Dimitri Hegemann, der heutige Betreiber vom Tresor am Potsdamer Platz, reist 1988 nach Detroit, um dort für seine kleine Plattenfirma \'Interfish Records\' die Industrial Band \'Clock DVA\' über \'Hard Wax Trax\' auf den amerikanischen Markt zu bringen. Im Austausch bekommt er ein Album mit dem Titel \'Deep into the Cut\' von \'Final Cut\', einer Gruppe, bei der auch \'DJ Jeff Mills\' mitwirkte. Dieser beeinflußt bis heute maßgeblich die Entwicklung von Techno. Diese Platte macht 1989 endgültig den Übergang von Industrial zu Techno hörbar.
1989 erscheint diese Platte in Berlin. Dimitri Hegemann veranstaltet zusammen mit Achim Kohlberger wiederholt das Atonal-Festival im Berliner Künstlerhaus Bethanien in Kreuzberg, doch diesmal spielt keine Band, sondern es treten DJs (u.a. \'Jeff Mills\' und der Berliner \'Cosmic Baby\') auf, deren Mischung aus spätem Industrial und jungem Techno bei den Gästen gut ankommt.
\"Plötzlich stand das Publikum im Mittelpunkt des Abends, von DJs umsorgt. Was mich begeisterte, war die frische Tanzeuphorie. Jahrelang hatte die Untergrungszene in Berlin nicht mehr richtig getanzt, bis auf die kleine Gruppe im UFO und in der Turbine Rosenheim. Atonal fand als Party statt, das war definitiv der Beginn einer neuen Geschichte.\"
Das Atonal-Festival brachte dem Publikum erstmals die Fusion von Industrial mit House-Elementen und moderner Tanzmusik näher. Die Berliner Szene wußte, daß es hier nicht um angelsächsische Importware handelte, sondern um etwas, was einst von hier abgesendet worden war und nun kulturell verarbeitet zurückschwappte. Alle Berliner Klangkünstler der Siebziger, die \'Einstürzenden Neubauten\' und der immense Einfluß von \'Kraftwerk\' kamen nun hier zusammen und wurden in einer neuentwickelten Form präsentiert. Die Techno-DJs und Musiker aus Detroit fanden in Berlin ein Publikum, das sie besser verstand als das amerikanische.
Atonal war der zündende Funke, der Techno in seiner rohen Form zu einer Untergrundkultur wachsen ließ, die in Berlin und Deutschland schon erste Wurzeln hatte. Die Parties hießen jetzt Techno-House-Parties, weil vielen der Unterschied zwischen Techno und dem noch discolastigen House nicht geläufig war.
\"Die Wurzeln des Techno sind amerikanisch, die Wurzeln des amerikanischen Techno wiederum deutsch. Doch nirgends hat sich diese neue Musikkultur so exzessiv und stilprägend entwickelt wie in Berlin nach dem Mauerfall.\"
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