Nach sechs Tagen des Bombardements erhält die Diplomatie wieder eine Chance. Rußlands Regierungschef Primakow versucht zur Stunde, die jugoslawische Führung für eine friedliche Lösung zu gewinnen.
Der russische Ministerpräsident Jewgenij Primakow hat am Dienstag in Belgrad die ersten Vermittlungsgespräche mit Jugoslawiens Präsident Slobodan Milosevic seit Beginn der Nato-Luftangriffe vor einer Woche geführt.
Die Verhandlungen waren am frühen Nachmittag (Ortszeit) noch \"in vollem Gange\", berichteten die russischen Agenturen aus Belgrad unter Berufung auf den russischen Regierungssprecher Igor Schtschogolew.
Über den Verlauf der Gespräche in Belgrad lagen keine offiziellen Angaben vor. Wegen der Dauer der Verhandlungen schlossen die russischen Agenturen auf \"schwierige Bedingungen\" bei der Suche nach einer Lösung für die Kosovo-Krise.
Primakow war im Auftrag von Präsident Boris Jelzin zu dem Vermittlungsversuch nach Belgrad geflogen. Er wird begleitet von Verteidigungsminister Igor Sergejew und Außenminister Igor Iwanow sowie Geheimdienstchefs. Im Anschluß an die Gespräche in Belgrad wollte Primakow nach Bonn weiterfliegen. Die Nato wußte nichts darüber, daß Primakow eventuell auch nach Brüssel kommen werde.
Indessen wurden der Mission Primakows nur geringe Aussichten auf Erfolg eingeräumt. Es war unbekannt, welches Ziel die russische Delegation verfolgen werde.
Der Sprecher des amerikanischen Außenministeriums, James Rubin, sagte in Washington, er hoffe, die Russen könnten Milosevic dazu bewegen, die Angriffe auf die Kosovo-Albaner einzustellen und das Friedensabkommen von Paris zu unterzeichnen. Die Taktik Milosevics komme \"Verbrechen gegen die Menschlichkeit\" gleich. Die jugoslawische Regierung ordnete am Montag abend an, daß Männer im wehrfähigen Alter das Land nicht mehr verlassen dürfen. In der vergangenen Nacht setzte die Nato ihre Angriffe fort und setzte erstmals Kampfflugzeuge ein, die gezielt Bodentruppen und Panzer bekämpfen können.
Jugoslawische Medien meldeten in der Nacht Einschläge von Raketen. Der Belgrader Militärflughafen Batajnica sei von fünf Raketen getroffen worden. Der Flughafen von Podgorica, der Hauptstadt Montenegros, wurde von viermal getroffen. Aus Pancevo, zehn Kilometer nördlich von Belgrad, wurden zwei Explosionen gemeldet. In Pristina schlugen zwei Raketen in Militärkasernen ein. Die Stadt ist seit Montag abend ohne Strom.
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