Die Entdeckung
Die Archäologie streitet sich über die Zeit der "Entdeckung" des Glases ebenso wie über das erste Volk, dass sich dieses Material bemächtigte. Es wird geschätzt, dass zwischen 4000 und 7000 v. Chr. das Glas in Ägypten oder Mesopotamien mehr oder weniger durch Zufall erfunden wurde. Ein Bericht aus der "Historia naturalis" von "Plinius dem Älteren" erzählt von zwei phönizischen Seefahrern: "Sie bereiteten am Ufer verstreut ihr Mal, und da Sie keine Steine als Auflage für Ihre Kochtöpfe fanden, verwendeten Sie Salpeterstücke aus Ihrer Ladung. Der vom Feuer erhitzte Salpeter verband sich mit dem am Boden liegenden Sand, und alsbald sahen Sie durchsichtige Bäche einer unbekannten Flüssigkeit fließen . das war der Ursprung des Glases."
Ein Feuer besitzt etwa eine Temperatur zwischen 700 und 800 °C, doch aufgrund des Kalisalpeters reichten bereits 500 °C zur zufälligen Entstehung dieses Werkstoffes. Glas, welches bei solch geringer Temperatur gefertigt wird, nennt man "Weiches Glas" und eignet sich nur zur Verformung einfacher Gefäße. Erst um die Zeitwende herum, erlernte man mit höheren Temperaturen härteres Glas herzustellen.
Abb. 1.: Mit Glas überzogener Kopf einer ägyptischen Skulptur. Erste Versuche in Ägypten
Etwa um 3000 v. Chr. begannen in Ägypten Glasmacher, planmäßig Schmuckstücke und kleine Gefäße herzustellen. Sie modellierten um einen festen Sandkern oder Tonkern herum auf 900°C abgekühltes, zähflüssiges Glas. 1500 v. Chr. schon benutzten sie einen keramischen Kern als "Negativform", dieser an einer Stange befestigt durch ständiges Drehen das flüssige Glas um die Form herum anbrachte. Es entstand das erste brauchbare Hohlglas, teilweise schon mit Henkeln und Oberflächenmusterung. Durch Zugabe von Kupfer- oder Kobaltverbindungen entstanden Blau- und Braunfärbungen. Im Laufe der Jahrhunderte verbreitete sich die Kunst des Glasmachens immer weiter. Bald gab es im Niltal von Alexandria bis Luxor so viele Betriebe, dass schon von einer frühen Glasindustrie gesprochen werden kann. Ähnlich entwickelten sich die Dinge zwischen Euphrat und Tigris im Irak, in Syrien, auf Zypern und Rhodos. Um 1000 v. Chr. schufen die Glasmacher im östlichen Mittelmeer und in den angrenzenden Regionen immer größere Gefäße und Schalen durch Entwicklung neuer Verfahren. So wurden beispielsweise aus verschiedenfarbigen Glasfäden gefertigte Glasstäbe in Scheiben geschnitten, in Formen gelegt und die Zwischenräume mit Glas ausgegossen. Auch einfache Guss- und Pressmethoden waren bereits bekannt. Doch hatte man mit der Herstellung flacher und tiefer Schalen die technischen Möglichkeiten ausgeschöpft.
Fortschritte der römischen Zeit
100 n. Chr. gelang es den Römern in Alexandria durch Beimengung von Manganoxid, in Verbindung mit weiterentwickelten Ölen, erstmals die Schmelze von farblosem Glas. Man konnte nun auch schon höhere Temperaturen erzielen und so Qualität des Glases aufgrund vollständigerer Verschmelzung der Bestandteile verbessern. Die Prunksucht der römischen Kaiser gab der Glasherstellung weiteren Auftrieb. Kunstvoll gearbeitete Luxusgläser mit Filigran-, Mosaik- und Schliffdekor kamen in Mode. Glas wurde zu Schmuck verarbeitet und als Edelteinimitationen benutzt. Um eine höhere Produktion zu bewerkstelligen, siedelten sich die Glashütten in der Nähe von geeigneten Sandvorkommen an. Andere Bestandteile, wie Soda, wurden bis ins Mittelalter aus Ägypten und Syrien herbeigeschafft. Glas war nun so beliebt, dass die einzelnen Glashütten schon ihr eigenes Firmensymbol, in ihren Kunstwerken verewigten. Sie lieferten sie bis hin über die Seidenstraße nach China, obwohl es dort bereits seit langer Zeit Glas aus eigener Herstellung gab.
