Vorgeschichte
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1.1. Antike
In den ersten drei nachchristlichen Jahrhunderten waren die Christen selbst noch schärfsten Verfolgungen im Römischen Reich ausgesetzt, denn erst unter Kaiser Konstantin dem Großen wurde das Christentum 313 n. Chr. durch das Mailänder Toleranzedikt als gleichberechtigte Religion anerkannt und unter Kaiser Theodosius I wurde es dann zur alleinigen Staatsreligion erhoben.
Durch diese Entwicklung wurden auch abweichende Glaubenslehren wie Dontatismus1, Arianismus2 oder der Manichäismus3 nicht nur mehr auf der kirchlichen Ebene bestraft sondern auch durch die kaiserliche Gesetzgebung.
Diese kaiserliche Gesetzgebung enthielt bereits alle wesentlichen Strafelemente, die später im Hochmittelalter wieder gegen die Ketzer zum Einsatz kommen sollten.
1.2. Frühmittelalter
Die Ketzergesetze der Spätantike gerieten hierbei weitgehend in Vergessenheit.
Den Grund hierfür wird man sicher in den besonderen Gegebenheiten des Frühmittelalters suchen müssen. Man war viel zu sehr damit beschäftigt, sich äußerer Gegner zu erwehren und heidnische Bräuche durch Predigt und Mission auszutreiben, als dass man sich innerkirchlichen Glaubensstreitigkeiten hätte widmen können.
Selbst wenn Fälle des Adoptianismus4 auftauchten wurden sie nur mit rein kirchlichen Maßnahmen bekämpft.
1.3. 11./12. Jahrhundert
Am Beginn des Hochmittelalters änderten sich die sozialen und politischen Bedingungen. Es setzte ein wirtschaftlicher Aufschwung ein, das Städtewesen entwickelte sich rasant und auch im intellektuellen Breich begann sich ein deutlicher Aufwind abzuzeichnen. So setzten auch im kirchlichen Bereich Reformbewegungen ein.
Im 11. Jahrhundert waren Häresien offenbar noch eher Einzelfälle, während in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts sie zahlreicher in Form der sogenannten Wanderprediger vorkamen. Ab der Mitte des 12. Jahrhundert begannen sie in Gestalt der großen Ketzerbewegungen des Mittelalters, dem Katharismus1 und Waldensertum2, zu einer ernsthaften Bedrohung für die katholische Kirche zu werden.
Zu dieser Zeit war die Ketzerverfolgung Aufgabe der Bischöfe. Sie waren für die Verhaftung, Verhör, Überführung und Verurteilung zuständig. Die Strafen waren hierbei vor allem kirchliche Bußen, Klosterhaft oder die Exkommunikation.
Da es aber große Unsicherheiten bei der Bestrafung gab verließ man sich oft auf die sogenannten Gottesurteile3, die zur Überführung von Ketzern dienten oder das Volk selbst wurde zur Lynchjustiz und nahm die Sache selbst in die Hand, ohne auch nur eine Zustimmung der geistlichen Autoritäten erhalten zu haben. Erst mit der Einrichtung der Ketzerinquisition änderte sich dies.
2.Geschichte
2.1.Innozenz III - Inquisition
Im Jahr 1198 wurde Innozenz III zum neuen Papst ernannt, der den Kirchenstaat zu neuer Macht führte und sich auch der Ketzerfrage widmete. Denn die Katarer hatten sich in Norditalien und Südfrankreich schon so sehr ausgebreitet, dass sich im letzteren Land sogar schon eine Kirchenstruktur entwickelte.
Unter Papst Innozenz III (1160 - 1216)wurde das Inquisitionsverfahren eingeführt, welches aber anfangs nicht für Ketzer eingesetzt wurde sondern für geistige Würdenträger, welche durch grobes Fehlverhalten (Bestechung, Vernachlässigung u.a.) auffielen. Bis zu diesem Zeitpunkt verwendete man hierbei das Akkusations1- und das Infamationsverfahren2.
Auf der anderen Seite fasste der Papst die bisherige Ketzergesetzgebung zusammen und systematisierte sie. Ergebnis waren die Bestimmungen des IV Laterankonzils (1215), die zu einer entscheidenden Grundlage für die weitere Ketzerverfolgung werden sollten.
Gleichzeitung rief er zum Kreuzzug3 gegen die Albigenser (Katharer) auf.
2.2.Gregor IX - Inquisition
Der eigentliche Vater der Inquisition ist Papst Gregor IX. Bereits das Konzil von Toulouse mit dem Ende des Albigenserkrieges enthielt in seinen Beschlüssen einige Bestimmungen die schon stark an ein Inquisitionsverfahren erinnern. Doch die eigentliche Geburtsstunde des Inquisitionsverfahrens ist nach heutiger Meinung im Jahre 1231.
