4.1. Kapitalistisches Denken
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Mit dem Einsetzen der Kolonisation des afrikanischen Kontinents, die der Stärkung des machtpolitischen Einflusses der Nationalstaaten und deren Bereicherung diente, wurden Inferioritätstheorien zur Grundlage der wirtschaftlichen Ausbeutung. Der Kolonisator wollte mit dem gewaltsamen Eindringen in den Kontinent primär die Arbeitskraft des Afrikaners ausnützen. Mit den grossen Handelsgesellschaften kam eine neue Denkweise auf, die kapitalistisch bestimmt war, und eine rein wirtschaftliche Bewertung des Afrikaners anstrebte. Die Menschen wurden zum Rohstoff der wirtschaftlichen Entwicklung der Kolonialmächte.
Europäische Investoren erkannten, dass die Ausbeutung der Arbeitskraft der Afrikaner an Ort und Stelle rentabel war: "Kapitalanlage in Menschen warf in Ostafrika die grössten Profite ab, in der Regel nicht unter 100%."
Hegel bestätigt dieses Denken indem er Mitte des 19. Jahrhundert den "Neger" wie folgt charakterisiert:
"Der Neger stellt den natürlichen Menschen in seiner ganzen Wildheit und Unbändigkeit dar; von aller Ehrfurcht und Sittlichkeit, von dem, was Gefühl heisst, muss man abstrahieren wenn man ihn richtig auffassen will."
P. Rohrbach, Autor der Siedlerzeitung "Deutsch-Ostafrikanische Zeitung" und Hauptredner beim Deutschen-Kolonial-Kongress 1910, schreibt, dass die Frage nicht laute:
"Wie bringen wir den Neger dazu, dass er arbeitet?, sondern so: Wie bringen wir den Neger dazu, dass er mehr produziert als seinem gegenwärtigen primitiven Bedürfnissen entspricht? Erst mit dem zu schaffenden Quantum solchen Mehrwerts können wir mit einer wirklichen kolonialen Eingeborenen-Produktion rechnen. Um aber diese in Gang zu bringen, wird es nicht ohne Zwangsmittel abgehen."
Solche und ähnliche Überlegungen, die den Afrikaner auf seine Arbeitsleistung reduzieren, waren in Kolonialkreisen das Übliche.
4.2. Die "Unterentwicklung" des Afrikaners
Der traditionelle "Hackbau" (eine Subsistenzwirtschaft) der Einwohner des damaligen "Deutsch-Ostafrika" erschien den Kolonisten als wirtschaftliche Unterentwicklung. Es war ihnen unerklärlich, dass der Einwohner sich auf das Lebensnotwendige beschränkten und sie stuften sie in der Folge als "träge", "faul" und "nachlässig" ein. Sie verstanden eine ihnen fremde Mentalität nicht, und werteten die Anderen als "unterentwickelt" und somit als minderwertig.
Die Meinung, die schwarze Rasse sei sowohl in wirtschaftlicher, als auch in geistiger, sittlicher und sozialer Hinsicht unterentwickelt, wurde dem Afrikaner anerzogen. Dies lässt sich gut an Aussagen Booker T. Washingtons zeigen, der als Sklave in Virginia geboren wurde. Washington - gemäss zeitgenössischer Charakterisierung als "Pädagoge, Negerführer und Wohltäter der schwarzen Rasse" beschrieben - hat die koloniale Arbeitserziehung beeinflusst. Er beschreibt sein Konzept der "Emporentwicklung der schwarzen Rasse" als einen "langsamen, aber sicheren Vorgang, der darin besteht, schrittweise aufzusteigen durch alle Stufen gewerblicher, geistiger, sittlicher und sozialer Entwicklung, die jede Rasse durchgemacht haben muss, welche unabhängig und stark geworden ist."
Trotz der Jahrhunderte andauernden Blüte vieler Königreiche, wurde Afrika als ein Kontinent ohne "Hochkulturen" und somit als "geschichtlich ärmer" als Europa eingestuft. 1891 erschien in der "Berliner Zeitung" der folgende Artikel eines preussischen Akademikers:
"Afrika bedeutet uns nach neuzeitlicher Ansicht, soweit es von Negern bewohnt wird, keinerlei Geschichtliche Rätsel (...) Vor den Arabern gab es weder eine organisierte Staatenbildung noch eine einheitliche Religion, noch entwickeltes Gewerbe ... Wenn wir Kolonialisten heute mit unseren Pflügen die Afrikanische Erde aufreissen, so wird aus der Furche keine alte Waffe auftauchen. (...) nirgends auf alte Gräber stossen; (...) nirgends auf die Fundamente eines alten Palastes stossen. Afrika ist geschichtlich ärmer, als irgend eine Phantasie sich vorstellen kann. Neger-Afrika ist ein rätselloser, geschichtlicher Erdteil."
