Das sandige Ufer war seine erste Umfriedung, es gab zwei Brücken, eine im Süden und eine im Norden, und zwei Brückenköpfe, die zugleich die Stadttore waren. Im ersten Jahrhundert nach Christus begann die Übersiedelung auf das umliegende Festland, später drängte sich alles um einen Damm, die Mauer von Philipp Augustus , der vor den Überschwemmungen schützen sollte. Die Häuser wurden laufend aufgestockt, die Straßen wurden enger und die Plätze wurden bebaut und verschwanden schließlich. Erst recht spät begann dann der sogenannte Sprung über die Mauer, die Gebäude zerstreuten sich aber ohne Plan und Ordnung in der Ebene auf dem rechten Ufer. Erst in der Zeit Karls V., etwa ab 1365, war eine neue Mauer nötig; auch diese reichte nicht lange, und um das Jahr 1500 hatte Paris schon drei Mauerringe verbraucht.
Zur Zeit Ludwigs XI. konnte man hier und da noch Reste der alten Mauern sehen. Schon das Paris des 15. Jahrhunderts war eine riesige Stadt; seit jener Zeit hat sie sich um nicht viel mehr als ein Drittel vergrößert. Damals zerfiel die Stadt Paris noch in drei deutlich getrennte Städte: die Altstadt, auf der Insel liegend, die kleinste der drei Städte, die Universitätsstadt auf dem linken Ufer der Seine liegend und die Neustadt, auf dem rechten Ufer , die sich weit ausbreitete. Die Stadtmauer zog sich im weiten Bogen durch das Gebiet.
Ihr südlichster Punkt, das päpstliche Tor, lag ungefähr dort, wo heute das Pantheon steht. An den Stellen, wo die Seine die Stadtmauern durchschnitt, standen vier Türme, die sogenannten Türme von Paris. Alle drei Bereiche waren aufeinander angewiesen, aber jeder bot ein unterschiedliches Bild: In der Altstadt wimmelte es von Kirchen, in der Neustadt von Palästen und in der Universitätsstadt von Lehranstalten. Verallgemeinert läßt sich dies so darstellen: die Insel gehörte dem Bischof, das rechte Ufer der Kaufmannschaft und das linke Ufer dem Rektor der Universität. Über allen stand der Vogt von Paris, ein königlicher Beamter. Zu jener Zeit wurden Studenten, die ein Verbrechen in der Universitätsstadt begingen, auf der Insel im Justizpalast gerichtet , und auf dem rechten Ufer, auf dem Montfaucon, wurde das Urteil vollzogen.
Wenn der entsprechende Rektor der Universität stark war, erhob er gegen die Verurteilung Einspruch, denn die Schüler hatten das Vorrecht, unter sich gehenkt zu werden. Schon Victor Hugo stellte fest, daß der König nur losläßt, was das Volk ihm entreiße - diese Vorrechte wurden dem König durch Meutereien und Aufstände abgerungen. Im 15. Jahrhundert gab es noch fünf Seineinseln innerhalb der Stadtgrenzen; die Louvreinsel, mit Bäumen bestanden, die Rinderinsel, die Notre-Dame-Insel, beide Bischofslehen (im 17. Jahrhundert wurden beide zur Ile St. Louis zusammengefaßt), die Altstadtinsel und an deren Spitze die Rinder-Fährmann-Insel.
Die Brücken, die hinüberführten, waren alle bebaut und abends wurden die Stadttore geschlossen und sogar die Seine an beiden Stadtgrenzen mit großen Ketten abgesperrt. Um 1480 bot sich ein blendendes Durcheinander von Dächern, Schornsteinen, Straßen, Brücken, Plätzen, Turm- und Kirchturmspitzen. Nur zwei Straßen, heute würde man sie Hauptstraßen nennen, durchliefen die Stadt in Nord-Süd-Richtung. Außerhalb der Mauern drängten sich um die Stadttore herum ein paar Vorstädte, auf dem linken Ufer mehr als auf dem rechten. Im Westen lag der Schweinemarkt mit dem traditionellen runden Ofen in der Mitte, in dem man Falschmünzer verbrannte. Nach Norden zu erhob sich der Montmartre, dessen Kreidefelsen damals beinahe ebenso viele Kirchen wie Mühlen trugen, und im Nordosten lag jener furchtbare Montfaucon.
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