Noch nie waren die Reiseangebote und auch die Vielfältigkeit der Wünsche so aufgefächert wie in den 90ern. Die steigenden
Ansprüche schlagen sich schon im Kleinen - also den Angeboten der einzelnen Hotels nieder: nicht länger nur die Art der
Übernachtungsmöglichkeit, sondern auch die sportlichen Einrichtungen wie Fitnesszentren, Schwimmbäder, Solarien etc.
spielen für den Urlauber der heutigen Zeit sicher eine entscheidende Rolle bei der Wahl seines Urlaubsziels. Neue
Tourismusformen wie Club- und Actionurlaube, Studienreisen, Sprachreisen, Abenteuer-und Singlereisen, aber auch die
altherkömmlichen Ferien auf dem Bauernhof machen die Vielzahl der Interessen, die einen Menschen heute dazu bewegen
Urlaub zu machen, deutlich, eine Interessenbündelung wie in den vorhergehenden Jahrzehnten ist nicht mehr annähernd zu
finden.
Doch sind Reisen heute auch viel einfacher möglich: es gibt mehr Freizeit, die einem dies erlaubt, das nötige Geld ist vorhanden
und außerdem genießt der Mensch von heute eine damals noch unvorstellbare Freiheit, was Grenzüberschreitungen angeht. Die
früher bestimmt noch auf Grund geringer Fremdsprachenkenntnisse vorhandene Hemmschwelle spielt keine Rolle mehr, die
Welt rückt immer näher zusammen.
Bedeutsam für die Charakterisierung des deutschen Urlaubers der 90er ist das Bild des Mallorca - Reisenden, der mit Verlaub
gesagt sicher nicht das beste Bild unserer Gesellschaft abgibt: Sonne, Strand, Alkohol in Unmengen, Dauerparty und Sex - das
sind die Hauptbeweggründe, sich auf den Weg gen Ballermann 6 zu machen - und das für 13 Millionen Bürger der BRD in einem
Jahr. Weitere Kommentare und Beschreibungen von uns sind auf Grund der \"aufklärenden\" Reportagen, die man mindestens
allmonatlich finden kann, sicher überflüssig...
Doch gibt es auch Leute, die sehr gerne im eigenen Land ohne weit fahren zu müssen Urlaub machen wollen und dabei trotzdem
auf die Vorzüge südlicher Länder nicht verzichten möchten. Ihnen bleibt seit neustem auch dieser Wunsch nicht mehr verwehrt:
die Rede ist von den künstlichen Urlaubswelten wie den Center Parks. Bei den Urlaubern sind sie beliebt, doch bei den Kritikern
als passiv machende und berechenbare Urlaubswelten, die einen Standardurlaub an die Stelle des individuellen Erlebnisses
schieben, verpönt. Nicht zuletzt bringen sie noch mehr von den Tourismussünden mit sich, von denen in den 80ern schon viel die
Rede war: Flächenversiegelung, Bebauung der Landschaft, der hohe Energieverbrauch und das erhöhte Verkehrsaufkommen
sind nur wenige Kritikpunkte. Umweltzerstörung und -verschmutzung sind also Probleme, die auch heute weiterhin als
Nebenwirkung des Reisens entstehen und die Freude der Anwohner über den Urlaub der anderen dämpfen.
Das war also der Weg zum \"Deutschen Reiseweltmeister\" - wie es weitergehen wird, ist sicher noch fraglich: wird es soweit
kommen, dass irgendwann keiner mehr aus persönlichen Gründen verreist, da die Geschäftsreisen jeden Wunsch danach
abtöten - oder müssen sich kommende Generationen auf die Zukunftsvisionen des Urlaubs im All vorbereiten?
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