Freimaurerei bedeutet Schulung an sich selbst, praktizierte Humanität und Toleranz und war in Wien nicht grundlos ein Zusammenschluß all jener, die ihre Arbeit im Geiste der Aufklärung verstanden, wie z.B. Wissenschaftler und Künstler, Schriftsteller und Mediziner, aber auch höhere Verwaltungsbeamten.
Doch Logentätigkeit ist kein Glaubensersatz, ist vielmehr Form praktiziertem christlichen Glaubens und ihrem Selbstverständnis nach auch nicht im Widerspruch zur Kirche. So gehörten ihr zahlreiche katholische Priester an, obwohl zwei päpstliche Bullen existierten die die Freimaurerei als Ketzerei verdammten.
In Wien war die erste Loge schon 1742 entstanden. Bis in die siebziger Jahre spielte das Logenwesen keine große Rolle, angesichts der vehementen Anfeindung von Maira Theresia6 kein Wunder. Seit 1776 waren die Wiener Logen als österreichische Provinzialloge zusammengefaßt. Um 1780 wird es in Wien etwa 200 Freimaurer gegeben haben, verteilt auf sechs Logen. Die Freimaurerei wurde durch den Alleinherrscher Joseph II. begünstigt, denn das Reformprogramm des Kaisers korrespondierte in deutlicher Weise mit den Gedanken der humanitären und aufgeklärten Freimaurerei.
Allerdings machten sich auch rosenkreuzlerische Tendenzen breit, was bald zu deutlichen Fraktionierungen führte. Die Rosenkreuzer betrachteten die Freimauererei nur als Vorstufe eine esoterischen Zirkels, der verschiedene Alchemie, Magie und Naturwissenschaft in einer Geheimwissenschaft vereinigte. Die "Asiatischen Brüder" waren sehr auf ihr Oberhaupt Freiherr Heinrich von Ecker und Eckhofen ausgerichtet und nahmen Juden auf.
Außerdem gab es in den verschiedenen Logen Einfluß der Illuminaten7, vor allem aber in der 1781 gegründeten Loge "Zur wahren Eintracht", die die bekannteste Loge Wiens wurde und bis heute fälschlicherweise synonym mit den Wiener Logen gesehen wird. Beherrschende Figur war Ignaz von Born, ein bedeutender Naturwissenschaftler, der unter den Wiener Gelehrten eine große Integrationskraft darstellte und über hervorragende Verbindungen in alle Gesellschaftskreise verfügte. Born wies sich mit einigen scharf gewürzten satirischen Schriften, insbesondere zum Mönchswesen, als ein erklärter Anhänger der josephinischen Reform aus.
Mit der Gründung einer österreichischen Landesloge 1784 bestanden für die Wiener Logen beste Voraussetzungen für eine glänzende Arbeit, zumal die höchsten Staatsbeamten und die überzeugtesten Anhänger der Reformpolitik des Kaisers sich seit Beginn der achtziger Jahre an der Logenarbeit beteiligten. Doch ein Versuch Kaiser Joseph II. selbst für die Freimaurerei zu gewinnen scheiterte.
Im absolutistischen Staat des 18. Jahrhunderts liegt im Bestehen auf einem nach außen gewahrten Geheimnis ein Politikum ersten Ranges. Denn alles gesellschaftliche Handeln bezieht sich letztlich auf den regierenden Fürsten als den obersten Souverän;
entsprechend kann und darf es keine Kräfte geben, die nicht im Herrscher ihren Bezugspunkt haben. Und vor ihm kann also auch kein Geheimnis geduldet werden, kein Sonderinteresse, das sich seinem Machtstrahl zu entziehen versucht. Das Wohl und Wehe jedes einzelnen hängt vom Herrscher ab und Joseph II. war überzeugt, allein dem Allgemeinwohl zu dienen.
Die Freimaurergesellschaften mit ihren verschiedenen Ausprägungen stellten die bekannteste, weitverbreiteste und darüber hinaus sogar international verbundene Geheimorganisation dar, die wegen ihrer allgemein gehaltenen Humanitätsgedanken geradezu wie ein Schwamm ihre Anziehungskraft bei allen kritischen und freigeistigen Intellektuellen dieser Zeit ausüben konnte. Die Logen bildeten so einen Freiraum eigenständiger Art, in dem eine freie Gemeinschaft von Gleichen unter Gleichen agieren konnte. In der Loge galt kein Gesetz als das selbstauferlegte, herrschte die nach außen geschützte freie Rede, auf Reisen bestand eine immer verläßliche Anlaufstelle zu Gleichgesinnten. Die Losung der Französischen Revolution von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit war hier vorweggenommen in einer gewissermaßen exterritorialen8 Kleingesellschaft inmitten jener Gesellschaft des absolutistischen Staates, die nur Herrscher und Untertan kannte. Dabei haben die Logengeheimnisse mit dem Staat oder Fürsten nichts zu tun. Da das freimaurerische Geheimnis nur durch Versprechen der Mitglieder zur Verschwiegenheit geschützt war, war es ein Leichtes an Informationen darüber heranzukommen, z.B. erschien kurzzeitig die Zeitschrift "Der Spion von Wien" mit teilweiser Aufdeckung aller drei Grade.
