Die Gründung der neuen Kunstgewerbeschule erfolgte 1919, wie schon oben geschildert. Gropius berief die Maler Lyonel Feininger und Johannes Itten sowie den Bildhauer Gerhard Marcks an das Bauhaus. Bis 1922 sollten Georg Muche, Oskar Schlemmer, Lothar Schreyer, Paul Klee und Wassily Kandinsky folgen.
Die Gründungsphase ist gekennzeichnet durch Konflikte. Zum einen erwies sich die anfänglich natürlich große Heterogenität des Lehrkörpers als Problem - auf der einen Seite stand der akademische Lehrkörper, dem das Bauhaus-Programm teilweise viel zu progressiv schien, auf der anderen Lehrer wie Feininger oder Itten, die der damaligen Künstler-Avantgarde angehörten.
Auch die duale Leitungsstruktur der Werkstätten sollte sich als Grund für Konflikte herausstellen. Jeder Werkstatt standen zwei Leiter vor: ein künstlerischer Leiter, der sogenannte "Meister der Form" und ein Handwerker, der "Meister des Handwerks". Gropius schrieb darüber später:
"es war notwendig, unter zwei verschiedenen lehrern zu arbeiten, denn es gab weder handwerker, die genügend phantasie hatten, um künstlerische probleme zu meistern, noch künstler, die ausreichende technische kenntnisse besaßen, um als leiter von werkstattabteilungen zu arbeiten. Zuerst mußte eine neue generation ausgebildet werden, die fähig war, beide eigenschaften zu vereinen."
Durch diese Form der Leitung sollte, so Gropius, die " die hochmütige Mauer zwischen Künstler und Handwerker fallen" und die manuellen und die künstlerischen Fertigkeiten der Studenten gleichzeitig gefördert werden. Es stellte sich aber heraus, daß die Formmeister den Handwerksmeistern nicht gleichgestellt waren: Im "Meisterrat" waren nämlich nur die Künstler vertreten - dem Handwerker wurde lediglich beratende Funktion zuerkannt. Obwohl Gropius im Bauhausprogramm von 1919 seine Hochschätzung des Handwerks zum Ausdruck brachte und die Programmatik auf eine Entromantifizierung des traditionellen Künstlerbilds zielte, kam dem autonom schaffenden Künstler die Priorität zu.
Einer schweren Krise war das Bauhaus in seinen ersten Jahren durch den Gropius-Itten-Konflikt ausgesetzt, der sich schon beim Bau des "Haus Sommerfeld" zeigte und der erst 1923 mit dem Austritt Ittens beendet wurde. Wick nennt diesen Streit einen "Konflikt zwischen autonomem Künstlertum und sozialverpflichtender Gestaltungsabsicht."
Magdalena Droste beschreibt Itten in ihrem Buch über das Bauhaus folgendermaßen:
\"Von seinen Schülern wurde Itten als "Meister" tief verehrt. Er trug die selbstgenähte Bauhaustracht: eine trichterförmige Hose, die oben weit und unten eng geschnitten war. Dazu eine hochgeschlossene Jacke, die von einem Gurt aus demselben Stoff zusammengehalten wurde. Ittens Schädel war kahlrasiert. [...].\"
Er war außerdem Anhänger der damals in Deutschland verbreiteten Mazdaznan-Lehre, zu deren Praxis vegetarische Ernährung, regelmäßiges Fasten, eine Atem- und Sexuallehre sowie zahlreiche Gesundheitsvorschriften gehörten.
Der wichtigste Streitpunkt war die Tatsache, daß Itten die Auftragsarbeit grundsätzlich ablehnte. Das höchste Ziel der Bauhausausbildung war für ihn die Erziehung zu einem kreativen, mit sich und der Welt harmonisierenden Menschen. Gropius befürchtete hierbei einen Rückzug in den Elfenbeinturm der Kunst, der mit den Leitzielen des Bauhauses nicht vereinbar war; sein Grundanliegen war es, dem Künstler einen neuen Platz in der Gesellschaft zu geben. Zudem hatte die Auftragsarbeit schon vor der Bauhausgründung zu den zentralen Ideen Gropius' gehört. Er hatte beständig den Kontakt zu möglichen Auftraggebern gesucht. Als er die Werkstatt für Tischlerei mit der Bestuhlung des Stadttheaters in Jena beauftragte, reichte Itten die Kündigung ein. So wurde der Weg frei für eine neue Erziehung, in deren Mittelpunkt nicht mehr der einzelne Mensch stand, sondern die Schaffung neuer, industriegerechter Produkte. Die Handarbeit und das Handwerk verloren mit seinem Weggang an Bedeutung.
|