In diesem Jahr rief Gregor IX die sogenannte "Inquisitio Haereticae Pravitatis"(Inquisition der Häretischen Schlechtigkeit) ins Leben und beauftragte zuerst den Dominikaner1- und später auch den Franziskanerorden2 mit dem Forschen nach Ketzern. Dazu wurden die päpstlichen Inquisitoren mit Sondervollmachten ausgestattet, die es ihnen ermöglichten, nicht nur nach Ketzern zu suchen, sondern ihnen auch die richterliche Gewalt übertrugen um vermeintliche Häretiker zu überführen und zu verurteilen.
In einer Dektrale (gesetzgebende päpstliche Erlasse im MA), die von Gregor IX verfasst wurde, steht, dass die Kirche die Todesstrafe für hartnäckige Ketzer billigte. Die Vollstreckung des Urteils (Scheiterhaufen - zu dieser Zeit) wurde allerdings den weltlichen Autoritäten überlassen, denn nach kanonisch- rechtlichen Grundsätzen durften Geistliche selbst kein Bluturteil verhängen.
2.3. Innozenz IV- Inquisition
Den letzten großen Schritt hin zur Ketzerinquisition wie sie dann über Jahrhunderte Bestand haben sollte, machte ein weiterer großer Papst des 13. Jahrhunderts. Innozenz IV (1198 - 121) sammelte die Ketzergesetzgebung der Zeit vor ihm und erließ zwei bedeutende Dektralen, die die Praxis der künftigen Ketzerbekämpfung bestimmen sollten.
Die erste Dekretale, "Ad extirpanda" steckte den institutionellen und den prozesstechnischen Rahmen für die Ketzerinquisition ab. Eine entscheidende Ergänzung erfuhr das kanonische Recht, denn von nun an war zu Wahrheitsfindung bei Anklagen auch die Folter1 zugelassen. Die zweite wichtige Dekretale, Adversus haereticam, erklärte die weltlichen Ketzergesetze des römisch-deutschen Kaisers Friedrich II2 für gültig.
Mit Innozenz IV erhielt die Ketzerinquisition also weitgehend ihre endgültige Form.
2.4.Nachwirkungen
2.4.1.Probleme und Erfolge
In der Anfangszeit der Inquisition kam des zu zahlreichen Unsicherheiten in der praktischen Umsetzung und zu Kompetenzüberschreitungen einiger Inquisitoren (Konrad von Marburg und Robert le Bougre)
Doch durch die ergänzende kirchliche Gesetzgebung nach Innozenz IV schaffte hier einen gewissen Ausgleich. Hilfreich für das praktische Vorgehen der Inquisition waren daneben sogenannte Inquisitorenhandbücher1 die sich am Ende des 13. und 14. Jahrhunderts schnell verbreiteten.
Im Falle der Katharer erwies sich die Inquisition als äußerst effektiv. Sie wurden fast vollständig ausgerottet. Den Waldenser erging es nicht anders, doch gibt es heute noch einzelne Gemeinden auf der ganzen Welt.
2.4.2. Staatliche Inquisition
Die Ketzerinquisition blieb jedoch nicht alleine ein Instrument der katholischen Kirche, denn schon bald erkannten weltliche Machthaber, dass die Verfahren sehr nützlich sind um eigene politische Interessen zu verfolgen.
Bereits 1231 hatte Friedrich der II bei einem Ketzerprozess, die Kontrolle und das Nachforschen weltlichen Beamten übertragen. Er setzte die Verfahren auch gegen aufständische Rebellen ein (Sizilien).
Auch der französische König zerstörte im 14.Jahrhundert mit einem riesigen Prozess den Templerorden völlig.
In Spanien verlor der Papst rasch den Einfluss auf die Inquisition, die bald vollständig in den Händen des Königs lag, der sie einsetzte, um Integration in Inneren seinen Landes gnadenlos voranzutreiben. Es ist insbesondere die (weltliche!) Ketzerinquisition1 in Spanien mit ihrem systematischen grausamen vorgehen, die bis heute das negative Bild der Inquisition in den Köpfen der Leute geprägt hat.