Abb. 2 u. 3.: Römische Glasfragmente eines Thrones. Abb. 4.: Römische Glaskunst 100 v. Chr.
Die Rolle Venedigs
Im Mittelalter entwickelte sich die Handelsmetropole Venedig nach und nach zum Mittelpunkt der Glasmacherkunst. Teilweise waren bis zu 8000 Arbeiter in den Glashütten beschäftigt. Venedig erreichte seinen Höhepunkt zwischen dem 15. und 17. Jhd., nicht nur in der Herstellung von Glas, sondern auch in dessen Veredelung. Die Glaskünstler nahmen manche Anregung aus dem islamischen Kulturkreis in ihre Arbeiten auf, und schafften sogar reinstes, komplett farbloses Kristallglas. Reiner Quarzsand und aus Meerespflanzen gewonnene Pottaschen waren die Vorraussetzung dafür. Auch die Verwendung von Altglas zur Herstellung neuem war ihnen bereits bekannt. Die Venezianer hielten ihre Tricks und Techniken strikt geheim und siedelten auch aufgrund der nicht zu unterschätzenden Brandgefahr ihre Glasmacher auf der Insel Murano an. Bei Auswanderungsversuchen wurden sie getötet.
Abb. 5 bis 7.: Venezianische Glasarbeiten aus damaliger Zeit.
Abb. 8, 9.: Glashütten auf Murano. Neuerungen des 18. und 19. Jahrhunderts
1676 Entwicklung des Bleikristalls in England für optische Zwecke. 1679 Johann Kunckel bringt sein Buch der deutschen Glasmacherkunst heraus, das "Ars vitraria experimentalis", die wissenschaftliche Grundlage dieses Zeitalters. 1876 Nach mehreren Versuchen gelingt es Otto Schott Glas mit idealer Beschaffenheit herzustellen. Er gründete mit Ernst Abbe Carl Zeiss und dessen Sohn Roderich das glastechnische Labor "Schott und Genossen". Sie erprobten weitere neuartige Glasarten und Schmelzverfahren für optische Gläser etc. 1900 Michael Owens erfindet die automatische Flaschenblasmaschine.
Revolution der Technik - Die Glasmacherpfeife
Im Raum zwischen Sidon und Babylon gelang syrischen Handwerkern um das Jahr 2000 v. Chr. der entscheidende technische Durchbruch mit der Erfindung der Glasmacherpfeife. Dieses Werkzeug besteht aus einem etwa 100 bis 150 cm langen Eisenrohr mit rund 1 cm "lichter Weite\". An einem Ende ist es zu einem Mundstück ausgebildet und mit einem wärmeisolierenden Griff versehen. Am anderen Ende findet sich eine knopfartige Erweiterung. Damit holt der Glasmacher aus der Schmelze einen Posten flüssigen Glases und bläst ihn zu einem Hohlkörper auf. Seit dieser Zeit ist die Glasmacherpfeife trotz technischen Fortschritts aus der Glasfertigung nicht mehr wegzudenken. Das Blasen des Glases mit der Pfeife ermöglichte es, nicht nur einfache, dicke Gefäße zu fertigen, sondern auch dünnwandige, feinere, mehrfach verformte Gläser. Durch das Einblasen in hölzerne Formen ließen sich die Produkte standardisieren und in gleichmäßigen Serien herstellen. In die Formen eingearbeitete Vertiefungen wie Rillen, Rauten oder Netze schufen Muster auf den Oberflächen der Gläser. Zugleich bedeutete der Einsatz der Glasmacherpfeife die Vorstufe für Flachglas. Dazu wurde dann Glas zu größeren zylindrischen Körpern oder birnenförmigen Gebilden aufgeblasen, anschließend aufgeschnitten und noch im warmen Zustand durch "Bügeln\" geglättet.
Abb. 10.: Glasmacher mit Pfeife in der Glashütte "Vetreria Rossetto Estevan" auf Murano.
