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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Wie sich die drei "lager" der Österreichischen innenpolitik entwickelten



Daß der christlichsoziale Antisemitismus durch den Börsenkrach von 1873, ... Wie in Berlin gab auch in Wien der Börsenkrach von 1873 dem Antisemitismus Auftrieb, dem von Karl Vogelsang, der als Begründer der christlichen Soziallehre gilt, Ausdruck verliehen wurde.
Nach dem bekannten Muster beklagte er den "schrankenlosen Egoismus des" - mit dem Judentum identifizierten - "Kapitals", durch den das christlich-zünftische Berufsethos zersetzt würde. Es seien die Juden, die durch ihre Geschäftspraktiken "Handel und Wandel" vergifteten, "sodaß ein ehrliebender Christ kaum mehr auf einen grünen Zweig kommen kann."
... durch einen Ritualmordprozeß ... Ein Ritualmordprozeß in Ungarn und die Einwanderung russischer Juden, die vor den "Stürmen des Südens", vor dem von den russischen Behörden initiierten Pogrom des Jahres 1882 geflohen waren, verstärkten antisemitische Tendenzen.
In der ungarischen Ortschaft Tisza Eszlar wurde eine Ritualmordbeschuldigung erhoben, nachdem im April 1882 ein vierzehnjähriges Mädchen verschwunden war. Eine wütende Menge steckte die Synagoge des Ortes in Brand. Im Juni fand man die Leiche eines Mädchens entsprechenden Alters in der Theiß. Die Kinder (eines erst fünf Jahre alt) des Synagogendieners waren bedroht worden, damit sie den Mord bezeugten. Der Prozeß brachte die völlige Haltlosigkeit der Beschuldigung an den Tag.









... und durch die Einwanderung jüdischer Flüchtlinge verstärkt wurde Mit einem großen Teil Polens war (im Rahmen der "polnischen Teilungen" des 18. Jahrhunderts) mehr als eine Million Juden unter russische Herrschaft gekommen. Sie waren von den russischen Zaren in ihrem "Ansiedlungs¬rayon" (Ukraine, Weißrußland, Litauen, Teile des Baltikums, Russisch-Polen) eingeschlossen worden. Unter Nikolaus I. (1825-55) wurden Tausende Juden als Kolonisten nach Sibirien verbracht. Der männlichen jüdischen Jugend drohte bereits im Alter von zwölf Jahren die Konskription für den Militärdienst. Die jüdischen Rekruten verbrachten sechs Jahre als "Kantonisten" und waren während dieser Zeit massivem Christianisierungsdruck, Mißhandlung und Hunger ausgesetzt. Nur wenige dieser "Kantonisten" kehrten zu ihren Familien zurück. Zar Alexander II. (1855-81) zeigte den Juden gegenüber etwas mehr Wohlwollen und schaffte die Rekrutierung der 12jährigen Kantonisten ab.
Mit Alexander III. (1881-94) verschlechterte sich die Lage der Juden wieder. Im ersten Jahr seiner Regierung ließ er im "Ansiedlungsrayon" eine Reihe von Pogromen - die "Stürme des Südens" (Jesaja 21, 1) - anzetteln, die eine Massenauswanderung auslösten. Mit dem Pogrom von Kischinew (1903) begann unter Nikolaus II. (1894-1917) eine neuerliche von der Regierung initiierte Verfolgungswelle.
Daß Karl Lueger die herausragende Persönlichkeit der christlichsozialen Bewegung war





Die herausragende Persönlichkeit der christlichsozialen Bewegung war Karl Lueger, der seine politische Karriere allerdings als Liberaler begonnen hatte. Im September 1887 hielt Lueger seine erste antisemitische Rede:
"Wir rufen also nicht "hepp, hepp, [Anspielung auf den von 'Hep-Hep'-Rufen begleiteten Pogrom des Jahres 1819] sondern wir wehren uns dagegen, daß die Christen unterdrückt werden, und daß an die Stelle des alten christlichen Reiches Österreich ein neues Reich Palästina tritt. Dies ist die Ursache des Antisemitismus. Es ist nicht der Haß gegen den einzelnen, nicht der Haß gegen den armen, gegen den kleinen Juden. Nein, meine Herren, wir hassen nichts anderes als das erdrückende Großkapital, welches sich in den Händen der Juden befindet."
Daß 1891 die Christlichsoziale Partei gegründet wurde
Daß Lueger mit antisemitischen Parolen Bürgermeister wurde, ...




