Zum ersten Mal in der Geschichte hatte eine einzige Kultur die ganze Menschheit unterworfen.
Im Allgemeinen erfolgte die Europäisierung unter Druck, Zwang und nackter Gewalt. In Gebieten, welche die Europäer als Siedlungsraum in Besitz nahmen, wurde die Urbevölkerung weitgehend verdrängt. In Nordamerika, Australien, Argentinien und Neuseeland raubten die weissen Siedler den alteingesessenen Bewohnern ihre Jagdgründe oder Äcker und damit ihre Lebensgrundlage. Aus Europa brachten sie den Alkohol und neue Infektionskrankheiten mir. Beides raffte ganze Volkstämme dahin.
5.1 Indien: "Die Last des weissen Mannes"?
Indien wurde im 19. Jahrhundert wirtschaftlich in das britische Empire und damit in den Weltmarkt eingegliedert. Als Teil des britischen Wirtschaftsraums waren dem indischen Subkontinent im Wesentlichen drei Aufgaben zugeteilt:
. Indien musste der Kolonialmacht Grossbritannien tropische Rohstoffe und Nahrungsmittel liefern. Dazu gehörten Bauwolle, Farbstoffe, Gewürze, Tee und Reis.
. Das Land sollte diese Rohstoffe auch auf dem Weltmarkt ausserhalb des Britischen Empire verkaufen und auf diese Weise Geld einbringen.
. Funktion eines sicheren Absatzmarktes für die britischen Erzeugnisse.
Grossbritannien musste grosse Investitionen in ihrer Kolonie tätigen. So wurde der Anbau der tropischen Landwirtschaftserzeugnisse durch den Bau von Bewässerungsanlagen gefördert. Besonders wichtig war es auch, das Innere des Subkontinents für die Güterbeförderung zu erschliessen. Man begann darum mit dem Bau eines Eisenbahnnetzes in Indien. Das war mit ein Grund, warum die Briten Indien unter ihrer direkten Herrschaft wissen wollten. Das Eisenbahnnetz diente in erster Linie dazu, die Ausfuhr von Kolonialgütern zu erleichtern. Die Hauptlinien liefen auf die wichtigsten Exporthäfen zu. Direkte Verbindungen zwischen den Städten im Landesinnern fehlten dagegen zum Teil. Selbst die Einzelteile wurden nicht in Indien, sondern in Grossbritannien hergestellt.
Auch im Bereich der Textilindustrie kam Indien in die Abhängigkeit Grossbritanniens, obwohl das asiatische Land einst für seine Stoffe berühmt gewesen war. Im 19. Jahrhundert verdrängten in Indien britische Erzeugnisse die handgefertigten einheimischen Textilien. Die Briten zeigten keinerlei Interesse in Indien eine Industrialisierung in Gang zu bringen.
Die Briten modernisierten das Land und gliederten es in die Weltwirtschaft ein. Für diesen Anschluss mussten die Inder aber einen Wucherpreis zahlen. Alle Aufwendungen der Briten in Indien mussten von den Indern und deren Steuern bezahlt werden. Indien glich zudem den ganzen Fehlbetrag des Empires aus.
5.2 Afrika: "Handel, Christentum und Zivilisation"
Afrika blieb dem weissen Mann lange Zeit verschlossen. Allein schon die Landschaftsgestalt, das Klima, Krankheiten bewirkten dies. Das Bild vom "schwarzen Kontinent" setzte sich in den Köpfen der Europäer fest.
Der Sklavenhandel funktionierte zu dieser Zeit jedoch schon sehr gut. Die afrikanischen Herrscher tauschten Menschen gegen Fertigwaren aus Europa, sei es Werkzeuge und bunte Tücher, sei es gegen Waffen, mit denen sie die Sklaven jagen konnten.
Im 19. Jahrhundert verboten die europäischen Mächte den Sklavenhandel. Nach der Niederlage der sklavenhaltenden Südstaaten im amerikanischen Sezessionskrieg um 1865 versiegte das Geschäft mit versklavten Menschen.
