Der verzweifelte Kampf ums Überleben im Dschungel, wie es sich tagtäglich in dien Wildnissen Europas und Afrikas ereignet, wird dank einer perfekten Inszenierung zum prickelnden Schaukampf im Herzen der Großstadt. Künstliche Wälder und Wiesen, Felsabhänge und Sanddünen sorgten für ein passendes Ambiente. Zehntausende von Zuschauern waren Zeugen dieser Veranstaltungen, die die Römer mit unfreiwilligem Zynismus ludi nannten. Eine Variante war der Kampf zwischen Mensch (bestiari - Tierkämpfer) und Tier (venatores -Jäger), wobei meist die Bewaffnung des menschlichen Gegners den Ausschlag gegeben hat. Bei Hetzen (venationes) wurden die Tiere mit Lanzen, Spießen oder Pfeilen niedergemetzelt. Doch manchmal ist bei den Tierhetzen der Arena auch menschliches Blut geflossen. Größere Überlebenschancen hatten die Tiere, wenn sie gleichsam als Vollstrecker von Todesurteilen eingesetzt wurden. Die Verurteilung ad bestias bedeutete den sicheren Tod für einen Verbrecher, da er im Normalfall an einen Pfahl gebunden wurde und von der Bestie zerfleischt wurde. Fest steht, dass sich damals ein perverses Unterhaltungssystem etabliert hat, das Tiere zu Tausenden und Abertausenden umgebracht hat . Der Rhetoriker Libanios schrieb, dass solche Kämpfe deshalb soviel Anziehungskraft besitzen, da die Menschen nur durch ihren Verstand die Tiere besiegen.
Als erster Vertreter von Tierhetzen erscheint in den Quellen Marcus Fulvius Nobilior auf. Er richtete im Jahre 186 v. Chr. zehntätige Spiele aus, in deren Verlauf erstmals auch Löwen und Panther im Circus gejagt wurden. Diese Spiele fanden viele Nachahmungen, die neue Rekord-Zahlen bei der Tötung wilder Tiere erreichten, so zum Beispiel auch unter den Diktator Sulla und Pompeius. Nur einmal, bei den Festspielen des Pompeii, kam es vor, dass ein mitleidserregender Elefant verschont wurde. Etwa im Jahre 80 n. Chr, bei der Eröffnung des Kolosseums dürfte die Opferzahl fünfstellig gewesen sein. Trajan konnte sogar eine fünfstellige Opferzahl bei einer einzigen Spiel-Periode vorweisen. In 123 Tagen wurden 11000 Tiere in der Arena abgeschlachtet. Die Liste den im Amphitheater getöteten Tierarten ist eindrucksvoll, mit dabei waren Löwen, Bären, Hirsche, Antilopen, Rehe, Wildesel, Stiere, Sträuße und Steinböcke.
Das Einfangen und der Transport der Tiere sowie die Organisation der Tötungsspektakel verschlangen Unsummen. Ein großer Teil der mit den ludi verbundenen riesigen Aufwendungen wurde zwar auf die Beamten und Amtsbewerber abgewälzt, zu deren festgeschriebenen Pflichten die Veranstaltung von "Spielen gehörte, trotzdem wurden hier Jahr für Jahr Hunderte Millionen Denare verpulvert. Nachschub für die Tierschlächtereien des Amphitheaters lieferte die gesamte römische und außerrömische Welt. Afrika versorgte sie mit Elefanten, Nashörner und Löwen, in Ägypten wurden Krokodile und Nilpferde gejagt, Hirsche in Gallien und Bären in Germanien. Seehunde wurden von der Nordseeküste nach Rom geschafft, und Tiger wurden in den östlichen Provinzen des Reiches und in Indien gefangen. Die Unterwerfungs- und Tötungsrituale wilder Tiere im Amphitheater waren Ausdrücke dafür, wie sehr die Welt Rom zu Füßen lag und schmeichelten dem imperialen Selbstbewusstsein der Römer. Man war der Bezwinger der widerspenstigen Natur. Die Wünsche der Massen waren den römischen Caesaren Befehl - jedenfalls solange es darum ging, den Hunger auf panem et circenses. Und so bildete sich in der Kaiserzeit im gesamten Imperium, vor allem aber in der Hauptstadt Rom, eine perverse Unterhaltungs-"Industrie" heraus.
Kaum jemand machte sich Gedanken über die Respektlosigkeit den Tieren gegenüber. Das massenhafte Einfangen wurde sogar als zivilisatorischer Fortschritt verstanden. Die Bauern brauchen sind ja nicht mehr vor Raubtieren zu schützen. Schlussendlich führte das Massensterben in den Arenen zur Ausrottungen sämtlicher Tierarten in manchen Landstrichen. Besonders davon betroffen war Afrika. Nilpferde waren in Unterägypten im 4. Jh. N. Chr. gänzlich ausgerottet. Ebenso Löwen in Thessalien und Elefanten in Libyen. Erst ein paar Jahrhunderte später registrierte der Rhetor Themistios dies mit Bedauern, da das Unterhaltungssystem sehr fest etabliert war. Als großes Problem wurde dieser Rückgang aber nicht angesehen, und führte auch nicht zu einem Umdenken. Neben den eigentlichen Tiermorden in der Arena haben die Tiere oft schon beim Transport ihre Leben verloren. Schiffbrüche waren im Altertum keine Seltenheit, und das Festhalten der Schiffe wegen Flaute war nicht selten. Krankheiten und Seuchen dürften noch dazu einiges dazu beigetragen haben. Immer wieder konnte man überall auf den Straßen Wracks von halbtoten Tiere liegen sehen.
Die wenigen intellektuellen Stimmen, die gegen diese massenhafte Vernichtung von Tieren aufbegehrten, verhallten ungehört. Zumal der Protest auch sehr halbherzig ausfiel, wie der von Cicero. Es fehlt jede Ehrfurcht vor der Schöpfung, da diente die Natur als Selbstbedienungsladen zur Befriedigung dessen, was man als Unterhaltungsbedürfnis definierte. Die Arroganz, die sich in dieser Mentalität offenbart, ist offensichtlich eine der gefährlichen Erblasten, die zu unserer Tradition gehören. Es wäre wichtig, der selbstherrlich und rücksichtslosen Ausbeutungs-Mentalität zu entsagen.
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