In einer Besprechung amerikanischer Diplomaten am 2. Jänner 1946 in Wien wurde erstmals die Notwendigkeit eines "Friedensvertrages" mit Österreich zur Sprache gebracht. Nach dem Einwand, daß die Alliierten keinen Krieg mit Österreich als Staat geführt haben, stellte man fest, daß es doch einen Vertrag mit Österreich geben könne, in dem Österreichs Unabhängigkeit festgestellt wird und der die Beziehung zu anderen Statten regelt. Schon am 18. Jänner erklärte James C. Dunn, ein hoher Beamter des US-State Departments in einem Memorandum die Gründe für den baldigen Abschluß eines solchen Vertrages. Dunn erklärte, daß des Vertrag eine schnelle Wiederherstellung der österreichischen Wirtschaft gewährleisten würde und auch die offenen Grenzfragen klären würde. Da Dunn die Bezeichnung "Friedensvertrag" aus oben genannten Gründen nicht für angemessen hielt, schlug er als Titel "Vertrag zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit Österreichs" vor. In Dunns Memorandum wurde außerdem die Zwischenstellung, die Österreich innehatte betont. Einerseits hatte Österreich weder den Krieg erklärt noch als Staat Krieg geführt, andererseits war Österreich im Krieg ein Teil Deutschlands. Auch galt Österreich nicht als besiegtes sondern als befreites Land. Österreich war also weder Siegerstaat noch Feindstaat. Auch die österreichische Regierung fand die Formulierung "Staatsvertrag" treffender. Bei den folgenden Verhandlungen gab es viele Mißverständnisse und unscharfe Formulierungen. Kurios ist, daß sich Österreich nach Ansicht des britischen Foreign Offices immer noch mit Großbritannien im Kriegszustand befand. Erst am 16. September 1947 um 16 Uhr erklärte die englische Regierung den Kriegszustand für beendet.
Die Vereinten Nationen verwendeten übrigens bis zu Österreichs Intervention 1950 den Ausdruck "Friedensvertrag".
Am 15. Jänner 1947 gab Bundeskanzler Figl ein 16-Punkte Programm betreffend die Verhandlungen zum Staatsvertrag bekannt:
1.) Österreich sei ein von Hitler-Deutschland besetztes Gebiet und habe daher den Anspruch, von den Vereinten Nationen ebenso wie die übrigen besetzten Gebiete mit Rücksicht behandelt zu werden.
2.) Es sollten die Grenzen von 1937 gelten.
3.) Österreich sollte eine demokratische Verfassung erhalten. Die Menschenrechte und die Verfolgung von Kriegsverbrechern wurde besonders erwähnt.
4.) Die vier alliierten Großmächte sollten eine Kandidatur Österreichs für die Vereinten Nationen unterstützen.
5.) Zurückziehen der Streitkräfte.
6.) Österreich sollte keine Reparationen zu zahlen haben, weil es kein feindliches Land sei.
7.) versch. militärische Klauseln.
8.) Kriegsgefangene sollten sobald wie möglich in die Heimat zurückkehren können.
9.) "Displaced Persons". Österreich wollte Schwierigkeiten, die durch diese Personen ausgelöst werden beseitigen.
Die Punkte 10 bis 13 betrafen finanzielle Ansprüche gegenüber Deutschland, Punkt 14 betraf die Potsdamer Beschlüsse, Punkt 15 betraf österreichisches Eigentum im Ausland und Punkt 16 sollte die Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland regeln.
Am 14. Jänner 1947 eröffnete der britische Außenminister Ernest Bevin in London die Tagung der Sonderbeauftragten für Deutschland und Österreich. Hier wurde beschlossen Vertreter Jugoslawiens, Polens, Kanadas Südafrikas und Australiens zu den Beratungen hinzuzuziehen. Die erste Krise bei der Tagung trat schon am 16. des Monats auf weil Jugoslawien von Österreich Reparationen und Gebietsabtritte verlangte. Die Gebietsansprüche betrafen vor allem Kärnten, von dem Jugoslawien ein Gebiet von 2470 Quadratkilometern und 180.000 Einwohnern forderte. Diese Krise wurde nach längeren Verhandlungen mit dem Hinweis auf den Friedensvertrag von St. Germain (1919) und die Kärntner Volksabstimmung von 1920 aus der Welt geschafft. In dieser Tagung wurde auch der folgende Passus zum alliierten Entwurf des Staatsvertrag hinzugefügt, der erst am Vorabend der endgültigen Unterzeichnung wieder entfernt wurde. Es wurde festgehalten, daß:
Österreich als integrierter Teil Hitler-Deutschlands am Kriege gegen die Alliierten und Assoziierten und gegen andere Vereinte Nationen teilnahm und daß Deutschland sich zu diesem Zwecke österreichischen Gebietes, österreichischer Truppen und materieller Hilfsquellen bediente, und daß Österreich eine Verantwortlichkeit ["certain responsibility"], die sich aus dieser Teilnahme am Kriege ergibt, nicht vermeiden kann.
Diese Tagung, in der außerdem über die Potsdamer Beschlüsse, kleinere Berichtigungen der Grenze zu der Tschechoslowakei, Verbote von Spezialwaffen und finanzielle Fragen besprochen wurden, diente eigentlich nur der Vorbereitung der Moskauer Außenministerkonferenz, die am 10. März 1947 begann. In dieser Konferenz wurden unter anderem auch finanzielle Fragen wie Reparationszahlungen und deutsches Eigentum diskutiert. Allerdings konnte zu diesem Zeitpunkt noch kein gemeinsamer Konsens zu diesen Fragen gefunden werden.
Der französische Vertreter bei der moskauer Konferenz Paul Cherrière legte einen Kompromißvorschlag vor, der bald Cherrière-Plan genannt wurde. Dieser Plan lieferte Grundlagen zur späteren Einigung über das deutsche Eigentum. Cherrière meinte, daß das deutsche Eigentum in österreichischen Besitz übergehen sollte und die Alliierten dafür Erzeugnisse der Industrie erhalten sollten.
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