Leo Castelli wurde am 4. September 1907 als Sohn eines jüdischen Bankangestellten aus Ungarn und der reichen Erbin Bianca Castelli im damals noch österreichisch-ungarischen Triest geboren. Während dem 1. Weltkrieg wohnten sie in Wien, weshalb Leo perfekt deutsch sprach. Er studierte Jura in Mailand, arbeitete im Versicherungsgeschäft in Triest, später in Bukarest. 1933 heiratete er Ileana Schapira, später gingen sie nach Paris, wo die Familie Kontakte zu Surrealisten wie Max Ernst oder Salvodor Dali knüpfte. 1939 eröffnete Castelli zusammen mit seinem Freund, dem Architekten und Innendekorateur René Drouin eine Galerie an der mondänen Place Vendôme. Der Krieg bereitete dem Handel mit modernen Möbeln und Dekorationsgegenständen sowie surrealistischen Werken ein Ende. 1941 übersiedelten sie nach New York. Castelli bildete sich an der Columbia Universität in Geschichte weiter. Bald darauf meldete er sich zur US-Army, wo er bald dem intelligence-service zugeteilt wurde. Die Behörden belohnten ihn für seine Dienste mit der Verleihung der amerikanischen Staatsbürgerschaft.
Castelli bildete sich selbständig weiter, sammelte nicht nur Kunst, sondern verkaufte auch Gemälde und trug 1951 zur Finanzierung der Ninth Street Show in New York bei, der große Bedeutung bei der Durchsetzung des Abstrakten Impressionismus zukommt. Castelli strebte danach, junge Künstler zu entdecken. Er eröffnete im Alter von 50 Jahren in seinem Wohnzimmer eine eigene Galerie, angeregt durch die Begegnung mit Jasper Johns und Robert Rauschenberg. Die amerikanische Kunst und insbesondere New York lösten definitiv Paris als Kunstzentrum ab. Castelli trug entscheidend zur Akzeptanz der amerikanischen Kunst in der Welt bei. Dabei half ihm, dass er kultiviert, kosmopolitisch und polyglott war, ein Europäer der High Society, verheiratet mit einer vermögenden Frau.
Castelli war einerseits ein Mäzen, der junge Künstler jahrelang durch monatliche Stipendien unterstützte, ohne auf den sofortigen Profit zu achten. Anderseits verstand er es, sich ein umfassendes Beziehungsgeflecht zu schaffen. Dazu gehörten Kontakte zu Museen, denen er großzügig Werke schenkte und so Öffentlichkeit für seine Künstler schuf. Berühmt geworden ist der Ausspruch von de Kooning: \"You could give that son of a bitch two beer cans and he could sell them.\" Jasper Johns goss daraufhin zwei Bierdosen in Bronze, die Castelli tatsächlich umgehend an einen Sammler verkaufen konnte. Leo war der beste Kunstpromoter der Nachkriegsgeschichte. Dank ihm gewann mit Rauschenberg 1964 erstmals ein amerikanischer Künstler an der Biennale in Venedig den International Grand Prize for Painting.
Er entdeckte und zeigte als erster in Einzelausstellungen die Werke von Jasper Johns, mit dessen Ausstellung er sich ein Jahr nach der Gründung der Castelli Gallery die finanzielle Zukunft sicherte, sowie Frank Stella und Roy Lichtenstein. Die flags, targets, numbers von Johns sowie die Rauschenberg-Ausstellung wenig danach, die one-man-shows dieser Künstler führten zu Ankäufen durch das Museum of Modern Art sowie zu Artikeln in Zeitungen und Kunstmagazinen. Eine neue Kunstrichtung war geboren. Er zeigte Roy Lichtenstein, Andy Warhol, Claes Oldenburg. Castelli widmete sich Malern und Plastikern, die er von Beginn ihrer Karriere an betreuen konnte. Er verstand es, zu Künstlern ein gutes Verhältnis aufzubauen. Er war in der Lage, neue Kunstströmungen, neue Trends aufzuspüren und ihre besten Repräsentanten herauszufiltern. Castelli öffnete sich Mitte der 60er Jahre, nachdem er den Abstrakten Expressionismus und die Pop Art gefördert hatte, dem Minimalisums und dem Konzeptionalismus.
Nach einer Phase der Stagnation schloss er ab 1981 Allianzen mit einigen Künstlern, verlor aber immer mehr Künstler an die Konkurrenz. Einzelne Maler und Plastiker klagten, Leo promote vor allem Jasper Johns und Roy Lichtenstein und vernachlässige die andern Künstler unter seinen Fittichen. Nach der Ermordung Andy Warhols 1987 und mit dem Einsetzen der Wirtschaftskrise Ende der 80er Jahre ging es auch seiner Galerie schlechter. Robert Rauschenberg und Frank Stella unterhielten nur proforma Beziehungen zu Castelli Auch die Minimalisten kehrten Leo den Rücken, in jenen Jahren verlor er seine gesamte Minimalistische Künstlergruppe.
1990 richtete Castelli den alle zwei Jahre vergebenen \"Leo Award\" ein, mit dem Leistungen für die Gegenwartskunst ausgezeichnet werden. Am 21. August 1999 schließlich verstarb er im Alter von 91 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit.
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