(III/ 18 - 19; 22 - 29; 30 - 32)
2 Modelle: Manchesterkapitalismus = Turbokapitalismus (Staat soll sich nicht einmischen)
Liberalismus (Staat nur wenige Rahmenbedingungen; Polizei,Steuern)
Das \"liberale Modell\" - Der englische Weg
Das ganze 19. Jahrhundert ist gekennzeichnet durch das Ringen des Bürgertums und später auch der Bauern und Industriearbeiter um politische Freiheit und Mitspracherechte im Staat.
Der Liberalismus wurzelt im Denken und im Menschenbild der Aufklärung: Der Mensch ist Kraft seiner Vernunft in der Lage, sein Leben selbstständig und eigenverantwortlich zu gestalten. Der Mensch ist bildungsfähig und bildungswillig, wenn er nicht durch \"konservative Kräfte\", wie alte Standesvorurteile, Vorrechte der Geburt, Einschränkung seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten oder durch geistige und moralische Bevormundung (besonders durch die Kirche), an seiner freien Entfaltung gehindert wird. Der Mensch ist ferner in der Lage, im Rahmen eines allgemeinen wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Fortschrittes zu mehr Vernunft und Mündigkeit auch den Staat und die Gesellschaft so zu gestalten, dass für alle das Beste herauskommt...
In der französischen Revolution (1789) wurde erstmals versucht, diese Prinzipien in die Wirklichkeit umzusetzen - zunächst mit mäßigem Erfolg. In der Revolution von 1830 setzte es sich in Frankreich und Belgien endgültig durch, in Großbritannien näherte man sich durch Reformen diesem Ziel. Im übrigen Europa scheiterten die bürgerlichen Revolutionen von 1830 und 1848. In Deutschland und Italien gab man die Forderung nach Freiheit in der zweiten Jahrhunderthälfte zugunsten des Wunsches nach nationaler Einheit auf. Das Bürgertum schloss Kompromisse mit dem Staat und gab sich mit geringem politischen Einfluss im Rahmen von konstitutionellen Monarchien (die Könige waren an die Verfassung gebunden) zufrieden.
Überall in Europa aber setzte sich der Wirtschaftsliberalismus durch. Das Bürgertum wurde zur beherrschenden wirtschaftlichen Kraft. In freier Konkurrenz sollte der Wohlstand aller gemehrt werden. In der Blütezeit des Wirtschaftsliberalismus in den 1870er Jahren (die mit einer schweren Krise endete) wuchs der Reichtum in den Händen weniger Unternehmer, das Kleinbürgertum, die Bauern und Industriearbeiter aber blieben auf der Strecke.
An der \"sozialen Frage\" scheiterte schließlich der politische Liberalismus. Die meisten Menschen glaubten nicht mehr an die Verwirklichung des \"liberalen Modells\", sie waren nicht mehr bereit, den Führungsschichten des liberalen Bürgertums zu folgen und wandten sich anderen \"Lösungen\" zu, von denen sie eine Verbesserung ihres eigenen Lebens erhoffen konnten: Der Sozialdemokratie, der christlichen Soziallehre, dem Kommunismus, dem Nationalsozialismus.
Persönliche Freiheit
Benjamin Constant, in der Schweiz geboren, lebte in Frankreich, Deutschland und England und gilt als einer der Väter des Liberalismus. Er formulierte folgendermaßen: Die Freiheit \"ist das Ziel einer jeden menschlichen Gemeinschaft; ohne sie gibt es für die Menschen keinen Frieden, keine persönliche Würde, kein Glück\".
Freiheit bedeutet für Constant private und persönliche Unabhängigkeit, finanzielle und geistige Unabhängigkeit, also Religions- und Meinungsfreiheit, Handels- und Gewerbefreiheit, Sicherheit des Eigentums. Es gibt nur eine Grenze: Die Freiheit anderer Menschen darf dadurch nicht bedroht werden. Die Freiheit des einzelnen Menschen ist in den Grundrechten (Menschenrechten) garantiert. Diese dürfen von keiner Regierung angetastet werden.
Freiheit und Gleichheit
Gleichheit bedeutet für die meisten Liberalen nicht \"natürliche Gleichheit\", sondern gleicher Zugang zu gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einrichtungen. Was der einzelne Mensch daraus macht, ist eine Folge seiner Tüchtigkeit.
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