Allein durch die Verschwiegenheit stellten die Freimaurer so etwas wie einen Staat im Staate dar. Besonders auffällig wird dieser Charakter eines Staates im Staate bei der vollständigen Gleichheit der Freimaurer- "Brüder", der Aufhebung jeder Rang- und Herkunftsunterschiede.
Vor allem die Tätigkeit der Aufklärerlogen, in denen die Suche nach dem Licht in erster Linie das Licht der Aufklärung und der praktischen Vernunft meinte und nicht so sehr die Arbeit mit Symbolen, verknüpfte die Logenarbeit wieder stärker mit dem politischen und gesellschaftlichen Leben. Hierbei ging es vor allem um die Umsetzung von Begriffen wie Humanität, Toleranz, Wohltätigkeit. Für die sehr ehrwürdige Johanis-Loge zur Wahrheit in Wien heißt es als erster Grundsatz: "Die Maurerey in ihrer Verfassung ist eine demokratische Verfassung und jede Loge eine Demokratie." Mit dieser Formulierung wurde zweifellos nicht eine staatsrevolutionäre Tendenz der Loge zu beschreiben versucht, aber doch wird daran sichtbar, wie politische Begriffe in die Freimaurerei Eingang finden.
Ein hochgeachteter Aufklärer war Ignaz von Born, der versuchte Gleichgesinnte um sich zu scharen und damit seinen aufklärerischen Einfluß zu festigen. Er bemühte sich, die Loge "Zur wahren Eintracht" zu einer freimaurerischen Akademie der Wissenschaften und schönen Künste umzugestalten, als Vorläufer oder Ersatz für die geplante, aber bisher noch nicht zustandegekommene kaiserliche Akademie. Bis zu einem gewissen Grade ist es Born auch gelungen. Bei der Gründung (1781) hatte die Loge "Zur wahren Eintracht" 15 Mitglieder, nach zwei Jahren waren es bereits 96, und im Jahre 1785 vereinigte sie 197 Logenbrüder. Sie unterhielt das von Born begründete Naturalienkabinett, eine vor allem naturwissenschaftlich angelegte Bibliothek von 1900 Bänden und gab sogar eine naturwissenschaftliche Zeitschrift heraus, abgesehen von dem Journal für Freymaurer, das die Tendenzen dieser Loge unter den anderen österreichischen Logen zu verbreiten suchte.
Born war nicht nur Meister vom Stuhl seiner Loge, sondern zugleich auch Großsekretär der Landesloge und hatte damit Einfluß auf das Freimaurergeschehen in allen sieben Proviniziallogen oder den gesamten Erblanden. Mit allen Mitteln versuchte er, auf den leitenden Posten solche Freimaurer unterzubringen, die im politischen Bereich die Reformpolitik des Kaisers vertraten. In einigen Fällen wurden die politischen Provinzchefs und Gouverneure zu Provinzialgroßmeistern gemacht, in vielen Fällen erhielten sie die Würde eines Meisters vom Stuhl in ihren Logen.
Da aber nicht genügend Freimaurer für diese Tätigkeit vorhanden waren, war es Borns Vorhaben Regierungsvertreter, bevor sie in ihre Provinz abreisten, schnell noch in die Loge aufzunehmen und gleich zu Meistern zu befördern. Ähnliches galt für Reisende, wenn sie einflußreich zu sein versprachen. Ein Beispiel ist Leopold Mozart, der innerhalb von 16 Tagen aufgenommen und bis zum Meister befördert wurde.
Borns "Personalpolitik" war ganz eindeutig gegen die zur Schwärmerei neigenden Logenbrüder gerichtet und von sehr entschiedenen Vorstellungen über die Aufgaben der Freimaurer geprägt. So sehr mache seiner Einflußnamen bedenklich im Sinne freimaurerischer Zielsetzung sein mußten, so hatte Born der Freimaurerei eine ungeheure Zahl der bedeutendsten Köpfe zugeführt und ihr ein bisher ungekanntes öffentliches Ansehen verschafft.
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