Die aus KI-Sicht gemachte ontologische Annahme lässt sich in drei Aussagen zusammenfassen:
1. Die Welt besteht "aus objektiven, von Menschen und untereinander unabhängigen Fakten." (Daniel/Striebel 1993: S.23)
2. Die Welt lässt sich in isolierbare, kontextunabhängige, kleine Elemente, zerlegen. (vgl. Daniel/Striebel 1993: S.24)
3. Alle Elemente jedoch sind wiederum logisch voneinander abhängig. (vgl. Dreyfus 1985: S.106)
Der Ansatz der Gegenargumentation ist aus der Linguistik abgeleitet. CHOMSKY und andere Vertreter der Transformationsgrammatik haben "von menschlicher Sprachverwendung abstrahiert und so die menschliche Fähigkeit formalisieren können, grammatisch korrekte Sätze zu erkennen und inkorrekte zurückzuweisen." (Dreyfus 1985: S.145/146) Es bleibt also die Frage, ob der Computer in der Lage ist, das formalisierte Verhalten anschließend zu reproduzieren. Hierbei müsste es der KI-Forschung gelingen, nicht nur die Sprachkompetenz, sondern auch die Sprachverwendung zu formalisieren. In diesem Punkt jedoch scheitert wiederum die Verwirklichung regelgeleiteter Systeme, denn ein Programm wird nie den Sinn einer Aussage "in einen Kontext menschlichen Lebens" (Dreyfus 1985: S.147) einordnen können. Aber in vielen Fällen macht erst der jeweilige Kontext eine Aussage verständlich. "Für eine vollständige Theorie der praktischen Fähigkeiten von Sprechern braucht man nicht nur grammatische und semantische Regeln, sondern darüber hinaus Regeln, die es einer Person oder einer Maschine ermöglichen würden, den Kontext zu erkennen, in dem die Regeln angewendet werden müssen." (Dreyfus 1985: S.151) Es müssten also Regeln für die Regeln entwickelt werden, um einen Kontext als eine Ausnahme von der Regel zu beschreiben. In diesem Moment befindet sich das Programm in einem unendlichen Regress. "Da wir [Menschen] in der Lage sind, von unserer Sprache Gebrauch zu machen, kann dieser Regress für Menschen kein Problem sein. Wenn künstliche Intelligenz möglich sein soll, darf dies auch für Maschinen kein Problem sein." (Dreyfus 1985: S.151) Das sich hier an die Formalisierbarkeit von menschlichem Verhalten anschließende Problem wird von DREYFUS und DREYFUS auch das "Relevanzproblem" (Dreyfus/Dreyfus, 1988: S.114) genannt. So ist es möglich jede in sich abgeschlossene Situation zu formalisieren. Versuche, diese vielen abgeschlossenen Situationen zu einem Gesamtverhalten zusammenzuschließen, gelangen jedoch nie. Hierzu schreibt MINSKY, dass "die in Semantic Information of Processing beschriebenen Programme am Besten arbeiten werden, wenn man ihnen die exakt notwendigen Fakten eingibt", aber "sie werden unerbittlich stecken bleiben, wenn die Informationsdateien wachsen." (Minsky, 1968: S.18) Er schreibt weiter: "Jedes Programm arbeitet nur in seinem begrenzten Spezialgebiet und es gab keine Möglichkeit, zwei verschiedene Problem-Löser miteinander zu verbinden." (Minsky, 1968: S.13) Der Computer scheint mit wachsender Komplexität der Situation nicht mehr unterscheiden zu können, welche Regeln in einem bestimmten Zusammenhang von Bedeutung sind und welche nicht. Für einen Digitalcomputer ohne eine Beziehung zu der erlebten Welt sind die aus einem "Kontext herausgelösten Tatsachen eine sperrige Masse neutraler Daten." (Dreyfus 1985: S.234) So ist dem ontologischen Argument nur solange zuzustimmen, wie die programmierte Situation klar definiert ist. Es ist jedoch im Moment nicht vorstellbar, dass eine komplexe Situationen so formalisiert werden kann, dass die Maschine zwischen relevanten und irrelevanten Regeln unterscheiden kann. Grundsätzlich bleibt die Frage, ob Menschen in der Lage sind auch komplexe Situationen so zu beschreiben, dass sie komplett in Regeln gefasst werden können. "Allein aber die Anzahl amtierender Juristen zeigt uns, dass es unmöglich ist, Ambiguitäten, Ermessens- und Urteilsspielräume auszuräumen, indem man die Gesetzbücher so komplettiert, dass sie alle möglichen Situationen beschreiben und vorwegnehmen." (Dreyfus/Dreyfus, 1988: S.114)
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