Die amerikanische Pop Art entstand in den 50er Jahren aus dem neu erwachten Selbstbewusstsein, mit dem sich die amerikanische Kunst gegenüber Europa behauptete. Der inhaltliche Impuls kam aus dem Amerikanismus. Der Fortschritt, die Medienindustrie, das Star-System florierten in Hollywood und vor allem in New York.
In der Generation vor der Pop Art entstanden neue, zeitbezogene, realistische Tendenzen, die wegweisend für die amerikanische Kunst der 60er Jahre waren. Aus den gesellschaftlichen Veränderungen heraus löste sich die Künstlerschaft einer jüngeren Generation die abstrakt-expressive Malweise der 50er Jahre, deren Entfaltung und Erfolg sie teilweise auch als Schüler miterlebt hatte, durch eine gegenwartsbezogene Kunst ab.
Den Ausgangspunkt für die vielfach einsetzenden Diskussionen und Experimente bildeten zum Beispiel die Technik der Collage und der Assemblage, die Verwendung trivialer Bildmittel aus dem Konsum- und Medienbereich, die direkte Einbeziehung äußerer Wirklichkeitsebenen in das Bild oder Objekt des Künstlers. Jedoch ging es dabei nicht primär um den Stellenwert trivialer Erzeugnisse für die Kunst, sondern eher darum, wie man deren künstlerischer oder gestalterischer und inhaltlicher Tragweite gerecht werden kann und wie man den Medienerzeugnissen künstlerisch begegnen könnte.
Man stellte sich die Frage, inwieweit man Kunst selbst trivial machen kann, um Trivialität zu entlarven. Die New Yorker Künstler nahmen sich also dieser Fragen an und kamen dabei zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen und ungewöhnlichen Bild- und Objekterfindungen. Auch Veränderungen in der Entwicklung dieser Zusammenhänge spürten sie auf und gingen immer wieder neuen Perspektiven nach.
Die amerikanische Pop Art bildete sich in 4 Phasen, in denen die Künstler der gesellschaftlichen Herausforderung ihrer Epoche unterschiedlich begegneten:
Die 1. Phase ist die Vor-Pop-Phase, in der sich Rauschenberg und Johns vom abstrakten Expressionismus trennen.
Dann folgt die Hochphase der Pop Art: Wichtige Künstlerpersönlichkeiten tauchen auf (Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg..), deren Werk in den 50er Jahren fußt und auch teilweise auf Erfahrungen mit Gebrauchsgrafik, Design und Plakatmalerei aufbaut. Diese Künstler arbeiteten unabhängig voneinander Konzepte aus, mit denen sie versuchen, den einzelnen Gegenstand, die einzelne Person zum Träger einer allgemeinen Aussage zu machen.
Durch verschiedene Ausstellungen gefördert, ist diese Pop Art Produktion in New York schon früh - trotz deutlicher Gegenstimmen - als neue Kunstrichtung anerkannt und erfolgreich. Doch zu den Ausstellungen kommen auch Aktivitäten wie Happenings, Theateraufführungen, Gegendemonstrationen und Straßenaktionen.
In der nächsten Phase, Mitte der 60er Jahre, ist die Pop Art bereits weit verbreitet, inhaltlich, gestalterisch und stilistisch modifiziert und erweitert, zeigt aber oft auch rückfällige Neigungen in der Anwendung traditioneller Darstellungsmittel. In dieser Phase verbreitet sich die Pop Art von New York bis Kalifornien und Kanada und später nach Europa, wo England schon lange seine eigene Pop-Tradition hatte.
Sehr schnell entwickelte sich in der Bevölkerung - bei allem Widerspruch - auch eine euphorische Begeisterung für Pop mit geradezu kultischen Ausmaßen. Das Ironische, Amüsante, Unterhaltsame, Verspielte an den Bildern und Objekten konnte auch vom Konsumenten affirmativ missverstanden werden.
"Das Schlimmste ist der Pop Art wohl von ihren Bewunderern zugefügt worden." Sagte Tom Wesselmann 1963, und er meinte damit jene oberflächlichen Komsumgewohnheiten, mit denen selbst solche Bilder rezipiert wurden, die gerade diese reflektierten und zu irritieren suchten. Diese Erfahrung resultiert aus der Offenheit des Pop, die an die Selbstanalyse des Betrachters appelliert. Und da die Künstler den gezeigten Dinge mit einer Art Hass-Liebe gegenüberstanden bzw. von dem Alltäglichen, das sie analysierten, fasziniert waren, war dieser Nebeneffekt durchaus nachvollziehbar.
Ein weiterer Hintergrund für diese Erfahrung mit der Pop Art ist die Werbesprache, die die Künstler, aufgrund ihrer erlernten Berufe, beherrschten und auch gestalterisch einsetzten. Der professionelle Umgang mit den Darstellungstechniken verführte dazu, ihre Bildersprache tatsächlich wie Werbesprache wahrzunehmen. Hier setzte auch eine neue Industrie an, die des kommerziellen Pop, die Industrie der Pop-Nippes; entsprechend wuchs der Einfluss der Pop Art auf die kommerzielle Werbung (bis heute noch), von der sie ja ihrerseits geprägt war. Die künstlerische Distanz zu den trivialen Dingen war zu gering, um diese durchschaubar, kritisch wahrnehmbar zu machen, um Spannungen zu erzeugen und den Rezipienten dann die der eigenen Lust an Oberflächlichkeit, Glätte und Luxus zu ertappen. Deshalb war die kommerzielle Weiterverwertung der Pop Art eine ziemlich logische Folge, da sie ja jenen wirtschaftlichen Interessen diente, auf die sie sich selbst bezogen hatte.