4.3. Mission in den "dunklen Todeslanden"
Ich habe Publikationen von Missionsgesellschaften aus der Zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter die Lupe genommen, da die Missionare in den afrikanischen Kolonien mit der Bevölkerung den engsten Kontakt pflegten, und weil der Missionar in der europäischen Bevölkerung angesehen war, da er eine christliche Pflicht erfüllte. Das Bild, das er vom Afrikaner zeichnete, hatte somit Einfluss auf die europäische Meinungsbildung.
Die Missionen erfüllten ihren ganz eigenen Zweck im Kolonialsystem, nämlich die "Hebung der Kulturstufe" und die "Erziehung zur Arbeit" auf den Plantagen; eine eigentliche "seelische Unterwerfung" , die den "inneren Gehorsam" gegenüber der Kolonialmacht erzwingt. Die Missionen sollten den Afrikanern jene europäischen Werte anerziehen, die es ermöglichten, sie als Auszubeutende ins kapitalistische Wirtschaftssystem zu integrieren.
Der Afrikaner als Mensch mit seinen Gefühlen, seinem Denken und Glauben, spielt in den Missionspublikationen eine unwesentliche Rolle; es wird vor allem über die Missionare selber, über "Resultate" und Probleme der Missionierung geschrieben; der Afrikaner ist Objekt selbstloser Missionierung. Es finden sich immer wieder Beschreibungen von frommen Bekehrten und pauschale Charaktereigenschaften von "Heiden". Im Magazin der Evangelischen Basler Missiongesesllschaft "Der Heidenbote" schreibt ein Missionar von der Westküste Afrikas:
"(...), und es hat sich denn auch deutlich gezeigt, dass die dortige Bevölkerung noch nicht reif und würdig wäre für einen Konstantin, der die christliche Religion als Staatsreligion erklären und energisch einführen könnte."
Die Überzeugung, die bessere bzw. die einzig richtige Kultur und Religion zu haben, ist in den Missionszeitschriften überdeutlich sichtbar:
"(...), besonders an Orten, die weit im Inland liegen, muss der Missionar die Seele der Kultur und der Entwicklung sein. Es ist ja eine Freude, wenn dem Volke die Augen aufgehen und ein Verlangen nach etwas Höherem sich kund giebt."
Wie weit diese Überzeugung gehen kann, zeigt dieser Ausschnitt aus einem Bericht über eine Missionsschule in Christiansborg an der "Goldküste" :
"Glücklicherweise kann gesagt werden, dass im allgemeinen afrikanische Schüler sich leichter in eine gewisse Ordnung fügen als europäische. Ich kann mir nicht recht vorstellen, dass es in Europa möglich wäre, so viele Schüler im Alter von 10 bis 25 Jahren und aus verschiedenen Stämmen zusammengekommen, so verhältnismässig leicht im Frieden unter sich zu erhalten, wie dies hier der Fall ist. Da merkt mans, dass die Neger nicht so anspruchsvoll sind, nicht so berechnend, sondern einfältiger, urwüchsiger, auch gleichgültiger und unwissender als europäische Schüler ihres Alters. Der Negerknabe ist nicht verwegen, hierzu fehlt ihm die nötige Umsicht, Energie und Ausdauer, der rechte Eifer. Nur in seltenen Fällen ist an diesem oder jenem so etwas zu entdecken; daran ist ihre Trägheit schuld. Deshalb kommt es verhältnismässig selten vor, dass sie sich gegenseitig ernstlich befeinden."
Der Autor bemerkt einen an sich positiven Punkt, nämlich, dass so viele Schüler aus verschiedenen Stämmen friedlich nebeneinander leben, begründet aber dieses Verhalten mit Pauschalurteilen, die seinem negativen Stereotyp "des Negers" entsprechen. Umgekehrt könnte man sagen: der europäische Schüler würde aufgrund positiver Eigenschaften ein negatives Verhalten an den Tag legen.
In der Kolonialzeit wurden die "Naturwesen" zu "Naturkindern", die es zu erziehen galt. Die Jugendbeilage des "Evangelischen Heidenboten", der "Heidenfreund" schreibt 1901:
"Die erwachsenen Leute sind in Afrika nicht viel anders als bei uns die Kinder, (...)"
Die "wilden", "barbarischen" "Monster" verloren ihre tierische Irrationalität und Unkontrollierbarkeit, da die Europäer sich in ihrer Überheblichkeit gewiss waren, sie zähmen zu können.
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