Wegen der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse konnte der Unterricht im Frühjahr 1945 verständlicherweise nicht mehr aufgenommen werden. Die Lehrer und Schüler der ehemaligen I. Oberschule für Jungen waren in ganz Europa verstreut. Solange die sowjetischen Truppen als Besatzungsmacht in Graz standen, kamen auch sehr viele nicht zurück. So führte zum Beispiel Julius Fanta im Sommer 1945 seinen Bauernhof in Neumarkt weiter und kehrte erst im Herbst in das dann "britische" Graz zurück.
Andere Schüler, wie Werner Volckmar, hatten Graz gar nicht verlassen. Er erzählt: "Eines Tages hat mich eine russische Patrouille aufgehalten und mich einfach so in eine Kolonne eingereiht. Nicht einmal nach Hause durfte ich gehen, um meine Verwandten zu verständigen. In dieser Kolonne sollten wir zum Flughafen Thalerhof gehen, um dort Bombenkrater zuzuschütten. Als wir dann in Richtung Thalerhof gegangen sind, gingen vorne und hinten je ein russischer Wachsoldat. Als der hintere einmal in die andere Richtung geschaut hat, bin ich mit einem Hechtsprung über die nächste Hecke und dann durch den Keller weiter. Die anderen sind erst nach ein paar Tagen zurück gekommen."
Am 8. Oktober 1945 konnte der Unterricht trotz vieler Probleme wieder aufgenommen werden. Von den 10 Grazer Mittelschulen waren nur fünf Gebäude benutzbar, die anderen hatten entweder den Krieg nicht überstanden oder waren von den Briten besetzt . Also wurden immer zwei Mittelschulen in einem Gebäude untergebracht. Im Lichtenfels waren es sogar drei: Das I. Bundesrealgymnasium für Mädchen, das später in die Seebachergasse 11 umzog, das I. Bundesrealgymnasium für Jungen, welches aus der ersten Oberschule für Jungen entstanden war, und die Arbeitermittelschule.
Der Unterricht wurde in der ersten Zeit unter sehr schwierigen Bedingungen abgehalten. Rund 500 Fensterscheiben waren durch die Bombenangriffe zerstört worden und konnten anfangs nur notdürftig mit Pappendeckel oder Isotexplatten überdeckt werden. So mussten die Klassen den ganzen Tag lang mit elektrischem Licht beleuchtet werden. Um Energie zu sparen, stellte die Stadt von 8 bis 9 Uhr in der Früh und von 18 bis 19 Uhr am Abend den Strom ab . Weil nicht genügend Kohle vorhanden war, heizte der Schulwart die Schule erst ab Dezember, und vom 19. bis zum 24. Jänner gab es eine Woche lang Ferien, um Kohle zu sparen; die sogenannten "Kohleferien". Aber zum Glück war der Winter 1945/46 ein vergleichsweise milder. Um die starke Not an Lebensmitteln zu lindern, gab es in der Schule Ausspeisungen mit Milchreis und Vitamin C-Tabletten . Aber es fehlte nicht nur an Nahrung und Kohlen, sondern auch an Lehrmaterial und Lehrern. Während 1937 noch 44 Professoren an der Schule unterrichteten, waren es 1947, das ist das Jahr, aus dem ich die nächsten Zahlen habe, nur noch 34. Österreichweit fehlte ungefähr ein Drittel der Lehrer . Nachdem viele Lehrer im Krieg geblieben waren, wurden weitere ungefähr 14000 durch Entnazifizierungskommissionen entlassen. Alle Professoren, die 1938 gleich nach dem Anschluss in die Lichtenfelsgasse versetzt wurden, das waren Herr Prof. Berndl, Dr. Reinhold Hönig, Alois Flügel, Leopold Gutjahr und Dr. Adalbert Aigner, werden dann 1947 nicht mehr im Jahresbericht angeführt. Von den Professoren, die 1938 in den Ruhestand geschickt wurden, kehrten Direktor Dr. Thalhammer und Prof. Johann Kretschmer an die Schule zurück.
Bis Weihnachten fanden sogenannte "Überleitungskurse" statt, in denen der Stoff des letzten Schuljahres nachgemacht werden sollte. Erst im Jänner 1946 begann das eigentliche Schuljahr 1945/46 und dauerte bis zum 18. Juli. Schon im Februar 1946 konnte man den Sportplatz wieder benutzen. Vom 10. - 15. Februar 1948 fand der erste Schikurs für die Schüler des Lichtenfelsgymnasiums nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Planneralm bei Donnersbachwald statt .
|