Der Verkauf seiner Werke aus der “Rosa Periode” an den Galeristen Ambroise Vollard ermöglichte ihm 1906 erstmals ein einigermaßen sorgenfreies Leben. Derart abgesichert wagte sich der Maler 1907 an sein erstes Experiment. Er malte die “Mädchen von Avignon (Demoiselles d´Avignon)”. Das Bild schockierte durch die Verzerrung und Zerstückelung der Figuren und des Bildraumes. Auf der Suche nach ausdruckssteigernden malerischen Mitteln fand er wie viele seiner Zeitgenossen die sogenannte “primitive” Kunst Afrikas, den archaisch anmutenden Masken und Plastiken der Südsee sowie die iberische Skulptur. Dieses Formvokabular findet sich in den “Mädchen von Avignon” wieder. Mit einem System von scharfen Linien und Schraffuren zerlegt er die Gesichter und Körper und formuliert damit erstmals die kubistische Auffassung, Volumen grundsätzlich als Rhythmen von Flächen wiederzugeben. Insofern bildet das Gemälde “Mädchen von Avignon” den Auftakt zum Kubismus. Stets betonte er die Eigengesetzlichkeit eines Kunstwerkes, indem er sich über jeglichen Abbildrealismus erhob und ein Bild allein nach innerbildlichen Gesetzen komponierte. So wurden in den kubistischen Bildern die Gegenstände zerlegt und neu in
Form abstrakt wirkender, kristalliner Gebilde oder in synthetischen, nach formalästhetischen
Kriterien vorgenommenen Neuschöpfungen wieder zusammengesetzt. Zwischen 1912 und 1914 integrierte Picasso in seine kubistischen Bilder Realien wie Zeitungspapierschnipsel oder Tapetenreste und erfand so die Collage. Wurden am Anfang des Kubismus Gegenstände auseinandergenommen um anschließend neu wieder zusammengesetzt zu werden, so wurden sie nun völlig frei mit Objekten aus der realen Welt neu gestaltet, gleichsam synthetisch hergestellt. Von der Periode ab 1912 spricht man daher vom “synthetischen Kubismus”, während die Anfangsjahre “analytischer Kubismus” genannt werden.
Während des ersten Weltkrieges arbeitet Picasso mit Diaghilew in Rom zusammen. In dieser Zeit lernt er auch seine erste Frau Olga Koklowa kennen. Ab 1920 beginnt Picasso seine neoklassizistische Periode mit der er zugleich den Kubismus wieder aufnimmt. Die neoklassizistische Phase scheint im Widerspruch zu den lyrisch-zarten Bildern der “Rosa Periode” oder etwa den empfindsamen Bildnissen seiner Frau Olga bzw. seines Erstgeborenen Paolo (1924) zu stehen.
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