Zu seinen berühmtesten und erschütterndsten Arbeiten gehört das monumantale Gemälde "Guernica", das er für den spanischen Pavillion der Weltausstellung in Paris malt. Das spanische Städtchen Guernica wurde im April 1937 durch das faschistische Franco-Regime mit Unterstützung deutscher Truppen bombardiert und innerhalb von nur einer dreiviertel Stunde dem Erdboden gleichgemacht. In seinem anklagenden Bild bringt er das Entsetzen, die Betroffenheit und Trauer, die dieses grausame Ereignis bei ihm auslöste, zu Ausdruck. Auf den ersten Blick verwirrt die Vielfalt an splitterigen Formen. Man gewinnt den Eindruck des Chaotischen: Zu sehen sind Köpfe von Tieren und Menschen, zum Teil mehransichtig (kubistisches Prinzip), deformierte Gliedmaßen, heftige Gebärden und angstvoll aufgerissene Augen und Münder bzw. Mäuler.
Picasso beschränkt sich in der "Farbgebung" auf Schwarz, Weiß und Grau. Die scharfkantig-flächigen Formen werden durch die Komposition zusammengehalten. Ein großes gedachtes Dreieck, dessen Spitze sich oben in der Bildmitte befindet, bestimmt den Aufbau. Es erinnert an das Tympanon des griechischen Tempels. Der Gedanke an die Antike wird auch durch das grell beleuchtete Profil eines Frauengesichtes wach, das klassisch anmutet. Mit einer heftigen Geste stößt die Gestalt von "außen" in den dunklen Kellerraum, eine Kerze in der Hand. Sie bringt Licht, hellt auf, was im Dunkeln geschehen ist und nicht verborgen bleiben darf. Eine Mittelachse teilt das Bild in der Senkrechten. Zu beiden Seiten des bestimmenden Dreiecks sind vor dunklem Grund Figuren angeordnet, welche die Vertikale betonen und das Bild seitlich rahmen. Zerklüftete Formelemente und ein durchgehender Bewegungszug von rechts nach links wirken jedoch stärker als die festigende Struktur und sind für den dramatischen Ausdruck verantwortlich. Die Szene spielt sich in einem Innenraum ab. Ein kleines Fenster zeigt nach außen. Flammen werden darüber sichtbar. Fremdartig muten in diesem Raum der Stier und das Pferd an. Die Assoziation "Stierkampf" drängt sich als Symbol für die spanische Nation unwillkürlich auf. Das Pferd im Zentrum wird von der über seinem Kopf befindlichen elektrischen Birne angestrahlt. Den Hals nach links verrenkt, scheint es zu brüllen. Der Körper ist überzogen von kleinen schwarzen Strichen, die an Buchstabenzeilen erinnern. Der Stier steht unbeweglich und kraftstrotzend da und gemahnt an den menschenverschlingenden Minotaurus der griechischen Mythologie. Eine verzweifelte Mutter streckt ihr Gesicht zum Kopf des Stieres hin. Sie bäumt sich auf, das Kind in ihren Armen ist zurückgesunken, denn es ist tot. Auf den Boden hingestreckt liegt ein Soldat, von Wunden übersät. Das Schwert in
seiner Rechten ist zersplittert, aus seiner Hand wächst eine Blume: ein zartes Zeichen der
Hoffnung. Der Krieger könnte aber auch eine am Boden zerschmetterte Statue sein. Von
rechts schleppt sich eine verletzte Frau herein, die Beine dick, schwer und unförmig. Im rechten "Seitenflügel" stürzt eine brennende Frau in den Kellerraum.
Picasso war nicht Augenzeuge des Bombardements. Die Meldung von dem Geschehen entnahm er der Zeitung. Daher ist "Guernica" nicht als eine Bildreportage zu verstehen, sondern als ein von Picasso gesetztes Zeichen für das grauenhafte Geschehen, das sich noch tausendfach wiederholen sollte. Die Eindringlichkeit, mit der das Leid der Zivilbevölkerung gezeigt wird, löst Erschütterung aus.
Für Picasso war es selbstverständlich, als Maler politisch Stellung zu beziehen. 1944 wurde er Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs. 1946 gelangt Picasso in die Riviera, wo er fortan lebt. Er beginnt mit keramischen Arbeiten in Vallauris. In den 50er und 60er Jahren beschäftigte sich Picasso vor allem mit der Graphik. Er fertigte Plakate, Lithographien, Radierungen und Zeichnungen. Darüber hinaus entstanden Gemälde nach berühmten Vorbildern wie Velázquez´ Las Meninas oder Manets "Frühstück im Freien", die Picasso nicht etwa kopierte, sondern in seiner ihm eigenen Sprache neu gestaltete. Dem für die Kunst der Moderne so charakteristischen Glaube an die Eigengesetzlichkeit des Kunstwerkes hielt der Künstler Zeit seines Lebens die Treue.
Nicht ohne Stolz, aber auch mit einer gehörigen Portion Selbstironie beschrieb der Maler seinen Werdegang mit den Worten: "Ich wollte Maler werden, und ich bin Picasso geworden."
Im April 1973 ist er im Alter von 91 Jahren im südfranzösischem Mougins gestorben.
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