Die eigenartige Wechselwirkung von Politik und Oper tritt gerade in der Zeit der französischen Revolution in Erscheinung.
Am 05. Mai 1789 berief Ludwig XVI. eine Versammlung der Generalstände ein, eine Art Nationalparlament, da er vor hohen Schulden und wachsenden Unruhen stand. Es bestand aus Vertretern der drei Stände: Adel, Geistlichkeit und Bürgertum (3. Stand). Am 17. Juni erklärt sich der 3. Stand zur Nationalversammlung. Das war der erste Schritt zur Französischen Revolution. Gerüchte kamen in Paris auf, der König wolle die Versammlung auflösen lassen. Eine wütende Menge stürmte das Gefängnis Bastille. Die Revolution breitete sich aus.
Zur Zeit der Französischen Revolution fungierte die Oper als Spiegelbild und Sprachrohr der Nation. Durch die veränderten Ideale und Anschauungen musste sich dieses auch folgerichtig auf die Opernhandlungen auswirken. Zur Zeit des Ancien Régime[1] wurden durchgehend Inhalte antiker Sagengestalten, die Welt von Geistern und Göttern zur Grundlage der damaligen Opern genommen, da sie dem statischen Lebensgefühl des ruhenden Ancien Régimes entsprach. Mit Ausbruch der Revolution entstand die Revolutions- bzw. Schreckensoper, die die Schrecken des Ancien Régimes schildert, getragen von deren Idealen wie Tugend, Freiheit und Menschenwürde. Sie erwuchs um 1800 aus der bürgerlichen Aktualität der "Opera comique[2]". Die "tragedie lyrique[3]" wurde kaum beachtet, verschwand aber nicht völlig, da sie noch immer im Bewusstsein der Franzosen war.
Das Opernleben spielte sich zu dieser Zeit auf den Bühnen der Opera comique und dem Theatre Favart ab.
Besonders eindrucksvoll ist das Opernschaffen der Komponisten Luigi Cherubini (1760 - 1842), Jean Francois Le Suer (1760 - 1837) und Etienne Nicolas Méhul (1763 - 1817).
1793 erschien die erste Oper, die den Namen "Schreckensoper" verdient hatte, Le Suers "La Caverne". Die gesamte Atmosphäre der Oper wirkt sehr düster und ausweglos. Die Rhythmen und explosive Dynamik wurden aus der vorrevolutionären "Opera comique" übernommen. Charakteristisch für diese Oper sind die Chorrufe, Fanfarenklänge und Trommelwirbel. Ziel ist das Beibehalten der Dramatik der gesamten Handlung.
Auch die Werke Cherubinis, z.B. "Le Deux Journées" (1800) (Der Wasserträger), liefen in die gleiche Richtung. Beide Komponisten komponierten weitgehend in parallelen Bahnen.
"Der Wasserträger" zählt zu den Hauptwerken der Revolutionsoper. Inhaltlich geht es um den Gedanken der Menschlichkeit. Micheli, der Wasserträger, bietet dem Grafen Armand und dessen Frau Constanze Unterschlupf, da sie der Verfolgung des Kardinals Mazarin ausgesetzt sind. Micheli verhilft schließlich beiden zur Flucht aus der Stadt. Die Vorlage zu diesem Werk lieferte J.-N. Bouilly, der französische Revolutionsrichter und Staatsanwalt. Das Werk wurde als Opéra Comique angelegt. Es ist ein im bürgerlichen Milieu handelndes Singspiel mit gesprochenen Dialogen. Der revolutionäre Optimismus, dass die gerechte Sache siegen würde, bestimmt das vorwärtsdrängende Tempo der Ouvertüre. Im weiteren musikalischen Verlauf treten kleiner Formen wie das Lied anstelle der Arie, die das neue Lebensgefühl zum Ausdruck bringen soll.
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