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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Die erste phase: die aufnahme ins lager



Diese erste Phase ist als Aufnahmeschock zu bezeichnen die durch den menschenunwürdigen Transport in diese besagten Lager eingeleitet wird.
Dieser Schock kann auch schon während der formalen Aufnahme einsetzten. Mehrere Nächte und Tage sind die angehenden Häftlinge dazu gezwungen in Waggons mit bis zu 80 Menschen zusammengepfercht zu verweilen bis sie ihr unbekanntes Ziel erreichen. Auf ihren Taschen und Rucksäcken in denen sich das letzte Hab und Gut befindet sitzen sie am Boden, insofern man zu den glücklichen gehört die noch ein Stückchen freien Boden fanden, auf der Reise ins Ungewissen kommt man auf so manche Ideen, doch kann man noch nicht glauben was wirklich auf einen zukommt. Im Glauben in einen Rüstungsbetrieb deportiert zu werden, spielte sich jedoch alles relativ ruhig ab, auf dieser ersten Reise.
Als jedoch die vorbeiziehende Tafel "Auschwitz" die Aufmerksamkeiten erregte, wurde diese Ruhe von schrecklichen Vorstellungen getrübt. Den Insassen des Zuges blieb das Herz fast stehen, denn Auschwitz war der Inbegriff von Gaskammern, Krematoriumsöfen und Massentötungen. Bedrohlich wirkte dieses Lager auf die Menschen da es eine riesige Fläche für sich in Anspruch nahm und in der Dämmerung des Morgengrauens um so grauenhafter aussah. Gepaart mit optischen Reizen, traten bei der Ankunft nun auch akustische in Form von grellen Kommandopfiffen und Menschenschreien auf. Die Türen wurden aufgerissen und die Leute wie eine Viehherde herausgetrieben. Die Ankömmlinge wurden von eigens selektierten gut genährt aussehenden Häftlingen empfangen, diese verursachten eine willkommene Hoffnung in den neuen Häftlingen.
Ein erster Optimismus kam auf, der sich darauf stütze, dass es Angesichts dieser wohlgenährten Leuten doch nicht so schlimm sein könne. Dieses Phänomen lässt sich mit dem Krankheitsbild des sogenannten Begnadigungswahn vergleichen. Der zu Tode Verurteilte hofft bis zu letzt begnadigt zu werden. Auch diese Häftlinge schützen sich indem sie sich durch banale optische Erscheinungen von ihrer eigentlichen Situation ablenken ließen.
Direkt nach der Ankunft nahm man ihnen nun auch den das letzte Stücken weg, dass sie an ihr bisheriges Leben erinnerte, nämlich das Handgepäck. So standen sie nun da, nur noch eine Nummer in einer Liste, kein Eigentum mehr kein gar nichts mehr, so wurden sie in die Baracke dirigiert. Frauen nach rechts, Männer nach Links so wurden sie auch gleich von ihren geliebten Menschen getrennt. Nach dieser Trennung erfolgte die erste Selektion.
Die Bewegung des Zeigefingers des Kommandanten entschied über Leben und Tod, für 90% der Neuangekommenen war diese Selektion die erste und letzte, für sie bedeutete die Bewegung des Fingers nach rechts den Abtransport in das Krankenlager und somit den sicheren Tod.
Dieser erste Tag im Lager der, sämtliche Charakteren eines Tötungslagers an den Tag legte, wurde von den neuen Häftlingen jedoch nicht als wirklich wahrgenommen, noch immer hielten sie an der Hoffnung fest, alles sei bald vorbei. Erst als einer der älteren Insassen des Lagers eine Art "Aufklärungsgespräch" mit ihnen führte, wurde den Menschen allmählich klar in welcher aussichtslosen Situation sie sich befanden.
