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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Römische kirchenmusik bis ende des 16.jahrhunderts:



Christliche Gottesdienste und christlicher Kirchengesang hatten sich zunächst in den östlichen Ländern entwickelt. Die zunächst einfachen, geradlinigen Melodien wurden mit der Zeit nach islamischer Art immer mehr verziert und ausgeschmückt, vor allem in den Hallelujemelismen. Nach der Anerkennung des Christentums durch Konstantin den Großen im Jahre 325 breitete sich der christliche Gesang auch im Westen aus.
Schon um 200 wurde der Kirchengesanglehrer Origines berühmt, der die priesterlichen Vorsänger ausbildete. Zur gleichen Zeit bezeichnete der römische Arzt Galen die Knorpel des Kehlkopfes, dessen Raum er wie das Mundstück einer Pfeife- der Luftröhre- ansah und Glottis nannte. Die Bedeutung der Stimmlippen erkannte er allerdings nicht. Nachdem der Kirchengesang zunächst nur auf priesterliche Sänger begrenzt war, gründete Papst Sylvester (314-335) eine erste Gesangschule in Rom.
Obwohl schon früh diese Gesangskunst der Priester gerühmt wurde, widmete sich doch erst Papst Gregor ab 600 der Schola Cantorum mit eingehendem Interesse. Die Schüler wurden vier Jahre in kirchengesanglicher Arbeit unterrichtet. Notenschrift gab es noch nicht, ebenso wenig eine schriftliche Gesangsanleitung.
Melodien und gesangstechnische Anweisungen wurden von Lehrer zu Lehrer mündlich überliefert, die Weisen von den Schülern auswendig gelernt. Die Ausbildung war äußerst sorgfältig, auf gesunde Stimmführung und schönen Klang besonderen Wert gelegt. Gregor gebot seinen Schülern als wichtigste Regel, ohne Improvisation und niemals ungleich laut zu singen oder aus dem Chor als Solist herauszutreten.
Gregor bezeichnete die Töne nach dem lateinischen Alphabet. Durch aufwärts oder abwärts führende Haken und Striche wurde eine steigende oder fallende Melodie angezeigt. Aus diesen Zeichen entwickelte sich um 750 die Neumenschrift, die nach orientalischem Muster Intervalle und Melodiebewegungen notierte.
Bis zum Ausgang des 11. Jh. war der Gregorianische Gesang in fast allen christlich-westlichen Ländern eingeführt.
Erschwerend war jedoch, dass, nach Vereinfachung der schwierigen textlosen Halleluja- und Kyrieverzierungen durch Textsilben unter jedem Ton, die Neumenschrift vom 10. Jh. an immer mehr horizontal geschrieben wurde und nicht mehr die Melodiebewegung anzeigte. Erst nachdem der Mönch Guido von Arezzo um 1050 die Notenschrift mit den auf vier Linien in Terzabständen geordneten Neumen und vorangestellten Schlüsselbuchstaben erfand, wurden die Anweisungen der Gesangslehrer entbehrlich. Jedes Kloster besaß nun eine Abschrift des Gregorianischen Werkes und nach kurzer Unterweisung konnten die Schüler die Neumenschrift selbst entziffern.
Bis Ende des 14. Jh. waren alle abendländischen Gesangbücher auf die neue Tonschrift umgestellt, bis auf die Kirche des Ostens, die heute noch an der zeilenlose Neumenschrift festhält.
Zu Beginn des 11. Jh. gewann der mehrstimmige Gesang zunehmend an Bedeutung. Bereits um 850 wurde in Irland erstmals zweistimmiger Gesang erwähnt. Die seit dem 8. Jh. eingeführte Windorgel verdrängte allmählich die in den Klöstern übliche Wasserorgel. Die neuen Möglichkeiten der instrumentalen Begleitung (man kannte aus dem 10. Jh. schon die Handpauke, die Trompete, Trommel, Laute, Gitarre, Dudelsack, Fiedel, Glockenspiel, Hackbrett, Horn und Monochord) begünstigten die vielstimmige Komposition.
Durch die Entwicklung der Vielstimmigkeit wurden die Texte und Messen immer unverständlicher und verloren mehr und mehr an religiöser Bedeutung. Im Zuge der Gegenreformation strebte die katholische Kirche daher ab 1555 und vor allem durch die Beschlüsse des dritten Tridentischen Konzils (1562-1563) eine absage an die Mehrstimmigkeit und die Rückkehr zum Gregorianischen Gesang an.
Dennoch gelang es Orlando di Lasso 1557-1594 in München, die Vielstimmigkeit in der Kirche zu neuer Blüte zu bringen. Ebenso gelang es Pierluigi da Palestrina (1525-1594) in Rom, mit der einfachen Strenge und sicheren Textverständlichkeit seiner A-cappella-Gesänge und -Messen, den widerstand des Klerus zu überwinden und die Vielstimmigkeit zu einem Höhepunkt zu führen.
Obwohl bis zum Ausgang des 16. Jh. die Singstimme in diesen Werken rein Instrumental eingesetzt wurde, erhöhten sich die Anforderungen an die Fähigkeiten der Sänger. Erste gedruckte Anweisungen entstanden.

