Die Konzerte waren bei vielen adeligen Zuhörern sehr beliebt. So schrieb Hofrat Joachim Christoph Nemitz 1726: Er kann sich nicht genug darüber \" verwundern daß (im Ospedale della Pieta) viele... auch in der Instrumentalmusik excelliren, und auf der Violin, Violoncello, Orgel, Tiorbe, ja sogar auf der Hautbois und Flöte en maitre spielen. Diese kirchliche Institution wurde leider aufgrund der Französischen Revolution nach und nach aufgelöst.
Aber nicht nur in Europa, sondern auch in den Vereinigten Staaten war die Situation für Frauen im Orchester nicht leicht. Frauen hatten auch dort keinen Zutritt in die \"gentlemen´s orchestras\". Ein Grund für den Ausschluss von Frauen in diesen Orchestern war schlicht und einfach ein ökonomischer, denn ein Posten für eine Frau, bedeutet einen weniger für einen Mann. Besonders eigen waren die Ansichten für Frauen, die es wagten, ein Holz- oder Blechblasinstrument zu spielen. Das hatte den völligen Ausschluss aus den üblichen Männerorchestern zur Folge, denn nur die Harfe durfte ab und an von einer Frau gespielt werden. Die einzige Lösung war die völlige Abtrennung von Frauen, die in den üblichen Orchestern spielen wollten. \"The solution was segregation\". Es gab zu dieser Zeit nur zwei Möglichkeiten für Frauenorchester: Entweder war es ein professionelles Orchester, das finanziell unterstützt wurde und bei Konzerten Eintritt verlangte, oder es war ein Orchester, das aus Amateuren bestand, die sich selbst finanzieren mussten und die teiweise keinerlei Möglichkeiten hatten, sich mit Eintritten selbst zu erhalten.
Aber auch Orchester, die versuchten, ihre Vorstellungen im Bezug auf Frauen im Orchester zu entschärfen, wurden von Musikkritikern stark angegriffen.
Es gab einige Vorurteile, die ich nicht vorenthalten will, denn sie trugen dazu bei, dass Frauen zu dieser Zeit in keinem Orchester eine Anstellung fanden.
Es wurde behauptet, dass Frauen im Allgemeinen schlechter spielen als Männer. Dieses Argument wurde oft in der Musikgeschichte gebraucht, um Frauen aus der Musik auszuschließen, und dennoch ist es sehr leicht zu widerlegen: Es mag möglich gewesen sein, dass Frauen schlechter gespielt haben als Männer, aber der Grund war, dass den Frauen früher die Möglichkeit verwehrt blieb, eine fundierte Ausbildung zu absolvieren. Diese Frauen, die dennoch die Fähigkeiten hatten, in einem Symphonieorchester zu spielen, waren echte Talente. Ein weiterer Grund, der immer mit Blechblasinstrumenten in Verbindung gebracht wurde, war die Annahme, dass Frauen nicht stark genug gewesen wären, eine Tuba oder andere schwere Instrumente zu halten und zu spielen. Dieses Argument wird in der heutigen Zeit leicht widerlegt, da es genug Frauen gibt, die Blechblasinstrumente spielen, sei es in kirchlichen Institutionen wie dem Posauenchor oder in anderen Orchestern. Die immer noch verstärkte Anzahl von Männern im Blechblasbereich liegt nicht am Ausschluss der Frauen in Orchestern oder am Unvermögen der einzelnen, sondern einfach am Desinteresse der Frauen, dieses, immer noch \"männliche\" Instrument, auszuüben.
Die Situation für Frauen im Orchester änderte sich nach dem 2.Weltkrieg. Die reinen Frauenorchester lösten sich auf und einige Musikerinnen wurden in kleineren, rein männlichen, Orchestern aufgenommen, die teilweise überhaupt nicht auf Frauen eingestellt waren. Es gab z.B. keine getrennten Umkleidekabinen oder Toiletten für Frauen. Dies zeigt deutlich, dass Frauen in die Welt der Männer eindringen und eingedrungen sind und dass Männer mit dem plötzlichen Auftreten der Frauen im Orchester nicht gerechnet haben.