Die Mechanisierung der Glasmacherindustrie
Um 1880 entwickelte Claude Boucher, ein Glasmeister aus Cognac, die Idee mit Hilfe komprimierter Luft die geschmolzene Glasmasse zu formen und so die Produktion um 150 % zu steigern, verglichen mit dem bis dahin üblichen Mundblasen. Die Industrielle Revolution im 19. Jahrhundert beschleunigte den Fortschritt der Glasproduktion: . Schmelzöfen wurden durch Holzkohle geheizt, die vorher durch Holz erhitzt wurden. . Die ersten automatischen Maschinen wurden benutzt. . Komprimierte Luft wurde benutzt, um in Metallformen zu blasen Das 20. Jahrhundert ermöglichte die Entwicklung des kontinuierlich arbeitenden Schmelzofens, der durch Gas oder Öl geheizt wurde, und so die Produktion in noch größerem Maßstab ermöglichte. Basierend auf den Hauptprinzipien der Glasherstellung vom Anfang des letzten Jahrhunderts, hat sich die Industrie systematisch weiterentwickelt. Neue Methoden durch neue Technologien, Automatisierung und neue Materialien, elektronische Kontrollen, CAD ("Computer Aided Design") ermöglichten neue Modelle von Flaschen und Gläser.
3D-Laserglas-Technik Laserglas nennt man Gläser, in denen 3D-Objekte mittels spezieller Software und zwei fein abgestimmte Laserstrahlen eingefräst werden. Die beiden Strahlen erzeugen bei Aufeinandertreffen im Glas Hitze, welche kleine Risse an den gewünschten Stellen verursacht. Diese Prozedur wird einige tausend Male wiederholt, bis das gewünschte 3D-Objekt fertiggestellt ist. Entwickelt wurde diese Idee im WVU PWI Programm vom National Energy Technology Laboratory (NETL) in Assistenz der Fenton Art Glass Company in Williamstown, WV. https://iofwv.nrcce.wvu.edu/projects/glass/laser.cfm
Glasfasertechnik
Die Glasfasertechnik ermöglicht eine Datenübertragung mittels Glasfaserkabel (Lichtwellenleiter). Dabei wird das zu übertragende Signal durch eine dünne, biegsame Faser aus optisch leitfähigem, glas-ähnlichen Material gesendet. Mit dieser relativ modernen Technik wird eine hohe Übertragungsrate von über 2,5 Gigabit pro Sekunde erzielt. Dabei muss der Datenstrom aufgrund der geringen Dämpfungsverluste nur alle 20 Kilometer mit einem optischen Regenerator "verstärkt" werden. Das Material wird aus bestimmten Glas- oder Kunststoffsorten hergestellt. Das Problematische dabei ist die benötigte Reinheit des Stoffes, um so unerwünschte Brechungen des Lichtdatenstromes zu erlangen. Ihre Einsatzgebiete liegen in Bereichen, denen die schnelle Übertragung einer hohen Datenmenge gewährleistet werden muss, z.B. häufig in öffentlichen Telefonnetzen.
Abb. 15.: Aufbau eines Glasfaserkabels
Glaskeramik - Ceran
Ceran, ursprünglich entwickelt für die Weltraumtechnik, ist eine Mischung aus einer Glasschmelze und Keramik, welches hervorragend Wärmestrahlung durch sich hindurch lässt. Jede andere Strahlung wird davon fast vollständig adsorbiert bzw. reflektiert. Eine weitere Besonderheit ist seine Wärmeleitfähigkeit. Am Beispiel einem Ceran-Herd sieht man, dass der erhitzte Bereich, also die jeweilige Kochplatte ihre Wärme nicht nach außen weitergibt. So ist eine gezielte Erhitzung von Bestimmten Stellen auf Ceran möglich. Im Gegensatz zu anderen Glasarten bietet Ceran durch seine keramischen Kristallstrukturen eine Sicherheit bezüglich seiner Ausdehnung bei hohen Temperaturen. Glas alleine würde sich bei Hitze ausdehnen, der Keramikanteil jedoch zusammenziehen. So versucht man einen Ausgleich zwischen diesen beiden materialabhängigen Effekten zu finden und optimale Eigenschaften bei höheren Temperaturen zu erreichen.
Abb. 16.: Kunstvoll verzierte Glaskeramik-Herdplatte.
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