Eine Zuspitzung des Ost-West-Konflikts auf der letzten Viermächtekonferenz der Außenminister in London (25. November bis 12. Dezember 1947) veranlasste die USA, gegen die Interessen der Sowjetunion für Deutschland eine Weststaatslösung durchzusetzen. Die einzelnen Schritte auf dem Weg zur Errichtung des Weststaates waren: 1. Zusammen mit Frankreich, England und den Benelux-Staaten die Festlegung einer gemeinsamen Deutschlandpolitik auf der Londoner Sechsmächtekonferenz (23. Februar bis 2. Juni 1948; Londoner Empfehlungen); 2. die Zustimmung Frankreichs, das angesichts seiner wirtschaftlichen Schwäche auf eine eigenständige Deutschlandpolitik verzichten musste, zum Anschluss seiner Zone an die Bizone; 3. die Durchführung einer Währungsreform (21. Juni 1948) als Voraussetzung für die Wiederankurbelung der westdeutschen Wirtschaft und für ein Wirksamwerden der Marshallplanhilfe; 4. die Aufforderung an die westdeutschen Länderchefs, einen deutschen Weststaat zu bilden.
Der Versuch Stalins, mit der Berliner Blockade, d. h. der Sperrung aller Land- und Wasserverbindungen von und nach Westberlin ab dem 24. Juni 1948, und mit dem Befehl der SMAD zur Durchführung einer eigenen Währungsreform (24.-28. Juni 1948) in der Sowjetzone und in ganz Berlin, die Westmächte an einer neuralgischen Stelle zu treffen und sie von der Weststaatsgründung abzubringen, scheiterte. Mit Hilfe einer Luftbrücke gelang es den Amerikanern, die ab dem 25. Juni 1948 auch Westberlin in die Währungsreform einbezogen, die Bevölkerung zu versorgen und eine katastrophale Zuspitzung der Situation im Winter 1948/49 zu verhindern.
Am 1. Juli 1948 fand die Übergabe der die Ergebnisse der Londoner Sechsmächtekonferenz zusammenfassenden so genannten Frankfurter Dokumente an die Ministerpräsidenten der Länder der drei Westzonen und Berlins durch die drei westlichen Militärbefehlshaber statt. Um das darin den Ministerpräsidenten gewährte Mitspracherecht an den Entscheidungen des die künftige Verfassung beratenden Parlamentarischen Rates in Bonn von vornherein sicherzustellen und zugunsten deutscher Vorstellungen bereits zu präjudizieren, lud der bayerische Ministerpräsident Ehard Mitte August 1948 zu einem Verfassungskonvent nach Herrenchiemsee ein. Gemäß den Anweisungen der Alliierten sollte hier ein Expertenausschuss einen Grundgesetzentwurf erarbeiten, auf dem die Beratungen des Parlamentarischen Rates basieren konnten.
7.1
Der Entwurf des Grundgesetzes
Am 1. September 1948 trat der Parlamentarische Rat in Bonn zusammen. Die Länderparlamente hatten auf je 750 000 Einwohner einen Abgeordneten gewählt - insgesamt 65 (je 27 Abgeordnete der CDU/CSU und der SPD, fünf der FDP, und je zwei der DP, des Zentrums und der KPD). Hinzu kamen mit lediglich beratendem Status fünf Abgeordnete aus Westberlin. Zum Präsidenten wurde Konrad Adenauer gewählt und zum Vorsitzenden des Hauptausschusses, in dem mit Hilfe einer Reihe von Unterausschüssen die Arbeit am Verfassungstext geleistet wurde, Carlo Schmid.
In den Beratungen über das Grundgesetz einigten sich die maßgeblichen politischen Kräfte Westdeutschlands (CDU/CSU, SPD, FDP) auf eine bundesstaatliche Lösung. Den Erfahrungen aus der Weimarer Republik und aus der Zeit des Nationalsozialismus wurde für das neue Staatswesen Rechnung getragen, indem die in der Substanz unabdingbaren Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht allen Einzelbestimmungen der Staatsordnung vorangestellt wurden. Das Prinzip der repräsentativen parlamentarischen Demokratie schloss fast alle Elemente der direkten Demokratie aus und verlieh dem Regierungschef (Bundeskanzler) eine starke Stellung, indem es seinen Sturz an ein konstruktives (zugleich einen neuen Kanzler bestimmendes) Misstrauensvotum band. Die Beschränkung der Aufgaben des Staatsoberhauptes (siehe Bundespräsident) auf im Wesentlichen repräsentative Funktionen und die Betonung des föderativen Charakters der "Bundesrepublik Deutschland" waren weitere Charakteristika dieser "provisorischen Verfassung", des Grundgesetzes, das am 24. Mai 1949 in Kraft trat.
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