Die Pop Art ging erfolgreich ihren Weg, die Künstler modifizierten und präzisierten ihr Konzept weiter und reagierten auf die wirtschaftlichen Verschleißformen des neuen Industrie-Pop (Warhol signierte Campbell-Dosen).
Jeder der Künstler erläutert auch ihre neuen Perspektiven:
. Claes Oldenburg beschreibt seine Intentionen, die Herstellung, Bedeutungsebenen, Projektvorstellungen sowohl in den Skizzen als auch in Begleittexten und ergänzenden Statements.
. Roy Lichtenstein doziert und interpretiert Zeit, Gesellschaft, Mode, Kunst, Kunstgeschichte und sich selbst
. Jasper Johns analysiert, philosophiert und theorisiert.
. Andy Warhol irritiert, indem er sich eindeutiger Stellungnahmen entzieht, er glossiert und sagt möglichst immer das gleiche, interviewt die Interviewer und verstellt sich. Er bleibt sozusagen die Sphinx unter der Pop Art und vertritt den offenen Medienbegriff und die Anonymität, die Entpersönlichung des Künstlers, die auch die anderen Kollegen propagierten, am konsequentesten und extremsten. Er verkörpert das Künstlertum und Selbstverständnis des Pop-Stars innerhalb der damaligen Kunstwelt.
Doch auch der Markterfolg und das Missverstandenwerden gehören zur künstlerischen Strategie. Der Rezipient kann nach dem Sinn fragen, den die Bilder und Statements verweigern. Er kann sich fragen, ob die Künstler eine sozialkritische Haltung eingestehen wollen, um vom Vorwurf der gesellschaftspolitischen Gleichgültigkeit freizukommen und einer kunst-gesellschaftlichen Erwartungshaltung zu entsprechen.
Außerdem gab es auch eine Anti-Pop Gruppe mit dem Namen "No" (1958), die sich gegen die imageträchtigen und schablonenhaften Tendenzen einiger Künstler der Pop Art wandten. Ihre Kunst ist aggressiv, chaotisch, kritisch, politisch, wütend; Sie agieren mit Schock- und Horroreffekten, schaffen aktionistisch angelegte Environments, gekoppelt mit Flugblättern, Statements, Veranstaltungen, Straßenaktionen, Happenings gegen vermeintliche affirmative Tendenzen der Pop Art.
Die weiten Kreise, die die Pop Art gezogen hatte, wirkten auf Künstler aller Welt wie ein Sog. Viele ließen sich in ihrem Schaffen beeinflussen und versuchten die großen Pop-Art Künstler zu imitieren.
In Los Angeles entwickelte sich bereits Anfang der 60er eine Subkultur der Pop Art, mit einer Leichtigkeit, Lockerheit und Sinnlichkeit der Thematik und der flüssigen und buntfarbigen Gestaltungsweise ihrer Bilder und Objekte entsprachen sie der Westküsten-Mentalität. Dieses eroberte später als Hippie-Kultur die ganze Welt - zusammen mit alternativen Wohn- und Lebensformen.
In der 2. Hälfte der 60er Jahre verschärften sich in den Vereinigten Staaten die realistischen Tendenzen des Pop, und zwar vorwiegend in Malerei und Skulptur und deren traditionellen Darstellungsstrukturen. Das Problem der Beziehung zwischen Abbild und Wirklichkeit war nicht durch die Verwendung von Objekten oder Medien-Images entstanden, sondern durch die herkömmlichen, extrem zugespitzten Gestaltungsstrukturen:
Diese Stilrichtung fügte sich als "New Realism" in die realistischen Tendenzen der Kunstgeschichte ein. Als "Hyper-Realismus" entlarvt sie ihre übernaturgetreue Wirklichkeitswiedergabe und illusionistischen Effekte, die bereits tief in der Kunstgeschichte verankert sind. Der Begriff "Radikaler Realismus" verweist auf das Bewusstsein der Künstler für die Grenzen ihrer Darstellungsmöglichkeiten, an die sie gegenüber einem Abbild gelangen könnten. Als "Fotorealismus" zeigt dieses künstlerische Medium die Konkurrenz der Malerei mit der Fotografie bis hin zur konzeptionellen Durchleuchtung fotomechanischer Abbildungsprozesse und ihrer Wirkungsweisen.
Während sich die Pop Art weiter verbreitete, gab es in Amerika einige Tendenzen, die die neuen künstlerischen Ideen sehr unterschiedlich weiterverarbeiteten. Vor allem in der figürlichen Skulptur sowie im Environment zeigen sich Perspektiven, die nicht unmittelbar mit der Pop Art in Verbindung gebracht werden können.
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