Nun begannen sie zu verstehen. Doch der Begnadigungswahn war tief in ihnen verankert und schwer zu lösen. Als es darum ging eine Dusche in den berüchtigten Badräumen zu nehmen, und diese sich als echte Bäder erwiesen, fiel dieser Begnadigungswahn erneut auf nahrhaften Boden. Die Hoffnung wurde immer stärker. Mit der Desinfektion schor man ihnen auch die Haare und zwang sie sich vollkommen nackt auszuziehen. So standen sie also da, nackt wie sie geboren wurden, besitzlos wie sie geboren wurden. Die Häftlinge durften nichts behalten, keinen Ehering kein Stück Kleidung nichts. Was ihnen blieb war die nackte Existenz die durch ihre nackte Erscheinung manifestiert wurde.
Die erste Reaktion auf diese unfassbare Aktion war erstaunlicherweise Galgenhumor!
Da sie nun nichts mehr zu verlieren hatten, begannen die Häftlinge sich über ihr nacktes Leben lustig zu machen. Dieser unerwartet Ausguss von Humor ist natürlich auch auf die erste Freude über das Nichtbefinden in einer Gaskammer zurückzuführen. Eine andere Reaktion war das aufkommen einer heftigen Neugierde. Die Neugierde ob man mit dem Leben davonkommen würde oder nicht. Eine Art russisches Roulette, das man gezwungen wurde zu spielen. Diese Neugierde wurde in den vergangen Tagen dann von Überraschung abgelöst. Überraschung darüber das man es ohne Lungenentzündung überlebt nass und nackt bei eisiger Kälte im Freien stehen gelassen zu werden.
In dieser ersten Phase stellt sich auch heraus das die Lehrbücher der Mediziner lügen. Im KZ wird bewiesen, dass Menschen bei weitem mehr aushalten können, als man ihnen zutraut. Auch die These "der Mensch ist ein Gewohnheitstier" bewahrheitet sich hier. Es stellt sich heraus das Menschen länger ohne Schlaf auskommen als von den Ärzten angenommen. Auch die Lebenswichtige Kaloriengrenze wurde von Medizinern zu hoch hinauf geschraubt, ist es nämlich möglich mit einer Tasse Wassersuppe am Tag zu überleben.
In dieser Phase wird bestätigt, dass der Mensch wahrhaftig das Wesen ist, welches sich unter bestimmten Umständen an alles gewöhnen kann. Beschäftigt man sich mit seelischen Verfassung der Häftlinge, mit der Situation welche stündlich auswegloser erscheint, so liegt der Gedanke an Selbstmord nicht allzu fern.
Soweil man sich ja sowieso im Todesnähe aufhält.
"Durch den Draht gehen" wird Selbsttötung im KZ-Jargon genannt.
Mit diesem Gedanken spielten sehr viele Häftlinge, zuweil der Tod als gegenstandslos angesehen wurde und keiner damit rechen konnte die noch bevorstehenden Selektionen zu überstehen. Der Häftlinge erlebte den Tod in diesem Schockstadium als nicht fürchtenswert, da er ja ständig damit konfrontiert wurde. Nicht einmal die Gaskammer stellte nach einigen Tagen noch eine Bedrohung da, da sie lediglich die Alternative zum Suizid Darstellte.
Es gab nur ein Mittel zu überleben, man musste den Eindruck der Arbeitsfähigkeit erwecken. Doch dieses stellte anbetracht der Lebensumstände im Lager eine fast nichtzugbewältigende Herausforderung dar.
Charakterisierend für diese Phase sind auch die unerwarteten Reaktionen der Häftlinge auf bestimmte Aktionen.
Zum Beispiel reagierte Frankl auf die Aussage: "Du wirst es hier nicht
überleben" eines Mithäftlings, lediglich mit einem Lächeln. Diese äußerst unerwartete Reaktion ist damit zu erklären, dass in abnormalen Situationen, abnormale Reaktionen eben das normale Verhalten wiedergeben. Diese im normalen Leben abnormale Reaktion stellt in anbetracht des Gemütszustands des Häftlings nach tagelangem Aufenthalt in einem Tötungslager, also die normale Reaktion dar, sobald sie im Zusammenhang der gegebenen Situation gesehen wird.

 
 

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