2.1 Art und Mittel der Rekrutierung
- Freiwillige: Zunächst, jedoch nicht lange, deckten die wenigen sich freiwillig meldenden Frauen den Bedarf an Aufseherinnen. Sie machten aber nur einen geringen Teil des weiblichen Bewachungspersonals der KZ aus. Anreize zum freiwilligen Wachdienst im KZ boten u.a. die gute Bezahlung und die Möglichkeit, Reichsangstellte in einem \"nur leichte körperliche Anstrengungen erforderlichen\", festem Arbeitsverhältnis zu werden und eine Pension zu erhalten.
- Angeworbene: Mit dem Ausbau der KZ und dem rapiden Ansteigen der Häftlingszahlen wurden weit mehr Aufseherinnen benötigt, als sich freiwillig meldeten. Die SS begann nun verstärkt anfang der 40er Jahre mit Hilfe der Zeitungen oder mittels der Arbeitsämter, Frauen anzuwerben. Die Werbekampagne stellte sich jedoch als ein Fehlschlag heraus, da viele Frauen allgemein nicht bereit waren, sich einer zusätzlichen Arbeitsbelastung auszusetzen, obwohl die Arbeit als KZ-Bewachungspersonal stets als \"leichte körperliche Arbeit\" angepriesen wurde. Noch 1944 beklagte Himmler den Mangel an SS-Helferinnen und bat SS-Führer und Polizei, in verstärktem Maße Frauen und Mädchen zu werben. Allgemein brachten Werbungsreisen von SS-Führern, NSDAP-Werbewochen, Werbeplakate, etc. nicht den erhofften Erfolg, so daß Frauen schon ab 1940 in \"subtiler und diplomatischer Weise\" dienstverpflichtet wurden.
- Dienstverpflichtete: Mit der \"Verordnung über die Meldung von Männern und Frauen für Aufgaben der Reichsverteidigung\" vom 27. Januar 1943 waren alle Männer von 16-65 und alle Frauen von 17-45 meldepflichtig, um z.B. in der Rüstungsindustrie oder auch in KZ eingesetzt zu werden. Trotz vieler Ausnahmen und der Vernachlässigung der Frauen aus bürgerlichen Schichten nahm nun die Zwangsrekrutierung von möglichst ledigen, berufstätigen Frauen aus den unteren Schichten stark zu und erreichte 1944 ihren Höhepunkt: ab März/April 1944 kamen jeden Monat mehrere hundert Frauen zur Ausbildung in das KZ Ravensbrück. Die Frauen wurden, oftmals mit großem Druck und Zwang, aus ihren Betrieben gelöst und in die SS-Gefolgschaft eingegliedert. Unter den dienstverpflichteten Frauen waren auch viele aus Betrieben, die an KZ oder Außenlager angeschlossen waren. Sie kehrten nach der Ausbilung in ihre Betriebe zur Häftlingsbewachung zurück.
2.2 Auflagen zukünftiger Aufseherinnen
- Idealerweise sollten die Frauen zwischen 21 und 45 sein, körperlich gesund, nicht vorbestraft und politisch möglichst integer. Arbeitslose Frauen, Frauen ohne Ausbildung oder mit sozialem Beschäftigungsfeld wurden bevorzugt eingesetzt. Im Rahmen der Dienstverpflichtungen waren besonders berufstätige Frauen aus Arbeiter- oder Angestelltenkreisen der unteren gesellschaftlichen Schichten betroffen. Frauen des gehobenen Bürgertums oder der oberen Klassen blieben weitgehend unbeachtet.
2.3 Motivationen zur Meldung als SS-Aufseherin
- Finanzieller Anreiz und Sicherheit: Eine 25jährige, ledige Aufseherin verdiente 1944 brutto 185,65 RM zuzügl. 35 RM Überstundenvergütung gegenüber 76 RM einer ungelernten Textilarbeiterin, also unvergleichlich viel mehr. Weiterhin verlockte die Sicherheit, Reichsangestellte zu werden und später eine Pension zu erhalten.
- Regionale Nähe: Frauen in der Nähe von KZ meldeten sich aufgrund der Nähe ihres zukünftigen \"Betätigungsfeldes\" freiwillig.
- \"Leichte Bewachungstätigkeit\": Die als leicht und einfach angepriesene Arbeit überzeugte viele Frauen, sich zum Dienst zu melden, die Gefangenen wurden abmildernd als Frauen dargestellt, die \"irgendwelche Verstöße gegen die Volksgemeinschaft begangen haben und nun, um weiteren Schaden zu verhindern, isoliert werden müssen.\"
2.4 Die Ausbildung
- Nach einer medizinischen Tauglichkeitsuntersuchung blieben die Anwärterinnen einige Tage bis zu vier Wochen zur Unterweisung im Ausbildungslager. Neben einem kurzen Einführungslehrgang, der u.a. weltanschauliche und nationalpolitische Ausrichtungen, Wissen im Fach \"Dienstkunde\" und die Bewährung im Einsatz beinhaltete, wurden die Frauen in organisatorische, theoretische und praktische Angelegenheiten der Lagerführung, Bewachung und des Lagerlebens eingeführt. Nach ihrer Ausbildung wurden sie meistens in ein Außenlager oder ein anderes Stammlager versetzt.
2.5 Beruflicher Status und die beruflichen Aufstiegschancen einer Aufseherin
- SS-Aufseherinnen zählten zum SS-Gefolge (eine Hilfsbezeichnung für weibliche Angehörige der patriarchischen Männertruppe Hitlers) und waren rangmäßig nicht mit ihren männlichen Kollegen im KZ zu vergleichen. Sie unterstanden der SS-Gerichtsbarkeit, trugen Uniformen und Schuß- und/oder Schlagwaffen und wurden als Reichsangstellte nach Besoldungsgruppe IX-VII bezahlt.
- Nach der Ausbildung wurden sie zunächst als Hilfsaufseherinnen in den Lagerbetrieb integriert, arbeiteten nach kurzer Zeit schon rel. selbstständig und stiegen nach einer ca. dreimonatigen Probezeit zur Aufseherin auf.
- Die Möglichkeiten einer Karriere waren im Gegensatz zu denen der männlichen Kollegen recht begrenzt, Aufstiegsmöglichkeiten gab es lediglich zur Erstaufseherin und zur Oberaufseherin. Die Erstaufseherin war die weibliche Leitung eines KZ-Außenlagers, die Oberaufseherin war die unmittelbare Vorgesetzte aller Aufseherinnen im Lager. Sie gehörte, im Rang mit einem Offizier vergleichbar, zum Kommandanturstab und war die Stellvertreterin des Schutzhaftlagerführers (Stellvertreter des Kommandanten; war für innere Lagerangelegenheiten, z.B. Apelle oder Häftlingsunterbringung, zuständig; war Vorgesetzter des SS-Bewachungspersonals; mußte über alle Vorgänge im Lager informiert werden) mit beratender und unterstützender Funktion bezüglich aller weiblichen Angelegenheiten im Lager.
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