Dies benötigte nun eine stärkere Kontrolle der afrikanischen Gebiete. Die europäischen Kaufleute forderten den Schutz ihrer Heimatstaaten an. Neu dazu kam Fortschritte in den Bereichen der Medizin und der Waffentechnik. Früher hatte die Malaria die Menschen dahin raffen lassen, das Chinin liess Malaria jedoch hemmen. Auch die Erfindung des Maschinengewehrs stärkte die Kolonisatoren wesentlich.
Die afrikanische Bevölkerung war nun der Willkür der Kolonisatoren ausgesetzt. Die Steuereintreibung glich einem organisierten Raubzug und nicht besser stand es mit der Rechtssprechung. Das afrikanische Rechtssystem wurde weitgehend zerschlagen.
Die Menschen wurden ausserdem zur Zwangsarbeit gezwungen, was von den Afrikanern meist noch drückender empfunden wurde als die Steuerlast und die fremde Rechtssprechung.
Es bildeten sich zwei Formen aus, wie eine Kolonie regiert werden konnte:
Indirekte Herrschaft
Die indirekte Herrschaft wurde weitgehend von den Briten ausgeübt. Sie ging davon aus, dass eine wirksame Kolonialverwaltung nicht auf die Hilfe einheimischer Kräfte verzichten konnte. Die suchten darum die Zusammenarbeit mit afrikanischen Stammesfürsten.
Die indirekte Herrschaft schuf nur ganz wenig Berührungspunkte zwischen dem europäischen Beamtentum und der einheimischen Bevölkerung. In der Regel gab es in den Kolonien nur einen kleinen Apparat weisser Beamter. Mit diesem System konnten die Briten mit einem kleinen Personalbestand riesige Gebiete regieren.
Diese Methode löste bei der einheimischen Bevölkerung weniger Widerstand aus, als die direkte Unterwerfung.
Direkte Herrschaft
Die Machtzentrale in Paris wollte in Afrika nichts dem Zufall überlassen und selbst den kleinsten Verwaltungsvorgang genau geregelt wissen. So machten die französischen Kolonialbeamten aus den lokalen afrikanischen Herrschern Vollzugsorgane der Verwaltung. Befugnisse der Rechtssprechung standen ihm zwar nicht zu, er erhielt aber für die Steuereintreibung eine Art Gehalt. Die französische Herrschaft war auf Assimilation ausgerichtet. Die Afrikaner sollten die französische Sprache und Kultur übernehmen und allmählich zu Franzosen erzogen werden.
In jedem Fall griffen die Europäer massiv in die gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnisse Afrikas ein. Zur Auflösung der althergebrachten politischen und rechtlichen Ordnung, zur Zerstörung traditioneller Wirtschaftsstrukturen trat die willkürliche Grenzziehung der imperialistischen Mächte. Alle diese Umstände bildeten ein gewaltiges Hindernis für die zukünftige Entwicklung der afrikanischen Gesellschaften.
Ein weiteres Element war die christliche Mission, die die Menschen Afrikas zum Christentum bekehren wollte. Sie federten den schockartigen Umbruch, den die koloniale Eroberung mit sich brachte, damit ab, dass die den Afrikanern europäische Kulturtechniken beibrachten. Dazu gehörten Lesen, Schreiben, Hygiene, Hauswirtschaft sowie landwirtschaftliches und handwerkliches Fachwissen.
5.3 Australien: der ökologische Imperialismus
Beim Imperialismus gilt es auch ökologische Gesichtspunkte zu betrachten. Besonders einschneidende Veränderungen löste der ökologische Imperialismus in Gebieten in Insellage aus, die eine ganz eigene Flora und Fauna aufwiesen. In Australien zum Beispiel brachten die landwirtschaftliche Nutzung sowie eingeführte Tiere und Pflanzen das Ökosystem aus dem Gleichgewicht. Zugleich wurde die Urbevölkerung Opfer eingeschleppter Seuchen.
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