2.4.3. Hexenverfolgung
Im Laufe des 14. Jahrhunderts änderte sich die Haltung der Kirche und die Grenzen zwischen Ketzerei und magischen Vergehen begannen zu verschwimmen. Schließlich wurde das Inquisitionsverfahren, wie es bis dahin für Ketzer üblich gewesen war, auch auf Zauberer übertragen. Allerdings setzte die systematische Verfolgung von Hexen erst im 15. Jahrhundert ein, dann jedoch mit unglaublicher Konsequenz. Mit dem "Malleus Maleficarum"1 (Hexenhammer) entstand ein Buch, dass ähnlich den Inquisitorenhandbüchern ganz der Verfolgung von Hexen gewidmet war.
Höhepunkt der Hexenverfolgung war die frühe Neuzeit also im 16. und 17. Jahrhundert. Erst die Aufklärung im 18. Jahrhundert setzte der Hexenverfolgung weitgehend ein Ende. Die letzte Hexe wurde am Ende des 18. Jahrhundert in der Schweiz verbrannt.
2.4.4.Neuzeit
Im Laufe der Zeit gelang es der katholische Kirche immer schwerer, ihren Anspruch aufrecht zu erhalten, die einzige heilsbringende Instanz für die Christenheit zu sein und als einzige Autorität dazu befugt sei, die Heilige Schrift sinngemäß zu interpretieren.
Angesichts dieser Entwicklung trat die Verfolgung von Häretikern immer mehr in den Hintergrund. Im 16. Jahrhundert organisierte sich die römische Kurie neu und schuf die sogenannte "Heilige Kongregation der römischen und allgemeinen Inquisition (kurz: Römische Inquisition1)". Dieses Gremium sollte den römisch-katholischen Glauben (insbesondere gegenüber den Protestantisten) bewahren und falsche Lehren bekämpfen.
Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein widmete sich die Römische Inquisition der Reinhaltung der Lehre, vor allem in dem es abweichende wissenschlaftliche Werke und Erkenntnisse (Kopernikus, Galilei) versuchte zu unterdrücken und einen sogenannte Insex der verbotenen Schriften erstellte.
Im Jahre 1908 wurde die Inquisition unter Papst Paul VI in "Sanctum Offizium" umbenannt. 1966 wurde er jedoch in seinen Kompetenzen beschnitten uns so wurde das Sanctum Offizium in die Kongregation für Glaubensfragen2 umgetauft.
Schon langsam beginnt sich die Kirche sich zu den Verbrechen die sie teilweise im Namen Gottes und der Inquisition durchgeführt hatte zu bekennen.
3.Verfahren
Das Inquisitionsverfahren, das unter Innozenz IV weitgehend seine spätere Ausformung erfuhr, folgte einem festen Ablauf, an den sich die Inquisitoren zu halten hatten, und bei dem man grob vier wesentliche Schritte unterscheiden konnte.
3.1. Ketzerpredigt
Als erstes wurde die Bevölkerung des jeweils betroffenen Ortes in der Kirche oder auf dem Marktplatz zusammengerufen, wo dann die Ketzerpredigt stattfand.
Hierbei wurden den Gläubigen nochmals die Strafen vor Augen gehalten, die Ketzer zu erwarten hatten. Diese Predigt bereitete gleichsam den Boden für den nächsten Schritt. Die Gläubigen wurden auch gleichzeitig dazu aufgerufen, sich nicht von den Irrlehren beeinflussen zu lassen und diejenigen die an diese glaubten sollen freiwillig zum rechten Glauben der katholischen Kirche zurückkehren.
Daran anschließend wurden Fristen genannt, während denen Ketzer sich selbst anzeigen konnten (tempus gratiae - Die zeit der Gnade) und Denunzianten an den Inquisitor herantreten und verdächtige Bürger melden konnten.
3.2. Inquisito Generalis (Voruntersuchungen)
Zuerst wurde belastendes Material gegen mögliche Ketzer gesammelt. Während dieser Zeit konnten Ketzer sich noch selbst stellen. Zugleich wurden aber auch Denunzianten angehört. Am Ende der Zeit der Gnade wurden dann die Verdächtigen Leute vor das eigentliche Inquisitionstribunal geladen.
3.3.Inquisito Specialis (Ketzerprozess)
Mit der Inquisito Specialis begann der eigentliche Prozess gegen beschuldigte Ketzer. Alle Teilnehmer am Prozess mussten schwören die Wahrheit zu sagen, denn sonst wurde man gleich als hartnäckiger Ketzer beschuldigt und verurteilt. Jeder der diesen Eid schwor konnte als Zeuge aussagen. Sogar Exkommunizierte, Infame, Komplizen und sogar Frauen.
Der beschuldigte selbst besaß keine Verteidigungsmittel und im Falle einer Fluchtgefahr wurde er in Haft genommen.
