Das blinde Kind
Von den Blinden nimmt man oft an, daß sie einen besonders ausgeprägten Gehörsinn haben, aber dies trifft nur teilweise zu. Die Natur beschenkt das blinde Kind nicht mit einem besseren Hörorgan, aber seine Behinderung zwingt es, eine außergewöhnliche Fähigkeit zum Zuhören zu entwickeln.
Blindheit beeinträchtigt nicht die zum Spiel eines Musikinstrumentes erforderlichen Bewegungen, da diese innerhalb der Länge der Arme erfolgen. Der Vorgang des Musizierens hilft dem Kind, ein geistiges Bild seines Körpers in Beziehung zum Instrument zu entwickeln. Es gibt keinen Grund, warum ein blindes Kind nicht ebenso gute musikalische Leistungen als das normale Kind erbringen kann.
Ein blindes Kind mag von Natur aus nicht empfänglicher für Musik sein, aber es wird so, weil Musik viele seiner emotionalen, geistigen und sozialen Bedürfnisse erfüllen kann.
Das blinde Kind kann sich, wie jedes andere, durch Musik voll ausdrücken, aber die Techniken müssen seiner Behinderung angepaßt werden. Wenn ein solches Kind besonders begabt ist, kann es vielleicht sogar Berufsmusiker werden (Stevie Wonder, George Nußbaumer, Andrea Boccelli).
Das blinde Kind braucht viel Konzentration, um die Technik zu erlernen, und seine Bemühungen sollten sorgfältig abgestuft werden, um Frustration zu vermeiden.
Musik kann für das blinde Kind ein vollständiges Medium des Selbstausdruckes werden, durch das es sich verständigen und sozial integrieren kann.
Das gehörlose Kind
Musik in der Erziehung des gehörlosen Kindes scheint ein paradoxer Vorschlag zu sein. Aber sie wird tatsächlich auf wissenschaftlicher und experimenteller Ebene von Spezialisten und Psychologen akzeptiert.
Klang ist für normale Menschen eine Wahrnehmung des Gehörs, aber die Wellen, die ein schwingender Körper produziert und durch die Luft überträgt, können uns auch auf anderem Wege erreichen. Sie können durch Haut und Knochen, die nicht zum Hörorgan gehören, gefühlt werden. Diese Wahrnehmung kann nicht mit dem verglichen werden, was wir hören. Aber sie befähigt das taube Kind zu der Klangwelt in Beziehung zu treten. Es kann sogar einige Elemente dieser Klangwelt, wie Rhythmus, Betonung, Tonhöhe, Lautstärke und Dauer wahrnehmen.
Es gibt heute nur noch wenige Kinder, die hundertprozentig taub sind, dies ist der Entwicklung von Hörapparaten, die die Klangwahrnehmung des tauben Kindes verbessern, zu verdanken.
Es ist für das gehörlose Kind auch mit der Hörhilfe oft schwierig, die Richtung des Klanges festzustellen. Deshalb wird es sich auf eine Live - Aufführung besser konzentrieren können als auf Wiedergaben von Tonträgern. Auch sollte die Musik in tieferen Lagen gehalten und mit starken Bässen versehen sein, da das schwerhörige Kind besser auf Töne niedriger Frequenz anspricht.
Die Wahrnehmung der Tonschwingungen macht dem gehörlosen Kind viel Freude, besonders wenn es sie selbst hervorgebracht hat. Das gehörlose Kleinkind sollte mit Musikspielzeug spielen, das ihm nicht nur ermöglicht, gewisse Töne wahrzunehmen, sondern auch Töne zu erzeugen, die es wahrnehmen kann.
Das Klavier, das ein großer Klangkörper ist, kann dem gehörlosen Kind seine erste Erfahrung mit Rhythmus und unterschiedlicher Tonhöhe vermitteln. Das Kind lehnt sich mit geschlossenen Augen an das Klavier oder legt seine Hand darauf; so kann es durch andere Sinneswahrnehmung geistig etwas aufnehmen und darauf kreativ reagieren.
Die Beschäftigung mit Musik ist wert - und wirkungsvoll. Dadurch kann das taube Kind soziale Kontakte und Gruppenaktivitäten pflegen. Hierbei kann es sich auch zwischen Menschen, die hören können, zum Ausdruck bringen. Dies hilft ihm, Selbstvertrauen zu gewinnen.
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