Mit 2 Millionen Einwohnern war Wien Ende des 19.Jhdts die viertgrößte Metropole Europas und Hauptstadt der Doppelmonarchie Österreich - Ungarn, des Kaiserreiches Habsburg.
In Wien hatten die Akademie der Wissenschaften und die Akademie der bildenden Künste ihren Sitz; aber auch Forschungsinstitute sowie die großen Kunstsammlungen der Museen begründeten den Ruf der Stadt als geistiges und kulturelles Zentrum.
Von diesem inspirierenden Klima fühlten sich viele namhafte Maler, Architekten, Schriftsteller und Musiker angezogen und gaben ihrerseits dem intellektuellen Leben Impulse. Gustav Mahler, Richard Strauß, Gustav Klimt, Adolf Loos, Otto Wagner, Arthur Schnitzler, Theodor Hertzl, Freud... um nur einige zu nennen.
Das gesellschaftliche und auch politische Klima boten den Hintergrund für die Auseinandersetzung mit existenziellen Themen des menschlichen Daseins.
Nirgendwo sonst in Europa beschäftigte man sich so intensiv etwa mit der Sexualität. Das galt für die Literatur ebenso wie für die Medizin und Psychologie. (Freud`sche Sexualtheorien, Schnitzler: Erotik als wichtigster Auslöser menschlicher Motivationen )
Ebenso in den Werken des damals bereits international hochangesehenen Jugendstilmalers Klimt spielte das Sexuelle eine große Rolle.
Wien blühte - aber zum letzten Male.
Von der Akademie, die Schiele drei Jahre lang besuchte, erwartete er sich in die Geheimnisse der Kunst eingeweiht zu werden und die verschiedenen handwerklichen Techniken zu erlernen. Doch die Realität war nüchterner: In der ersten Zeit der Ausbildung war ausschließlich "Malen und Zeichnen nach der Antike" angesagt. Er kommt in die Allgemeine Malklasse von Christian Griepenkerl, einem der Hauptvertreter der Wiener Ringstraßenmalerei. Dieser war ein außerordentlich konservativer Lehrer und forderte technische Perfektion. Er war alles andere als begeistert von seinem Schüler Egon Schiele. "Sie hat der Deubel in meine Schule gekackt" und "Sagen Sie um Gottes Willen niemanden, dass Sie bei mir gelernt haben!", waren nur einige seiner Kommentare zu Schieles Studien.
Angesichts dieses trockenen Lehrbetriebs verlor er bald das Interesse und suchte außerhalb der Akademie nach Vorbildern. Er unternimmt erste Versuche in der impressionistischen Malerei, wo er sich die künstlerischen Freiheiten nahm, die ihm auf der Akademie gefehlt hatten und knüpfte in den Kaffeehäusern Kontakte zu Gleichgesinnten aus der Wiener Kunstszene.
Die persönliche Begegnung mit Gustav Klimt und seinem Werk wurden für den erst Siebzehnjährigen zum Schlüsselerlebnis.
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