... sich dann aber zurückhielt Durch sein Zusammenwirken mit Vogelsang und dem 1887 gegründeten Christlichsozialen Verein entstand 1891 die Christlichsoziale Partei.
Karl Lueger bestritt nach dem Vorbild Stöckers die Wahlen zum Wiener Gemeinderat mit antisemitischen Parolen - und gewann (1895). Kaiser Franz Joseph zögerte, ihn als Bürgermeister zu bestätigen (Hitler hingegen nannte ihn den "gewaltigsten deutschen Bürgermeister aller Zeiten").
Lueger hatte schon 1885 eine Herabsetzung des Zensus für die Wiener Gemeinderatswahlen durchgesetzt, was den Mittelschichten die Mitsprache ermöglichte. Das allgemeine Wahlrecht lehnte er entschieden ab.
In der politischen Praxis des Bürgermeisters Lueger spielte der Antisemitismus keine Rolle mehr.
Wie sich der großdeutsche Gedanke vom Gegner preußischer Machtansprüche zu dessen Diener wandelte Die "Großdeutschen" waren durch die Gründung des "Zweiten Reichs" in einen Zwiespalt geraten: "Wer bisher 'großdeutsch' gefühlt hatte, der vertrat auch den politischen Anspruch der [österreichisch-ungarischen] Monarchie im deutschen Raum, jetzt wurden die österreichischen Großdeutschen als Deutschnationale zwangsläufig zu politischen Satelliten des oft kritiklos verherrlichten kleindeutsch-preußischen Staates; der großdeutsche Gedanke, entstanden aus dem Gegensatz zu den Machtansprüchen des Preußentums, wandelte sich in dessen Diener" .
Daß Georg Ritter von Schönerer die zentrale Figur des deutschnationalen Lager darstellte



Daß spätere Sozialdemokraten und Christlichsoziale eine zeitlang mit Schönerer zusammenarbeiteten Der Name Georg Ritter von Schönerers, des populärsten antiliberalen Streiters vor Lueger, steht für das großdeutsche, deutsch¬nationale "Lager", das allerdings aus einer ganzen Reihe von Vereinigungen, die erst in der Ersten Republik zur Großdeutschen Partei zusammenfanden, bestand.
Spätere Sozialdemokraten (Adler, Pernerstorfer) und Christlichsoziale arbeiteten noch Anfang der Achtziger mit Schönerer bei der Abfassung eines großdeutschen "Linzer Programms" zusammen. Dann machte ihnen entweder der judenfeindliche, der antihabsburgische oder der antikatholische Aspekt seiner Linie - "Ohne Habsburg, Juda, Rom bauen wir den deutschen Dom" - weitere Kooperation unmöglich.
Bei Schönerer trat der Antisemitismus nur allmählich in den Vordergrund. Noch in den seinen "Unverfälschten Deutschen Worten" (vom 1. Juli 1883) hatte er die Mitarbeit von Juden, wenn auch keine führende, in der nationalen Auseinandersetzung nicht ausgeschlossen: "Der Kampf gegen die Slawen muß ohne die Juden ausgefochten werden. Stellt sich der eine oder der andere Jude freiwillig in unsere Reihen, so mag er in Gottes Namen mittun, doch nur als ein einfacher Soldat, nicht aber in leitender Stellung."
Daß Schönerer Mitte der Achtziger auf Rassenantisemitismus einschwenkte ... Erst seit 1885 machte er sich den unbedingt rassenantisemitischen Standpunkt zueigen. Der Passus "Zur Durchführung der angestrebten Reformen ist die Beseitigung des jüdischen Einflusses auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens unerläßlich", ging aus dem Wahlaufruf dieses Jahres in das Linzer Programm über, in dem er ursprünglich nicht vorhanden gewesen war.
Im folgenden Jahr beantragte Schönerer im Reichsrat ein Gesetz nach dem Muster der amerikanischen Antichinesenbill. Es sollte ein Einwanderungsverbot für fremde Juden enthalten und die einheimischen einer Sondergesetzgebung unterstellen.
... und sich damit der Stimmung unter seinen studentischen Anhängern anpaßte Diese Änderung in der Haltung Schönerers hängt mit seiner Anpassung an die Stimmung der Studenten zusammen, unter denen Schönerer sehr populär war. Zahlreich drängten die Juden an die Universitäten und erzeugten - getauft oder nicht - Konkurrenzangst in ihren nichtjüdischen Komilitonen. Hier, auf akademischem Boden erhielt die Judenfeindschaft zuerst ihre neue - völkische - Färbung.
Die akademische Burschenschaft Teutonia war die erste, die - über Anregung eines Teutonen namens Jaromir Tobiaschek - (seit 1877) Juden in ihren Reihen nicht mehr dulden wollte. Die Libertas und andere, deren Band bisher auch von Juden getragen worden war, folgten alsbald. 1882 führte der als nichtpolitischer Verein gegründete "Deutsche Klub" die gleiche Bestimmung ein, mit ausdrücklicher Ausdehnung auf Getaufte und Kinder aus Mischehen.
Schönerer stellte sich auf seine Anhänger ein und erhob den Antisemitismus zu einem "Grundpfeiler des nationalen Gedankens". In einer dem Reichsrat 1887 unterbreiteten Petition gegen die Einwanderung russischer Juden sagte er:
"Wir betrachten jeden als Abtrünnigen von seinem Volke, von seiner Nation, der das Judentum und dessen Agenten und Genossen wissentlich unterstützt ... Das internationale beutegierige Judentum hat tatsächlich auch bereits seine Krallen in den hehren Leib des germanischen Volkes eingeschlagen ... Unser Antisemitismus richtet sich nicht gegen die Religion, sondern gegen die Rasseeigentümlichkeiten der Juden, die sich weder unter dem früheren Drucke, noch unter der jetzigen Freiheit geändert haben ..."
In die Form eines (Mitte der Achtziger verbreiteten) Reims heißt das: "Ob Jud, ob Christ ist einerlei - In der Rasse liegt die Schweinerei". Von Lueger hingegen ist folgender Ausspruch überliefert: "Wer a Jud' is, bestimm' i".
Schönerer schlug die Konzentration der Juden in Ghettos vor. Nur ganz bestimmte Berufe sollten ihnen erlaubt sein.
1886 reimte Schönerer in einem an die Gründungsversammlung eines Turnvereins gerichteten Telegramm:
Eh' werdet ihr die Katze lehren,

