Aus der heutigen Sicht scheinen die Thesenpunkte Platons nur noch teilweise überzeugend.
So ist anzumerken, daß ein geschriebener Text keinesfalls unveränderbar ist. Ein Autor verfasst ein Buch, einen Artikel, ein Essay, jedoch bevor es veröffentlicht wird, also bevor es zum Adressaten gelangt, muß es erst zur Rezension und wird von einem Lektor (welcher in gewissem Sinne auch ein "Leser" ist) durchgesehen und korrigiert. Erst wenn dies geschehen ist, darf das Textstück veröffentlicht werden. Gelangt es dann an die Öffentlichkeit, so findet schon beim Kauf des Buches (oder auch nicht) eine gewisse Kritik statt. Der Konsument trifft eine Entscheidung darüber, was er für lesenswert empfindet und was nicht. Konstruktive Kritik findet in Institutionen wie einem Literaturmagazin, sei es in schriftlicher Form ("Die Literatur") oder in mündlicher Form ("Das literarische Quartett") statt. Zwar wird der Autor nicht an Ort und Stelle damit beginnen, Veränderungen an seinem Werk vorzunehmen, zumal er sich ja in einer Gesellschaft der freien Meinungsäußerung und Pressefreiheit befindet und es keine Pflicht zur Veränderung besteht, jedoch nehmen viele Autoren die Kritiken zu ihren Texten ernst, streben Verbesserung an demselben Stück an oder versuchen, die neuen Sichtweisen in dem folgenden Werk mit ein zubringen.
Weiterhin anzumerken sei hinsichtlich Platons Schriftkritik, daß sich ein Text dem jeweiligen Adressaten nicht anpassen könne. Ein Dichter, ein Romanautor, der Journalist und auch der Schulbuchverfasser unterscheiden, ob sich ihr Stück an den allgemeinen Verbraucher, an den Wissenschaftler, das Schulkinder in der achten Klasse, an den Sportbegeisterten, den Politikinteressierten oder an die einfache Hausfrau wendet. Es soll auch schon mal vorkommen, das ein Autor, der bekannt dafür ist, nur von einer kleinen Gesellschaftsgruppe gelesen zu werden, versucht, durch Änderung im Schreibstil ein anderes größeres Publikum zu erreichen.
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