In ihrem ersten Werk "Wir leben im Verborgenen" schildert uns Ceija kurz die Ereignisse aus ihrer glücklichen Kindheit, wo sie in der vertrauten Umgebung ihrer Familie das freie Leben der Reisenden genoß: "1939 fuhren wir Rom noch mit Wagen und und Pferden frei in Österreich herum."
Im gleichen Jahr wird das "Herumreisen" verboten. Das Verbot des Reisens beschneidet das Bedürfnis nach Freiheit, wodurch ein Gefühl der Beengung entsteht. Ceija erzählt in einem Interview, wie diese Ereignisse über ihre Familie gekommen sind:
"Was man zum leben gebraucht hat, ist immer enger geworden, die Frauen durften keine Stoffe mehr verkaufen. Auch der Raum wurde immer beengter, obwohl wir im Freien waren. Wenn wir uns irgendwo hinstellten, wurde es uns verboten."
Die Familie zieht dann nach Wien, wo sie sich ein kleines Holzhaus bauen muß, damit sie nicht auffällt. Das Leben beginnt für Ceija eine "Ordnung" zu bekommen: "Wir Kinder kamen wieder in die Schule, meine älteste Schwester Mitzi in eine Papierfabrik."
Man kann hier eine Einschränkung oder Beengung des Raumes erkennen. Wie wichtig das naturverbundene Leben, weit weg von unserer "schematischen" Welt, für die Roma ist, beschreibt Ceija in einer kurzen Geschichte:
"Eine wahre Geschichte:
Ein Pfarrer verurteilte einen armen, alten Zigeuner, denn er zahlte keine Steuer. Der Priester dachte so vor sich hin: "Warte nur du böser Wicht, auch für dich wird das Stündlein schlagen, doch auf meinen Friedhof kommst du nicht!"
Ja, wie gerecht war dieser Priester, es zu sagen, ist nur recht. Der Zigeuner ging zur Kirche, denn er war gewiß sehr fromm. Er bat um Gnade, denn sein Stündchen war sehr nah. Man begrub ihn außerhalb des Friedhofes, und so war es auch gerecht.
Die Seele des Zigeuners freute sich so sehr, sie dachte: "Ach, wie gut sind die lebende Priester zu mir, sie haben mich nicht am Friedhof eingekerkert, ich liege außerhalb des Friedhofes, ich bin selig und zufrieden, denn ich bin draußen und ich bin frei!"
Den Kindern wird später die Schule verboten und es ist gefährlich für sie, sich überhaupt im Freien zu befinden. Die Beschränkung des Raumes für Ceija steigert sich immer mehr. Die Nazis legen ein spanisches Gitter um ihr Haus und somit ist jeder Versuch, sich außerhalb des Häuschen zu bewegen, eine Gefahr:
"Die Gestapo legte ein spanisches Gitter um unser kleines Holzhaus und verbot uns, uns außerhalb dieses Gitters aufzuhalten. Ja, wir spürten Auschwitz schon in der Freiheit."
Dann folgt die schlimme Zeit, die Ceija im KZ verbringen muß. Das Eingesperrtsein im Konzentrationslager ändert Ceijas Wahrnehmung von der Welt. Schon der Titel des ersten Kapitels ihres ersten Buches deutet auf die eingeschränkte Perspektive hin: "Ist das die ganze Welt?"
Für Ceija repräsentiert das Lager eine eigene Welt. Erst ca. fünfzig Jahre später erfährt sie bei einem Besuch in Bergen-Belsen, daß es neben ihrer Abteilung auch andere gab:
"Obwohl der Abteil sehr groß war, wußte ich nicht, daß unmittelbar neben uns noch ein Abteil ist. Gell. Weil sagen wir diesen Abteil, den Du hier siehst, der war umrahmt von lauter Bäumen. Da gab es einen Zwischenraum von fünf Metern. Nachdem die nicht schreien durften und wir auch nicht, haben wir gar nicht gewußt, daß da noch ein Abteil ist, und noch einer, und noch einer... Erst von oben, nach vierundfünfzig Jahren habe ich das Ausmaß der Größe gesehen, daß es noch ein Abteil gibt. Am Anfang als ich herausgekommen bin von dort hab' ich geglaubt das ist alles, wo wir waren. Daweil war ein russisches Lager dort, dann waren Austauschjuden dort."
In einem anderen Interview erwähnt sie noch einmal die Orientierungslosigkeit:
"Oft haben wir uns gefragt, wo sind die Menschen rundherum? Gibt es Österreich nicht mehr? Sind nur mehr wir da und das andere existiert nicht mehr?"
Im Lager gibt es in den Baracken noch "kleine Buchsen", wo sie mit den vielen Menschen untergebracht sind: "Wir krochen in die Buchse, sie war 2,40 x 2 m. In der Baracke waren so viele Menschen und eine Buchse um die andere."
Im Lager hat Ceija keine Chance, sich von den anderen Menschen und erschütternden Ereignissen zurückzuziehen. Eine "intime Sphäre" gibt es nicht, und wenn einem etwas passiert, haben gleich alle Angst um ihr Leben:
"Im ganzen Lager sah es schrecklich aus. Die langen Gräben und die vielen Toten und dazu der viele Regen. Es war grauenvoll. Wir hatten schon drei Tage keine Suppe bekommen. Die Menschen konnten sich nicht mehr bewegen. Manche waren schon tot, aber man ließ sie noch in der Baracke."
Nach der Befreiung wird die Frage nach der Herkunft für Ceija wieder aktuell. Sie berichtet von einer tragikomischen Situation, als ein Besatzungssoldat zu ihr sagt:
"Ich bin Engländer. Ihr seid jetzt alle frei. Von wo bist du?' Ich sagte: 'Ich bin von Austria', meinte aber die Papierfabrik im 16. Bezirk neben der Paletzgasse, die Austria hieß. Ich kannte ja sonst nichts."
Die Raumwahrnehmung nach dem Lager ist auch eingeschränkt. Ceija fühlt sich fremd und einsam in der "großen Welt" außerhalb des KZ, die nicht viel Verständnis für ihr Schicksal hatte:
"Und auch nach 1945 war das sehr schwer. Wir sind rausgekommen und jetzt kommst du rein in die Stadt, unter Menschen, die von dem Ganzen nichts wissen. Der kennt ja meine Gefühle nicht, der weiß nicht, was ich hinter mir hab, wo ich gewesen bin. Das ist nicht leicht. Und trotzdem mußt du dich auf die Füße stellen, sonst verkommst du, du mußt ja leben."
Das Gefühl der Freiheit hat Ceija trotz der räumlichen Einschränkung behalten, was von ihrer Positivität spricht:
"Im Wohnwagen hatten wir wenig Platz, und auch der Raum, den wir neben dem Wagen benützten, war beschränkt. Aber wir haben Augen gehabt, wir haben die Ferne gesehen und den Flug der Vögel und die Bäume, wenn sie getanzt haben."
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