Die Situation hat sich, meiner Meinung nach, bis heute wenig geändert. Bei den Moskauer Symphonikern sind, von 80 Mitgliedern, 5 Frauen angestellt, eine Kontrabassistin und 4 Streicherinnen (1978). Es herrscht eine allgemeine Angst, dass Frauen das Betriebsklima stören könnten, und dass das Orchester durch Frauen Qualität einbüßen und somit einen Prestigeverlust erleiden. Besonders besorgt sind einige Mitglieder der Berliner Philharmoniker. (Ein Orchestermitglied überlegt, wie es wäre, wenn eine Frau zu den Berlinern kommen würde): \"Ich wünschte mir, daß sie eben immer noch eine Frau bliebe, eine Dame, die sich mit der entsprechenden Sorgfalt bewegt und auch so behandelt würde\". Hier wird deutlich, wie sich Männer vor der Begegnung mit Frauen fürchten. Dieses Orchestermitglied vermutet wahrscheinlich, dass alle Frauen, die ins Orchester kommen, \"Mannweiber\" wären und damit dem Ansehen der ganzen Berliner Philharmoniker schaden würden. Ein weiterer Kollege zieht den visuellen Aspekt heran: \"Wie sieht denn das bloß aus, wenn da eine Frau dazwischensitzt\". Hier kann sich ein weiteres Mitglied nicht vorstellen, was die Frauen für ein negatives Bild zwischen den ganzen Männern hinterlassen. Vielleicht wäre die Angst von ihm genommen, wenn mehr Frauen dazwischensitzen würden, denn dann wäre die Garantie gegeben, dass einzelne gar nicht mehr auffallen würden. Auch Herbert Karajans Meinung über Frauen möchte ich nicht unterschlagen. Karajan gab in Peking während einer Pressekonferenz auf die Frage, warum es bei den Berliner Philharmonikern keine weiblichen Musiker gebe, die Antwort, dass Frauen \"in die Küche und nicht ins Symphonieorchester gehören\".
Man könnte bei diesen Aussagen regelrecht traurig werden, denn sie wurden nicht im letzten Jahrhundert gemacht, wo man derartige Zitate häufig finden kann, sondern sie stammen aus unserer Zeit. Und das ist noch viel entsetzlicher, dass Männer derart um ihre Existenz kämpfen, wenn Frauen in ihre Territorien eindringen.
Aber es wäre fast zu einfach, nur den Männern die Schuld an der Misere zu geben. Die Gesetzeslage, die eigentlich die Frauen schützen sollte, steht jetzt einigen Musikerinnen eher im Weg. Eine dieser gesetzlichen Fehlregelungen ist z.B. das Mutterschutzgesetz. Es verbietet Schwangeren das Arbeiten nach 20 Uhr. Die Folge für dieses Gesetz ist, dass viele Frauen gar nicht eingestellt werden, weil Konzerte meistens am Abend sind. Ein Ersatz für dieses ausfallende Orchestermitglied wird meistens aus finanziellen Gründen nicht engagiert. Dieses Gesetz ist aufgrund des Verbotes für Schwangere, meiner Meinung nach, völlig veraltet. Es sollte doch jeder Frau überlassen bleiben, ob sie sich in der Lage fühlt, als Schwangere Konzerte zu geben.
Im Bereich des Orchesters hat sich die Stellung der Frau im Bezug auf die Mitarbeit mit männlichen Kollegen sehr gebessert. Das Problem Beruf-Familie wird sich in der Zukunft hoffentlich noch ändern, da die Frau hier immer noch die Hauptlast trägt. Auch die Wiener Philharmoniker haben sich, wie man aus der Tageszeitung entnehmen konnte, seit kürzester Zeit bereit erklärt, Frauen ins Orchester aufzunehmen. Dies zeigt einen Schritt in die Zukunft, den andere Orchester, die immer noch keine Frauen aufnehmen wollen, einschlagen sollten.
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