Daß ihre Art sie lasse,
Eh' ihr zu Turnern könnt bekehren

Des Judenvolkes Rasse
Seit jeher, seit im Jahre 1861 der Erste Wiener Turnverein gegründet worden war, bildeten die Turnvereine in Österreich einen Hort des Deutschnationalismus - die schwarzrotgoldene Fahne des Ersten Wiener Turnvereins war in der Ostsee getauft worden.
Wie Schönerer durch eine unüberlegte Aktion seine politische Karriere verspielte Am 8. März des Jahres 1888, des "Dreikaiserjahres" brachte das "Neue Wiener Tagblatt" voreilig die Nachricht vom Tod Wilhelms I., der dann einen Tag später tatsächlich starb. Schönerer drang mit etwa 30 Anhängern in die Räumlichkeiten der Redaktion ein und rief:
"Da seht ihr sie nun an der Arbeit, diese Schandblattjuden; wenn sie uns persönlich beleidigen, so kann uns das ganz und gar gleichgültig bleiben ... Daß sie aber soweit gegangen sind, das Leben, die Person, die Majestät des sterbenden deutschen Kaisers durch die Verbreitung falscher Nachrichten zu benützen, um damit ein Geschäft zu machen, das muß uns als Deutsche aufs innerste verletzen. Wir fühlen, daß dadurch die ganze deutsche Nation beleidigt und beschimpft ist."





Daß Lueger die Mehrzahl der Anhänger Schönerers übernahm In der darauf folgenden Schlägerei setzten Schönerers Anhänger Stöcke und Biergläser ein, wurden aber dennoch in die Flucht geschlagen. Schönerer brachte diese unüberlegte Akton eine Freiheitsstrafe und den Verlust des Reichstagsmandats ein (der Reichsrat hatte seine parlamentarische Immunität aufgehoben).
Einer derjenigen, die Schönerer nach dem Prozeß ihre Aufwartung machten, war Dr. Karl Lueger, dem nun die Mehrzahl der "Vereinigten Christen" (Wahlbündnis der Christlichsozialen und der Schönerianer) folgte.
Schönerer kehrte wieder in den Reichsrat zurück, hatte dann aber nurmehr die "Alldeutschen", eine deutschnationale Splittergruppe hinter sich.
Mit Zuckerbrot und Peitsche, mit ersten Arbeiterschutzgesetzen und Ausnahmezustand begegnete die (zweite) Regierung Taaffe (1879 - 1893) der Arbeiterbewegung.
Wie Victor Adler 1888/89 auf dem Parteitag von Hainfeld die Arbeiterbewegung zur SDAP einigte

Daß sich die SDAP zu den Thesen von Marx und Engels bekannte



Daß die SDAP Achtstundentag und allgemeines Wahlrecht forderte Der aus jüdisch-großbürgerlichem Haus stammende Arzt Victor Adler, der als Armenarzt das ganze Elend der Wiener Ziegelarbeiter kennengelernt hatte, einigte die zerstrittenen Gruppierungen der Arbeiterbewegung, die sich an der Jahreswende 1888/89 auf dem Parteitag von Hainfeld als Sozialdemokratische Arbeiterpartei konstituierte. Die Partei unterhielt enge Beziehungen zur deutschen Sozialdemokratie und bekannte sich zu den Thesen von Marx und Engels. In den leidenschaftlichen theoretischen Diskussionen trat besonders Karl Kautsky mit seinen Schriften hervor. Wegen seiner Kritik am Sozialismus bolschewistischer Prägung war er später für Lenin "der Renegat Kautsky", dem er seinerseits eine eigene Schrift widmete ("Die Proletarische Revolution und der Renegat Kautsky"). Im Vordergrund sozialdemokratischer Forderungen standen der Achtstundentag und das allgemeine Wahlrecht. Der "proletarische Internationalismus" bewahrte die Sozialdemokratie nicht vor ihrer Spaltung in verschiedene nationale Organisationen.

 
 

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