Gleichzeitig mit der Bewegung vom Gregorianischen Gesang zur Vielstimmigkeit nahmen auch das höfische und das volkstümliche Lied einen neuen Aufschwung. Schon früher hatten sich römische Sänger gegen den Zwang der strengen kirchlichen Musik aufgelehnt und ihr einfaches Publikum mit fröhlichen Liedern erfreut. Mit der Entwicklung des Ritterstandes wuchs der Drang zur persönlichen Mitteilung und Darstellung, der durch poetische und musikalische Einflüsse nach den Kreuzzügen in den Orient 1096 genährt wurde. So schufen in Südfrankreich die Troubadours, Dichter und Sänger in einer Person wie zur Zeit der Griechen, ihre Kriegs- und Liebeslieder zur Begleitung von Fiedel und Harfe. Als in der zweiten Hälfte des 12. Jh. die Kunst von den Burgen und Schlössern auch in die neu entstehenden Städte gelangte, folgten Minstrels (fahrende Sänger, die gleichzeitig Jongleurkunststücke brachten) den Troubadours. Mit der Zeit schlossen sich die Minstrels zu Sängervereinen zusammen, die Wett- und Preisveranstaltungen durchführten. In Deutschland entstand zu dieser Zeit, stark beeinflusst von Frankreich, jedoch lyrischer der Minnesang. Der Text gewann an Bedeutung.
Die Blütezeit des Minnesangs ging um 1220 zu Ende, doch führten Meister wie Oswald von Wolkenstein die Tradition bis ins 15. Jh. fort. Vom 13. Jh. an wurde der ritterliche Minnesang vom bürgerlichen Meistersang übernommen, die zunächst wie die Minstrels durch die Städte zogen, im 14. Jh. an aber in eigenen Schulen eine neue Form des Liedes nach strengen Regeln, meist auf Bibeltexte beruhend, pflegten.

Mit den geistigen Anforderungen, die die polyphonen Werke der Kirchenmusik an die Sänger stellten, wuchs die Beschäftigung mit dem Thema der Gesangausbildung. Eine erste Gesangschule wurde um 1500 in Neapel gegründet. Weitere Schulen folgten in Rom und im übrigen Italien.
Eine Reihe wissenschaftlicher Studien wurde im 16. Jh. durch Leonardo da Vincis Zeichnungen des Kehlkopfes und durch seine experimentellen Versuche begonnen:
" Ein Mittel, festzustellen, wie der Klang der Stimme am Ausgang der Luftröhre erzeugt wird: Man nimmt Luftröhre und Lunge des Menschen heraus; wenn die mit Luft gefüllte Lunge schnell zusammengepresst wird, kann man ohne weiteres erkennen, wie die Trachea genannte Röhre (Luftröhre) die Stimme erzeugt" (zit. nach G. Panconcelli-Calcia).
Leonardo da Vinci erwähnte die Bedeutung der Stimmlippen nicht. Jedoch finden sich bei dem italienischen Anatomen Vesac 1543 erste Angaben darüber. Wenig später erwähnte Fabricius de Aquapendente zwei Bänder im Kehlkopf mit dazwischenliegender, die Stimme erzeugender Ritze, die er (allerdings nicht als erster), wie bis heute üblich, Glottis nannte.
1562 veröffentlichte der neapolitanische Arzt Camillo Maffei seinen Discorso della voce, in dem erstmals die Lehre des Gesangs mit ihren physiologischen Voraussetzungen behandelt wird. Die seit der Erfindung des Notendrucks um 1503 entstandene Möglichkeit der Notenvervielfältigung begünstigte technische Schriften dieser Art.

Bis zur Mitte des 16. Jh. wurden ausschließlich Knaben- und Männerstimmen für den Kirchengesang eingesetzt. Knabenstimmen oder männliche Falsettstimmen ersetzten die fehlenden Frauenstimmen. Die Knaben hatten den Nachteil, dass vor Vollendung der Ausbildung der Stimmbruch eintrat, die Falsettisten den, dass sie niemals die volle Höhe der Sopranstimmen erreichten, und sie missfielen durch ihren leblosen Stimmklang. Zum ersten mal wirkte 1562 im päpstlichen Chor ein spanischer Kastrat mit. Der Vorgang der Kastration war im Orient stark verbreitet, im Westen jedoch noch kaum bekannt. Erst 1599, als zwei italienische Kastraten in die sixtinische Kapelle aufgenommen wurden, sahen sich die spanischen Falsettisten ihrer bisherigen Vorherrschaft bedroht. Die Kastratenstimme behielt Umfang, Timbre und leichte Beweglichkeit der Knabenstimme, die verstärkt wurde durch die kraftvollere Lungen- und Atemtätigkeit des erwachsenen Mannes. Wurden die Kastraten zunächst als Interpreten der polyphonen Messen in den Kirchenchören eingesetzt, so sollte sich ihre volle Virtuosität erst im Gebiet der neuentstehenden barocken Oper im 17. Jh. voll entfalten.

 
 

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