Begriff
Der Jugendstil (auch \"Art Nouveau\" oder Sezessionsstil genannt) unternimmt im wesentlichen den Versuch, eine zeiteigene Ornamentik zu schaffen. Trotz seiner Kurzlebigkeit ist der ganz Europa erfassende Jugendstil von größter Bedeutung, weil er die historisierenden Formen überwand. Er setzte an deren Stelle ein extravagantes kurviges Linienspiel, das an pflanzliche Formen erinnert (florale Richtung) oder ungegenständlich ist (abstrakte Richtung). Bevorzugtes Material: Das biegsame Eisen eignete sich besonders gut für das Kurvenspiel des J.
In Wien, einem der be¬deutendsten Zentren des Jugendstils, bewirkte der Einfluß des Wagnerschülers Josef Hoffmann (1870-1956; öst. Architekt, Schüler von Otto Wagner, Begründer der Wiener Werkstätten) eine strengere Variante, bei der dem Quadrat eine besondere Bedeutung zukam. Die Beschränkung auf den noblen Schwarzweißkontrast unterstrich noch die puristische, rational-¬ästhetische Note der Wiener Sezessionskunst. Hoffmanns berühmtester Bau, für den er auch die Innenausstattung entwarf, steht in Brüssel (\"Speisezimmer im Palais Stoclet\").
Zu den bedeutendsten Leistungen Hoffmanns gehört die Errichtung der \"Wiener Werkstätten (1902), in denen nach engli¬schem Vorbild künstlerisch vollendeter Hausrat hergestellt wurde und die in ihrem 70jährigen Bestehen Weltruf erlangten. Natürlich blieb auch Wien nicht frei von den überschwenglichen Formen des Jugendstils. Während sich Wagner schon bald vom Jugendstil löste und in seinem Spätwerk zu fast schmuckloser Fassadengestaltung überging, vergaßen die von ihm aus¬gebildeten Architekten über ihrem erfindungsreichen Dekorationsspiel oft die von ihnen selbst propagierte Materialge¬rechtheit und Zweckmäßigkeit.
Wien besitzt in dem von Josef Maria Olbrich (1867-1908; öst. Architekt, Schüler Otto Wagners, nach seiner Wiener Zeit hauptsächlich in Darmstadt tätig) für die Wiener Secession (Abspaltung einer Künstlergruppe von einem bestehenden, der Tradition verhafteten Künstlerverband. Die Bezeichnung ist jedoch nur im deutschen Sprachraum üblich. Die erste \"Sezes¬sion\" entstand in München (1892), Wien folgte 1897 unter der Führung von Klimt, dann Berlin (1899)) errichteten \"Aus¬stellungsgebäude am Naschmarkt\" (1898) ein repräsentativer Bauwerk des Jugendstils. Der kubische, nur spärlich mit Ju¬gendstildekoration verzierte Bau kündigt bereits die moderne Baugesinnung an, obwohl die Symmetrie noch zu ihrem Recht kommt und eine Kuppel den Bau bekrönt (von den Wienern respektlos \"das goldene Krauthappel\" genannt).
Lineament und Dekorationsfreude des J. zeigen sich bisweilen auch in der bildenden Kunst. Wien besaß in Gustav Klimt (1862-1918) einen bedeutenden Meister der Jugendstilmalerei. Keine natürlichen Umrißlinien, sondern die eigenwilligen, spannungsreichen Kurven des Jugendstils konturieren den \"Kuss\", eines seine bekanntesten Werke.
Gustav Klimt: Führte zunächst, unter dem Einfluß Makarts und des Historismus stehend, Wand- und Deckengemälde aus (Wien, Kunsthistorisches Museum). Von 1898 an entwickelte er seinen neuen Stil, der ihn zum Hauptvertreter der österreichischen Jugendstilmalerei machte. Seine aufsehenerregenden Deckengemälde-Entwürfe für die Wiener Universi¬tät (1900-1903) fanden nicht den Beifall des Publikums. 1904 trat er aus der von ihm mitbegründeten Sezession aus und malte zurückgezogen und von seiner Umwelt größtenteils unverstanden symbolistisch-allegorische Kompositionen, zahlreiche Damenporträts und impressionistisch-dekorative Landschaften. \"Der Kuss\" (1908)
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