Um den Inquisitoren das Vorgehen zu erleichtern wurden zahlreiche kirchliche Bestimmungen erlassen. Diese Tipps, praktische Hinweise und Mustervorlagen wurden in den Inquisitorenhandbüchern gesammelt.
3.4.Das Urteil
Hingegen die Untersuchung hinter verschlossenen Türen stattfand, erfolgte die Verkündung des Urteils öffentlich und zugleich wurde die jeweilige Buße oder Strafe auch öffentlichkeitswirksam zelebriert.
Erwies sich die Anklage als unschuldig, wurde er in der Öffentlichkeit vom Verdacht freigesprochen und erhielt die Absolution.
In weniger schweren Fällen von Häresie musste der Beschuldigte öffentlich dem Irrglauben abschwören und erhielt eine kirchliche Buße auferlegt (Tragen von gelben Bußkreuzen, Pilgerfahrten).
Handelte es sich um schwere Fälle von Häresie und der Ketzer war nur aus Furcht vor der Todesstrafe bereit seinen Irrglauben abzuschwören, drohte meist ewige Kerkerhaft.
Hartnäckige oder rückfällige Ketzer wurden aus der Kirche ausgestoßen und dem weltlichen Richter übergeben, der sie der angemessenen Strafe (animadversio debita) zuzuführen hatte. Das Urteil war in der Regel der Tod durch Verbennen.
Nicht immer war der Tod auf dem Scheiterhaufen garantiert.
Die darauffolgenden Zahlen zeigen eine Statistik des Inquisitors Bernado Guy:
Bei 930 Anklagen gab es 42 Todesurteile, 143 mussten Dienste im Heiligen Land verrichten, 307 mussten eine Kerkerhaft absitzen, 132 wurden zum Kreuztragen verurteilt, 69 mussten Posthume Ausgrabungen machen und es gab 139 Freisprüche.
4.Ketzer
4.1.John Wycliffe und die Lollarden
Der Dr. der Theologie, Wycliffe unterrichtete an der Universität von Oxford. Das Misstrauen der Kurie zog er sich zu, weil er den Einzug des kirchlichen Besitzes forderte und die katholische Kirchenhierarchie anprangerte. Anfangs konnte er seine Ansichten frei vertreten weil zahlreiche mächtige Herren (Englischer König) ihm den Rücken freihielten.
Die Probleme fingen damit an, als er anfing seine Überzeugungen zu predigen und sogenannte poor priests (arme Priester) aussandte, die dann seine Gedanken dem Volk überbrachten. Doch als Wycliffe die Transsubstantionslehre angriff, verlor er den großen Teil seinen Rückhaltes.
24 von Wycliffes Lehrsätzen wurden als häretisch befunden (1381) und verboten. Er zog sich daraufhin ins Privatleben zurück und starb (1384). Doch 1428 wurde vom Konzil von Konstanz entschieden, dass die Überreste Wycliffs aufgegraben und anschließend verbrannt werden sollen (1428).
Die Ideen Wycliffs lebten aber weiter bis ihre Anhänger zu Beginn des 15. Jahrhunderts großteils auf dem Scheiterhaufen landeten.
4.2. Jan Hus und der Hussitismus
Jan Hus, war ebenfalls ein Universitätsprofessor an der Prager Universität und übernahm viele Gedanken von Wycliffe übernahm. Daraufhin wurde er 1411 und 1412 vom Papst exkommuniziert. Auf Androhung eines Kreuzzuges gegen seine Anhängerschaft, versprach er vor dem Konzil von Konstanz auszusagen. Auf dem Weg dorthin wurde er jedoch verhaftet und gegen ihn ein Inquisitionsverfahren eröffnet, das mit dem Tod auf dem Scheiterhaufen endete.(1415)
Hus' Vorwürfe gegen die Kirche (Korruption, Verschwendungssucht und Reichtum) und seine Forderung nach Armut des Klerus hatten ihm aber bereits eine große Gefolgschaft verschafft. Sein Tod führte zu einem Aufstand in Böhmen, der dazu führte das der Papst und der Kaiser (1436) beschlossen, dass die Böhmen ihre Religion frei ausüben durften.
4.3. Jeanne d' Arc
Als es den englischen Truppen am Anfang des 15. Jahrhunderts gelang weite Teile von Frankreich zu besetzen, tauchte plötzlich Johanna von Orleans auf. Sie hielt sich für eine von Gott berufene. Sie gab den demoralisierten Truppen wieder Hoffnung, die darauf die englischen Truppen wieder zurückdrängten.
Doch im Jahre 1429 geriet Johanna von Orleans in englische Gefangenschaft wo sie als Ketzerin angeklagt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. 1920 wurde sie von Papst Bonifazius heiliggesprochen.
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